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Kommt es zur Kollision zwischen einem Linienbus, der bei Rot mit leicht erhöhter Geschwindigkeit in einen Kreuzungsbereich einfährt, und einem PKW, der eine Linksabbiegespur zu einem Wendemanöver nach einem Gelblichtverstoß nutzt, ist eine Haftungsverteilung von 4/5 zulasten des Busfahrers und 1/5 zulasten des PKW angemessen. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Es ging um Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall

Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. Bei dem Unfall wurde die Mutter des Klägers tödlich verletzt.

Der Kläger fuhr mit dem PKW seines Vaters in südliche Fahrtrichtung in die vom Beklagten in nördliche Richtung genutzte Straße. Der Kläger ordnete sich im Kreuzungsbereich auf der Linksabbiegerspur hinter vier weiteren Fahrzeugen ein. Nach dem Umschalten des Linksabbiegerpfeils auf „Grün“ fuhr der Kläger als fünftes und letztes Fahrzeug in die Abzweigung ein. Der aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung kommende Beklagte steuerte einen Linienbus und kollidierte bei seiner Geradeausfahrt mit dem Fahrzeug des Klägers. Er behauptet, seine Ampel habe „Grün“ gezeigt.

Mithaftung des Pkw-Fahrers

Das Landgericht (LG) hatte der Schadenersatzklage bei Annahme einer alleinigen Haftung des Beklagten ganz überwiegend stattgegeben. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten entschied das OLG, dass den Kläger eine Mithaftung in Höhe von 1/5 treffe.

Kein unabwendbares Ereignis

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass für keinen der Beteiligten der Unfall ein unabwendbares Ereignis gewesen sei, führte das OLG aus. Zulasten des Beklagten wirke, dass die Ampel für den Bus unmittelbar vor der Kollision bereits seit mindestens 22 Sekunden „Rot“ gezeigt habe. Dass eine Fehlschaltung in Form eines sog. „feindlichen Grüns“ vorgelegen habe, sei auszuschließen. Die Ampelanlage sei auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüft worden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Busfahrer mit 58 km/h und damit mit leicht überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei.

Zulasten des Klägers wirke, dass dieser sich ungewöhnlich lange im Kreuzungsbereich aufgehalten habe. Er habe unter Nutzung der Linksabbiegespur ein Wendemanöver beabsichtigt. Dadurch habe er sich infolge der geringeren Geschwindigkeit länger (9 Sekunden) als üblich (4-4,5 Sekunden) im Kreuzungsbereich aufgehalten. Er habe die Kollision mit dem für ihn sichtbaren Bus bei rechtzeitiger Bremsung vermeiden können. Zudem sei von einem Gelblichtverstoß des Klägers auszugehen.

So verteilt das Oberlandesgericht die Haftung

Die Abwägung der Verursachungsbeiträge aufseiten des Beklagten (Rotlichtverstoß, überhöhte Geschwindigkeit und erhöhte Betriebsgefahr des Busses) und des Klägers (Gelblichtverstoß, längeres Aufhalten im Kreuzungsbereich infolge Wendemanövers) führe zu einer Haftungsverteilung von 4/5 zulasten des Beklagten und 1/5 zulasten des Klägers.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.9.2025, 10 U 213/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Führt ein Autofahrer ein Wendemanöver durch und kommt es deshalb mit einem von hinten kommenden Pkw, der den Wendenden links überholen wollte, zu einem Zusammenstoß, spricht der erste Anschein dafür, dass der wendende Autofahrer den Unfall verschuldet hat.

Hierauf wies das Amtsgericht (AG) München in einem Rechtsstreit hin. Geklagt hatte ein Audifahrer, der an einer Kreuzung wenden wollte. In diesem Moment setzte ein Peugeotfahrer, der sich ihm von hinten näherte, an, ihn links zu überholen. Dadurch kam es zum Zusammenstoß. Bei diesem Unfall wurde der Audi an der linken Seite beschädigt. Der linke vordere Kotflügel, die linke vordere Tür und das hintere linke Seitenteil wurden gestaucht und verschrammt, die Stoßleiste beschädigt. Insgesamt entstand ein Schaden von etwas über 6.000 Euro. Davon wollte der Audifahrer zumindest die Hälfte von dem Peugeotfahrer erstattet haben. Schließlich sei er ihm hineingefahren. Dieser weigerte sich zu zahlen. Er könne nichts für das Wendemanöver des Audifahrers. Dieser erhob daraufhin Klage.

Die zuständige Richterin wies die Klage jedoch ab. Sie machte deutlich, dass der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Wendenden spreche, wenn sich ein Unfall in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Wendemanöver ereigne. Schließlich müsse sich jeder Verkehrsteilnehmer bei einem Wendemanöver nach der Straßenverkehrsordnung so verhalten, dass er keinem anderen schade. Eine Mithaftung komme nur in Betracht, wenn der Überholende dieses Fahrmanöver bei unklarer Verkehrslage ausführe, da bei einem solchen Verkehrsgeschehen ein Überholen grundsätzlich verboten sei. Eine solche unklare Verkehrslage liege vor, wenn nach allein objektiven Umständen mit einem ungefährlichen Überholen nicht gerechnet werden dürfe. Unklar sei eine Verkehrslage auch, wenn sich nicht verlässlich beurteilen lasse, was der Vorausfahrende sogleich tun werde. Dabei begründe eine langsamere Fahrweise des Vorausfahrenden für sich allein keine unklare Verkehrslage. Auch wenn der Vorausfahrende vor einer linken Abzweigung oder Wendemöglichkeit die Geschwindigkeit reduziere und sich zur Fahrbahnmitte einordne, entstehe eine solche Unklarheit nur, wenn Umstände hinzuträten, die für ein unmittelbares Linksabbiegen sprechen könnten. Diese Umstände habe der Kläger nicht beweisen können, insbesondere nicht, dass er den Blinker gesetzt habe und ganz links gefahren sei. Fest stehe nur seine langsame Fahrweise. Daher habe allein der Kläger den Unfall verursacht. Er hätte vor dem Abbiegen noch einmal nach hinten schauen müssen, dann hätte er den anderen Autofahrer auch bemerken können (AG München, 345 C 15055/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl