Schlagwortarchiv für: Schmerzensgeld

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main verurteilte ein Mietwagenunternehmen u.a. dazu, ein Schmerzensgeld von 90.000 Euro zu zahlen. Denn der Mietwagen war nicht verkehrssicher und die klagende Mieterin hatte schwerste Verletzungen bei einem Verkehrsunfall mit diesem Fahrzeug erlitten.

Die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel der Mietsache kann für die Verletzung von Kardinalspflichten nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden. Zu diesen Kardinalpflichten gehört beim Mietwagenvertrag, ein Fahrzeug zu überlassen, dessen technischer Zustand das sichere Fahren insbesondere durch funktionsfähige Lenkung und Bremsen gewährleistet.

Das war geschehen
Die Beklagte betrieb eine gewerbliche Autovermietung. Als gewerbliche Stammkundin mietete die Klägerin bei der Beklagten für eine Woche ein Fahrzeug. Nach den Mietvertragsbedingungen haftete die Beklagte für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

Auf dem Hinweg informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie Probleme habe, in den zweiten Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug – während die Klägerin versuchte, die geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hierzu ihre linke Hand vom Steuer nahm – plötzlich ins Schleudern. Gegenlenken war nicht möglich. Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch das Fenster und wurde abgetrennt. Die Klägerin erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen. Eine Replantation des Armes war nicht möglich.

Hohe Schmerzensgeldforderung
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls. Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte beim OLG überwiegend Erfolg. Die Klägerin könne Schadenersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen sei, so das OLG. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager bereits bei Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Das Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen. Für diesen von der Beklagten nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte sie dennoch. Der Unfall sei durch den Mangel verursacht worden.

Kardinalsplicht: Fahrzeug muss verkehrssicher sein!
Die Beklagte könne sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen. Kraft Gesetzes hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch AGB ausgeschlossen werden. Dies gelte aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sog. Kardinalspflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe. Zu diesen Kardinalspflichten gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien. Der Mieter würde unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten des Vermieters umfassen würde. Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht durch einen Haftungsausschluss ausgehöhlt werden. Das Fahren im Straßenverkehr mit hoher Geschwindigkeit begründe stets eine latente erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Insassen. Ein Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln ist, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) beantragen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2021, 2 U 28/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hat entschieden: Eine Dolmetscherin verstößt nicht gegen ihre Berufspflichten, wenn sie neben der reinen Übersetzung auch Einschätzungen und Angaben zum Aussageverhalten macht.

Dem zugrundeliegenden Rechtsstreit ging ein familienrechtliches Sorgerechtsverfahren voraus, im Rahmen dessen die Richterin das minderjährige Kind der späteren Klägerin anhörte. Da das Kind kein Deutsch sprach, wurde die jetzige Beklagte als Dolmetscherin für Polnisch hinzugezogen. Sie ist nach der Kindesanhörung richterlich dazu befragt worden, welchen Eindruck sie von dem Kind habe; ob es mit eigenen Worten oder fremdbestimmt gesprochen habe. Hierauf antwortete die jetzige Beklagte, dass sie den Eindruck habe, das Kind werde erpresst und wolle eigentlich etwas ganz anderes sagen. Daraufhin wurde der Kindesmutter das Sorgerecht einstweilen entzogen. Dies veranlasste sie wiederrum, die jetzige Klage vor dem AG auf Zahlung von Schmerzensgeld i. H. v. mindestens 5.000 Euro zu erheben. Sie war dabei der Auffassung, die beklagte Dolmetscherin habe sich durch ihre Einschätzungen parteiisch verhalten, habe ihre Grenzen überschritten und sei zumindest mitursächlich für den Sorgerechtsentzug gewesen.

