Das Gericht darf einen Zuschlag zum Mietspiegel vornehmen, um eine sachgerechte Einzelvergleichsmiete zu bilden. Voraussetzung: Zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zeitpunkt, an dem das Zustimmungsverlangen zugestellt wurde, werden außergewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festgestellt. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn der Verbraucherpreisindex ansteigt. So sieht es das Landgericht (LG) München.

Der Vermieter begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Er wollte u.a. einen sog. Stichtagszuschlag auf die von ihm ermittelte Vergleichsmiete addieren. Der Verbraucherpreisindex habe sich im Zeitraum zwischen Januar 2022 (als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Daten für den qualifizierten Mietspiegel 2023) und Juni 2023 (Zugang des Mieterhöhungsverlangens) aufgrund einer ungewöhnlichen Steigerung der Mieten von rund 3% erhöht.

Das LG: Ein Stichtagszuschlag komme nicht in Betracht. Die Mieterhöhung könne nicht auf den qualifizierten Mietspiegel und ergänzend auf einen Anstieg des Verbraucherpreisindex gestützt werden. Ein Anstieg gemäß Index für Nettokaltmieten von nur wenig mehr als 3% sei nicht außergewöhnlich hoch. Die Einführung einer „Stichtagspraxis“ würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die sog. Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könne.

Quelle: LG München I, Urteil vom 17.7.2024, 14 S 3692/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg.

Inhaber des Architekturbüros blieb passiv

Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.

Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.

Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Klage eines im Nebenerwerb tätigen Landwirts auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen bereits errichten „Portalrahmen“ im Außenbereich abgewiesen.

Landwirt hatte Bauwerk schon errichtet

Der „Portalrahmen“ besteht aus zwei Sandsteinsäulen (je 3,53 Meter hoch), an denen ein schmiedeeisernes doppelflügeliges Einfahrtstor befestigt ist. Auf den Säulen befindet sich jeweils eine Metallskulptur. Die Säulen sind mit zwei Einzelfundamenten im Boden verankert. Das gesamte Bauwerk ist fünf Meter breit. Den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lehnte der Landkreis ab. Bei dem „Portalrahmen“ handele es sich nicht um ein im Außenbereich bevorrechtigt zulässiges Vorhaben.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte der Landwirt und trug hierzu vor, das Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es seinem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Das Tor gewährleiste den Zugang und die Zufahrt zu dem von ihm bewirtschafteten Grundstück. Es füge sich auch optisch in die Umgebung ein.

Klage ohne Erfolg

Das sah das VG anders: Der „Portalrahmen“ sei im Außenbereich nicht bevorrechtigt zulässig, weil er dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht diene. Er sei optisch auffallend und solle offensichtlich die Kunden des Klägers beeindrucken. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs kein solches Bauwerk zur Einfriedung errichten. Der Kläger könne sich überdies nicht mit Erfolg darauf berufen, er führe einen „Adelshof“. Eine Bevorzugung aufgrund der Abstammung widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der „Portalrahmen“ beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Vorhabengrundstück liege in einem Naturpark, dessen landschaftliche Eigenart zu bewahren sei.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 31.10.2024, 4 K 282/24.KO, PM 22/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Halten sich Polizisten nach Sicherung einer Unfallstelle noch knapp eine halbe Stunde nach einem vorausgegangenen Unfallereignis am Rand der linken Fahrbahn einer Autobahn auf dem ca. 70 cm breiten Zwischenstreifen zwischen dem Fahrbahnrand und der auf dem Mittelstreifen befindlichen Betonschutzwand auf, ohne den herannahenden Verkehr ausreichend zu beobachten und sich hinter die Betonschutzwände zu begeben, und werden sie deshalb tragisches Opfer eines weiteren Verkehrsunfalls, trifft sie eine Mitschuld. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat insoweit einen Mitverschuldensanteil der betroffenen Polizeibeamten an der Entstehung des Verkehrsunfalls im Umfang von 1/3 ausgesprochen.

Tödlicher Unfall: PKW überfuhr Polizeibeamte

Die klagende Bundesrepublik Deutschland nimmt die Beklagten (Fahrer, Versicherer und Halter) als Dienstherr zweier ihrer bei dem streitigen Verkehrsunfall im November 2015 verletzten Bundespolizeibeamter und eines dabei getöteten Bundespolizeibeamten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Auf der BAB A4 war es bei Kirchheim zu einem Verkehrsunfall gekommen. Ein involviertes Fahrzeug blieb dabei auf dem linken von drei Fahrstreifen liegen, Trümmerteile befanden sich auf den beiden anderen Spuren. Drei sich auf dem Heimweg befindliche Bundespolizisten passierten die Unfallstelle und entschlossen sich, anzuhalten, und die Unfallstelle abzusichern. Nachfolgend – ca. 30 Minuten später und nachdem die beiden rechten Fahrspuren vom Verkehr wieder befahren wurden – kollidierte der mit einem PKW die dritte Fahrspur der BAB A4 befahrende beklagte Fahrer frontal mit einem der drei sich auf dem Zwischenstreifen befindlichen Polizisten. Der Polizeibeamte wurde durch diesen Verkehrsunfall getötet. Nachfolgend kollidierte der beklagte Fahrer mit den beiden weiteren Beamten, die – teilweise – erheblich verletzt wurden. Der beklagte Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

So entschied das Landgericht

Die Klägerin begehrt nun Ersatz der von ihr an die Hinterbliebenen erbrachten Leistungen in Höhe von knapp 350.000 Euro. Ausgehend von der vollständigen Haftung des beklagten Fahrers hat das Landgericht (LG) der Klage in Höhe von rund 210.000 Euro stattgegeben. Die Klageabweisung bezog sich auf Leistungsteile, die das LG als nicht auf die klagende Bundesrepublik übergegangen angesehen hat.

So entschied das Oberlandesgericht

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Grundsätzlich hafteten die Beklagten für die unfallbedingten Schäden, bestätigte der Senat die Entscheidung des LG. Die Haftung beschränke sich allerdings im Umfang auf 2/3. „Die geschädigten Beamten haben sich als Fußgänger im Bereich der Fahrbahn der BAB A4 verkehrswidrig verhalten und dadurch eine nicht unerhebliche Schadensursache gesetzt,“ begründete das OLG die angenommene Mitschuld. Das nur in Ausnahmefällen zulässige Betreten einer Autobahn dürfe nur mit höchstmöglicher Sorgfalt und so kurz wie möglich erfolgen.

Beamte befanden sich nicht nur möglichst kurz auf der Autobahn

Hier hätten sich die Beamten fahrlässig selbst gefährdet, als sie sich noch knapp eine halbe Stunde nach dem Unfallereignis „auf dem linken Seitenstreifen befanden, ohne den herannahenden Verkehr zumindest sorgfältig zu beobachten und ohne angemessen auf diesen Verkehr zu reagieren“. Der zeitliche Abstand zwischen dem ersten und dem hier streitigen Unfall folge aus den überzeugenden Angaben der vernommenen Zeugen. Aus den Zeugenaussagen folge zudem, dass die linke Fahrspur unmittelbar vor dem hier streitgegenständlichen Unfall über mehrere 100 Meter komplett frei gewesen und vom Wetter her gut einsehbar gewesen sei.

Der Zeuge habe auch angegeben, dass zwei dunkle Fahrzeuge am Ende der Fahrspur zu erkennen gewesen seien, die ziemlich schnell und hintereinander an den anderen Fahrzeugen vorbeigefahren seien. Damit sei davon auszugehen, dass bei aufmerksamer Beobachtung des herannahenden Verkehrs eine rechtzeitige Reaktion aller drei Beamten – etwa durch das Überklettern der die beiden Fahrbahnen trennenden und ca. 92 cm hohen Betonschutzwände – möglich gewesen und der Unfall vermieden worden wäre.

Bewerte man die beiderseitigen Verursachungsbeiträge, sei von einer Haftung von 1/3 aufseiten der handelnden Beamten und zu 2/3 von den Beklagten auszugehen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Teil-Grundurteil und Teil-Endurteil vom 5.12.2024, 15 U 104/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Wer auf Betrüger hereinfällt und im Online-Verfahren eine Echtzeit-Überweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank ihm den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn er Minuten später den Schwindel bemerkt und über den Kundenservice sein Konto sperren lässt. Denn der einmal angestoßene Zahlungsvorgang kann nicht mehr gestoppt werden, auch wenn das Geld erst Tage später vom Konto abgebucht wird. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden. Das LG hat die Klage zweier Eheleute gegen ihre Hausbank abgewiesen. Diese waren einer bekannten Betrugsmasche („Hallo, ich habe eine neue Handynummer“) aufgesessen.