Das AG hat die Schmerzensgeldklage voll abgewiesen. Ein Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aufgrund eines Verstoßes gegen Dolmetscherpflichten oder aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass das gerügte Verhalten weder durch das Hessischen Dolmetschergesetz untersagt sei, noch widerspreche es dessen Schutzzweck. Gerade, wenn eine Manipulation des Aussageverhaltens eines Kindes im Raume stehe, könne es durchaus notwendig sein, dass über die reine Übersetzung der Dolmetscherin hinaus Angaben zur Wortwahl und zur Sprachgeschwindigkeit erfolgen. Es sei korrektive Aufgabe des Gerichts, überschießende sowie nicht zum Aufgabenkreis der Dolmetscherin gehörende Äußerungen auszugrenzen.

Quelle: AG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.12.2019, 29 C 1828/19 (85)

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Kundin eines Baumarkts, die im Gartenbereich des Markts über einen am Boden liegenden Gartenschlauch stürzt, kann kein Schmerzensgeld vom Baumarktbetreiber verlangen.

So hat es jetzt das Amtsgericht (AG) München gesehen. Und so argumentiert das AG: Verfängt sich ein Kunde im Gartenschlauch, weil eine Angestellte daran zieht, während der Kunde diesen übersteigen will, fällt dies unter das allgemeine Lebensrisiko. Es kann vom Gartencenter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nicht erwartet werden, dass es den Schlauch während der Bewässerung von Blumen sichert. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: AG München, Urteil vom 9.10.2019, 122 C 9106/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kommt es zu einem Kampf zwischen zwei Hunden, bei dem ein Hundehalter durch einen Biss schwer verletzt wird, muss er die Hälfte seines Schadens selber tragen. Das gilt zumindest in den Fällen, in denen der konkrete Ablauf der Rangelei nicht mehr nachvollzogen werden kann.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall einer Frau, die ihren Retriever unangeleint ausgeführt hatte. Unterwegs begegnete sie einem Mann, der seinen – ebenfalls nicht angeleinten – Schäferhund ausführte. Obwohl beide Parteien versuchten, ihre Hunde festzuhalten, kam es zum Kampf zwischen den Hunden. Die Frau wurde in die Hand gebissen und zog sich eine offene Mittelhandfraktur zu. Nach der Operation dieser Verletzung erlitt sie am selben Tage eine Lungenembolie und einen Schlaganfall mit schweren Folgen.

Die Frau behauptet, sie habe ihren Hund am Halsband festgehalten. Der Hund des Mannes sei auf sie zugelaufen und habe sie in die Hand gebissen. Der Mann wiederum behauptet, die Frau habe versucht, die raufenden Hunde mit bloßen Händen zu trennen. Dadurch sei es zu der Verletzung gekommen.

Das Landgericht hatte den Mann verurteilt, ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR zu zahlen. Er hafte voll, da er seinen Hund nicht unter Kontrolle gehabt habe. Ihm sei die Aggressivität des Hundes bekannt gewesen sei. Eine Lungenembolie und ein Schlaganfall seien zwar keine typischen Folgen eines Hundebisses. Sie waren aber hier nach den Feststellungen eines Sachverständigen durch den Biss verursacht.

Auf die Berufung des Mannes hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass der beklagte Hundehalter nur zur Hälfte für die Folgen des Hundebisses haftet. Er muss daher nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR zahlen. Zwar hat sein Hund die Verletzung der Frau (mit-) verursacht. Dies hat zur Folge, dass der Mann als Tierhalter für den Schaden der Frau haftet. Dabei kommt es nicht darauf an, welcher der beiden Hunde die Frau gebissen hat.

Die Frau muss sich jedoch die Tiergefahr ihres eigenen Hundes anrechnen lassen. Beide Hunde haben die Rauferei verursacht, die letztlich zur Verletzung der Frau führte. Daher war sowohl die Tiergefahr des Hundes des Mannes als auch die Tiergefahr des Hundes der Frau zu berücksichtigen. Der konkrete Ablauf, wie es zu der Verletzung kam, war nicht mehr aufzuklären. Das OLG konnte weder ein Verschulden des Beklagten feststellen, etwa weil ihm bekannt war, dass der Hund aggressiv ist, noch ein Verschulden der Klägerin, etwa durch Eingreifen in die Hunderauferei.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.9.2019, 7 U 24/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wird eine Patientin einer geschlossenen psychiatrischen Klinik ohne richterliche Genehmigung fixiert, hat sie Anspruch auf Schadenersatz.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. im Fall einer Frau, die im Zusammenhang mit ihrer Einweisung und Behandlung in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses Schmerzensgeld verlangt. Nach einer Frühgeburt gestaltete sich ihre häusliche Situation schwierig. Ein Notruf ihres Ehemanns führte 2014 dazu, dass sie gegen ihren Willen in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingewiesen wurde. Dort befand sie sich gut zwei Wochen. Sie wurde dabei teilweise fixiert und mit Medikamenten therapiert. Das Amts- und das Landgericht hatten damals die vorläufige Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung für zulässig erklärt. Die Frau begehrt nunmehr ein angemessenes Schmerzensgeld. Sie behauptet eine Falschbehandlung in der Klinik. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung hin hat das OLG das Land Hessen verurteilt, ein Schmerzensgeld von 12.000 EUR zu zahlen. Zu Recht nehme die Frau das Land Hessen in Anspruch, da die Unterbringung von psychisch Kranken zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus „eine genuin staatliche Aufgabe“ sei, stellt das OLG zunächst klar. Die nachgewiesenen Fixierungen seien hier auch rechtswidrig gewesen. Werde eine Patientin fixiert, sei das ein Eingriff in ihr Grundrecht auf Freiheit der Person. Sowohl bei einer 5-Punkt- als auch bei einer 7-Punkt-Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handele es sich um eine Freiheitsentziehung. Dies gelte auch, wenn – wie hier – die Freiheit bereits durch die Einweisung entzogen wurde. Die Fixierung nehme der Betroffenen die noch verbliebene Freiheit, sich innerhalb der Station oder jedenfalls im Zimmer frei zu bewegen. Infolge der besonderen Eingriffsqualität sei eine solche Fixierung nicht von der richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt.

Für die Fixierungen wäre demnach eine richterliche Genehmigung erforderlich gewesen. Diese fehlte, sodass die Fixierungen bereits aus diesem Grund rechtswidrig gewesen seien. Gleiches gelte für die Zwangsbehandlung der Frau. „Die medizinische Behandlung einer Untergebrachten gegen ihren natürlichen Willen … greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein“, betont das OLG. Dem Eingriffscharakter stehe auch nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde. Auch die Zwangsbehandlung sei durch die Unterbringungsanordnung selbst deshalb nicht gedeckt und damit rechtswidrig.

Das Schmerzensgeld sei angesichts des Ausmaßes der konkreten Beeinträchtigungen und der Funktion eines Schmerzensgelds mit 12.000 EUR angemessen, aber auch ausreichend bemessen.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.7.2019, 8 U 59/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Erkennt ein Arzt eine Darmkrebserkrankung nicht, kann dies ein Schmerzensgeld von 70.000 EUR begründen.

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Arzthaftpflichtprozess. Der Arzt hatte bei der Patientin trotz ihrer zum Teil heftigen Blutungen aus dem Anus lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur diagnostiziert, ohne eine Darmspiegelung gemacht zu haben. Erst als sich die Patientin neun Monate später wegen eines anderen Leidens im Krankenhaus befand, wurde der Darmkrebs entdeckt. Er hatte jetzt bereits Metastasen in der Leber entwickelt.

Dem Arzt war nach den Ausführungen der Richter ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil er die erforderliche Darmspiegelung nicht durchgeführt hat. Weil dieser Fehler in gravierender Weise gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe, greife zugunsten der Patientin eine sogenannte Beweislastumkehr: Nicht die Patientin habe beweisen müssen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und ihren gesundheitlichen Folgen bestanden habe. Vielmehr habe der Arzt den Beweis führen müssen, dass die um neun Monate verspätete Diagnose nicht für den weiteren Krankheitsverlauf der Erblasserin ursächlich geworden sei. Dies, so die Richter, sei dem Arzt nicht gelungen.

Der Schmerzensgeldanspruch sei auch nicht durch ein Mitverschulden der Patientin gemindert. Auch wenn sie weiterhin aus dem Anus geblutet habe, habe sie deswegen nicht unbedingt nochmals zum Arzt gehen müssen. Zugunsten der Patientin sei zu berücksichtigen, dass sie zuvor bei dem Internisten wegen ihrer rektalen Blutungen abschließend behandelt worden sei. Sie habe hierfür auch eine Diagnose erhalten, die gerade nicht auf Krebs lautete. Hierauf habe die Patientin eine Zeit lang vertrauen dürfen.

Quelle: OLG Braunschweig, Urteil vom 28.2.2019, 9 U 129/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gerät ein Schiff während einer Pauschalreise in Seenot, haben die Reisenden Anspruch auf Schmerzensgeld und Reisepreisminderung. Voraussetzung ist, dass der Reiseveranstalter die Gefahrensituation zu vertreten hat.

Das folgt aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln im Fall eines Ehepaars, das bei dem beklagten Reiseveranstalter eine 12-tägige Pauschalreise auf die Malediven gebucht hatte. Rund 4.500 EUR gaben sie hierfür aus. Die Rückreise von der Ferieninsel zum Flughafen sollte mit einem Fährboot erfolgen. Dieses geriet in Seenot. Der Ehemann schilderte im Rahmen des Verfahrens eine äußerst dramatische Fährfahrt. Das bereits wegen schlechten Wetters verspätete Fährboot habe trotz einer Sturmwarnung und des Umstands, dass der Rückflug ohnehin nicht mehr habe erreicht werden können, abgelegt. Das Boot habe wegen des nach wenigen Minuten einsetzenden Unwetters Schlagseite erlitten. Große Wellen seien über das Boot gerauscht und das gesamte Gepäck sei durchnässt worden. Die Schiffsmotoren und das Navigationssystem seien ausgefallen. Das Schiff habe manövrierunfähig auf dem Meer getrieben und der Kapitän habe einen Notruf abgesetzt. Die Passagiere seien aufgefordert worden, Schwimmwesten anzulegen. Zahlreiche Mitreisende hätten sich übergeben müssen. Das reisende Ehepaar habe Todesängste ausgestanden, zumal ein sich näherndes Boot der Küstenwache gegen das Fährboot gekracht sei. Erst ein Schiff der Marine habe das Fährboot abschleppen und an Land verbringen können.

Neben dem Reisepreis verlangte der Ehemann für sich und seine Ehefrau, die seitdem wegen einer posttraumatischen Behandlungsstörung in stationärer und ambulanter psychiatrischer Behandlung sei, 2.000 bzw. 2.500 EUR Schmerzensgeld. Der beklagte Reiseveranstalter lehnte dies mit der Begründung ab, es handele sich um höhere Gewalt. Zum Zeitpunkt des Ablegens habe nur eine Wetterwarnung auf niedrigster Stufe vorgelegen. Zudem habe es sich bei dem eingesetzten Fährboot um ein hochmodernes Schiff mit einer erfahrenen Crew gehandelt. Todesgefahr habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Das LG sah indes die Reise als mangelhaft an. Die Eheleute seien auf der Rückreise in eine nicht beherrschbare Gefahrensituation gebracht worden, die der Reiseveranstalter auch zu vertreten habe. Die insoweit gegen ihn sprechende Verschuldensvermutung habe er nicht widerlegt. Insbesondere erschließe sich der Kammer nicht, aus welchem Grund die Reisenden in das Fährboot geschickt wurden und nicht etwa die Rückreise verschoben oder zumindest eine qualifizierte Wettervorhersage eingeholt wurde, bevor über den Transport per Boot entschieden wurde. Eine Erklärung darüber, welche Maßnahmen der beklagte Reiseveranstalter getroffen haben will, um die Reisenden auf dem Transport zum Flughafen keinen vermeidbaren Gesundheitsgefahren auszusetzen, sei dieser schuldig geblieben. Sein Verschulden liege dabei nicht in der Auswahl des Bootsunternehmens, sondern in dem Umstand, dass trotz schon im Zeitpunkt des Ablegens erkennbar widrigster Witterungsverhältnisse der Transport nicht abgebrochen wurde.

Die mangelbehaftete Rückreise wirke so erheblich, dass sie den Erholungswert des gesamten Urlaubs entfallen ließe. Daher sei der gesamte Reisepreis zu erstatten. Dem Kläger selbst billigte das LG ein Schmerzensgeld von 500 EUR zu, der Ehefrau wegen der aus dem traumatischen Erlebnis folgenden psychischen Schäden sogar 5.500 EUR.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 15.1.2019, 3 O 305/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Stürzt bei einer geführten Kamelwanderung eine Reiterin von dem ausbrechenden Tier zu Boden und verletzt sich dabei, haftet der Tierhalter für den Schaden. Er kann sich nicht auf die Haftungserleichterung für Haus- und Nutztiere berufen.

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. Geklagt hatte eine 27-jährige Frau, die mit ihrer Mutter bei der beklagten Kamelfarm einen einstündigen Kamelausritt unternahm. Dabei lief der Inhaber des Kamelhofs zwischen den beiden Kamelen und führte diese an einer Kette. Die Kamele wurden angehalten, als die Gruppe einige Hunde mit ihren Haltern passierte. Beim Weiterlaufen erschraken die Kamele aufgrund des einsetzenden Hundegebells. Sie liefen nach vorne und vollführten an der Führungsleine eine abrupte Linkswendung. Dadurch stürzte die Frau aus einer Sitzhöhe von 1,87 m kopfüber zu Boden. Sie erlitt u.a. schwere Kopfverletzungen sowie erhebliche Einschränkungen in ihrer Erwerbstätigkeit.

Das OLG stützt seine Entscheidung auf die sog. Tierhalterhaftung. Danach haftet der Tierhalter für Schäden, die durch das Tier entstehen. Die Haftung ist nur ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Auf diese Ausnahme könne sich der Inhaber des Kamelhofs jedoch nicht berufen. Die Haftungsbefreiung gelte hier nicht, da das Kamel – jedenfalls in Deutschland, wo die Kamelhaltung sehr selten ist – kein Haus- und Nutztier sei. Somit könne sich der Kamelführer nicht auf das Privileg des Haustierhalters berufen. Der kann sich von der Haftung befreien, indem er ein pflichtgemäßes Verhalten nachweist. Daneben könne er sich aber auch deshalb nicht entlasten, da er die bei der Beaufsichtigung der Kamele erforderliche Sorgfalt nicht beobachtet hatte. Vielmehr sei der Kamelführer gleich einem Fahrzeuglenker für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich. Er habe nicht allein beide Kamele mit Führkette am Strick führen dürfen. So habe er nicht so gut auf die beiden Tiere einwirken und die Reiterin nicht vor Gefahren durch die Schreckreaktionen der Kamele schützen können.

Ein Mitverschulden der Frau etwa wegen des Nichttragens eines Helmes schlossen die Richter aus. Davon hatte der Beklagte quasi abgeraten und sich dadurch insbesondere sorgfaltswidrig verhalten. Das OLG erhöhte daher das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von 50.000 EUR auf 70.000 EUR. Zudem bestätigte es im Wesentlichen den zugesprochenen Schadenersatz für