Ehepaar fiel auf bekannte Betrugsmasche herein

Das Ehepaar erhielt im Herbsturlaub letzten Jahres eine SMS von einer unbekannten Rufnummer. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über den Nachrichtendienst WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubten die beiden fest daran, mit ihrer Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Online-Banking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt ca. 6.000 Euro über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Bereits wenige Minuten später kamen ihnen doch Bedenken, sie erreichten ihre Tochter und die Täuschung flog auf. Weniger als 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierten sie telefonisch den Kundenservice ihrer Bank und ließen das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen, so die Bank. Eine Rückerstattung lehnte sie ab.

Landgericht: Zahlungsvorgang an sich völlig korrekt

Das LG gab der Bank Recht und lehnte die Rückzahlung ab. Die Eheleute hätten ihre Freigabe nicht mehr widerrufen können. Ein Widerruf sei nämlich bei Echtzeit-Überweisungen nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Über das Internet erfolgt der Zugang in Sekundenbruchteilen. Danach könnten sich Bankkunden nur von der Freigabe lösen, wenn die Bank die Täuschung hätte bemerken müssen. Dafür sei im konkreten Fall nichts ersichtlich, der Zahlungsvorgang sei vielmehr völlig korrekt abgelaufen und die Bank sei mittels der im Online-Banking vorgesehenen Login- und Freigabedaten korrekt autorisiert worden. Dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt sei, ändere am Ergebnis nichts. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Online-Freigabe erfolgt sei, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos. Im Übrigen habe sich das Paar durch die leichtfertige Weitergabe der Zugangsdaten grob fahrlässig verhalten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 24.10.2024, 7 O 154/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat entschieden: Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers bekommen. Das beinhaltet dessen aktive Nutzungsmöglichkeit.

Die Ehefrau und alleinige Erbin eines bekannten Sängers hatte geklagt. Hintergrund: Nachdem der Konzern Meta, zu dem die Social-Media-Plattform Instagram gehört, Kenntnis vom Tod des Sängers erlangte, versetzte das Unternehmen den Instagram-Account in den sog. Gedenkzustand. Bemühungen der Ehefrau, vollen Zugriff auf das Konto wiederzuerlangen, waren ergebnislos. Das OLG: Die Frau ist als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Das habe schon der Bundesgerichtshof (BGH) so entschieden. Danach ist der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar. Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten, was neben einem passiven Anspruch auf (nur) lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung umfasse.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, 13 U 116/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Leistungen eines Wohnungseigentümers in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft (z. B. im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen) sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Damit hat der Bundesfinanzhof (BFH) die bisherige Sichtweise bestätigt.

Das war geschehen

Ein Ehepaar vermietete mehrere Eigentumswohnungen. Das an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten an. Der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies die Klage ab – und auch die Revision beim BFH blieb erfolglos.

Hausgeld war zwar erbracht…

Der Werbungskostenabzug erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Eheleute hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgelds zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört.

… aber noch nicht verausgabt

Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken. Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen sie der Immobilie zugute.

Beachten Sie Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt. Der Hoffnung, dass die Zahlung in die Erhaltungsrücklage deshalb sofort im Zahlungsjahr abzugsfähig ist, hat der BFH ausdrücklich eine Absage erteilt.

Quelle: BFH, Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Zu den Dienstpflichten eines Beamten zählt, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Pflichtverletzungen sind jedoch nur bei Vorsatz disziplinarwürdig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Beamtin erhielt mehr Sold als ihr zustand

Die Klägerin ist verbeamtete Lehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. In der Zeit von Februar bis Juli 2016 erhöhte sich ihr wöchentlicher Beschäftigungsumfang um vier Unterrichtsstunden. Dementsprechend erhöhte sich ab Februar 2016 die Besoldung der Klägerin. Erst im Mai 2018 stellte das Dienstleistungszentrum Personal des Landes Schleswig-Holstein fest, dass die Klägerin aufgrund eines Buchungsfehlers zu Unrecht über Juli 2016 hinaus erhöhte Besoldungsleistungen erhalten hatte und es hierdurch zu einer Überzahlung in Höhe von ca. 16 000 Euro brutto gekommen war. Der Rückforderungsbetrag wird seitdem anteilig von den Dienstbezügen der Klägerin einbehalten.

Verweis, weil Beamtin Überzahlung nicht mitteilte

Mit Disziplinarverfügung vom August 2020 sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Verweis aus, weil diese die Überzahlung nicht angezeigt habe. Das Verwaltungsgericht (VG) hat die Disziplinarverfügung aufgehoben, wohingegen das Oberverwaltungsgericht (OVG) auf die Berufung des Beklagten das Urteil des VG geändert und die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat das OVG im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre Dienstpflichten grob fahrlässig und damit schuldhaft verletzt, weil sie ihre Dienstbezüge nach Reduzierung des Beschäftigungsumfangs nicht auf Überzahlungen überprüft habe. Blieben Besoldungsmitteilungen trotz besoldungsrelevanter Änderungen aus, träfen den Beamten Erkundigungspflichten.

Bundesverwaltungsgericht: Prüfungspflicht gegeben, aber nur in bestimmten Fällen

Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine disziplinare Ahndung von Verstößen gegen Dienstpflichten setzt nicht deren ausdrückliche gesetzliche Normierung voraus. Aufgrund des besonderen beamtenrechtlichen Treueverhältnisses zählt es zu den Dienstpflichten eines Beamten, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Weder Vorsatz noch besonders hohe Abweichung

Die Disziplinarwürdigkeit der Pflichtverletzung ist aber nur bei Vorsatz zu bejahen. Darüber hinaus besteht eine Erkundigungspflicht des Beamten nur, wenn die Besoldungshöhe offenkundig fehlerhaft ist. Dies ist bei einer Abweichung von 20 % regelmäßig der Fall. Eine solche Abweichung lag im Fall der Klägerin nicht vor.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 5.12.2024, 2 C 3.24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken.

Erblasserin verstarb ohne Testament

Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.

Nach dem Tod der Erblasserin hat u.a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe ausgeschlagen und dabei angegeben, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen haben das Erbe dagegen nicht ausgeschlagen. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses hat die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums angefochten. Danach hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der u.a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht hat entschieden, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin, wie von ihr beantragt, erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde.

Erbscheinsantrag war zurückzuweisen

Auf die Beschwerde hat das OLG entschieden: Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge falsch wiedergebe. Die Enkelin sei keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten könne. Soweit sie Ihren Irrtum damit begründet habe, ihr sei erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse K. mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor.

Irrtum nicht ursächlich für Ausschlagung

Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabenbetrags gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der falschen Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.8.2024, 8 W 102/23, PM vom 10.12.2024

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Teilt der Rundfunkkunde eine Änderung der Anschrift nicht mit und ergreift auch keine Maßnahmen, um den Zugang von Post unter einer veralteten Adresse zu verhindern, muss er offene Rundfunkbeiträge zahlen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz.

Das war geschehen

Die Klägerin wird durch den beklagten Südwestrundfunk für ihre Privatwohnung zu Rundfunkbeiträgen herangezogen. Sie bewohnt ein Haus, das ursprünglich über zwei getrennte Wohneinheiten mit Ausgängen zu verschiedenen Straßen (A.-Straße und C.-Weg) verfügte. Bis zum Jahr 2020 war die Klägerin unter der Anschrift A.-Straße gemeldet. Bereits einige Jahre zuvor verschloss sie jedoch den auf diese Straße führenden Hauseingang und entfernte den zugehörigen Briefkasten. Eine Ummeldung (zum C.-Weg) veranlasste sie zunächst nicht. Die Klägerin entrichtete keine Rundfunkbeiträge.

Schließlich setzte der Beklagte mit mehreren Festsetzungsbescheiden die offenen Rundfunkbeiträge gegen die Klägerin fest. Die Bescheide waren an die Anschrift der Klägerin in der A.-Straße adressiert. Erstmals ab Mitte des Jahres 2020 nahm die Klägerin die Zahlung von Rundfunkbeiträgen auf und zeigte dem Beklagten die Anschrift „C.-Weg“ an.

Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Bescheide seien ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Eine Mahnung habe sie nur durch Zufall erreicht. Seit Jahren empfange sie ihre Post nur noch im C.-Weg. Die geforderten Beiträge seien deshalb verjährt.

So sah es das Verwaltungsgericht

Hiermit hatte sie keinen Erfolg. Die Klägerin sei zur Zahlung der geforderten Rundfunkbeiträge verpflichtet, so das VG. Dabei könne offenbleiben, ob der Klägerin die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien. Denn sie habe dem Beklagten die Änderung der Anschrift nicht mitgeteilt und noch dazu aktive Maßnahmen ergriffen, um den Zugang von Post unter der A.-Straße zu verhindern. Sie könne sich daher jedenfalls nicht auf die Verjährung der Beiträge berufen. Außerdem seien die Zahlungen, die die Klägerin ab dem Jahr 2020 geleistet habe, nach der insoweit maßgeblichen Satzung des Beklagten jeweils mit der ältesten Rundfunkbeitragsschuld verrechnet worden.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 12.11.2024, 5 K 594/24.KO

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl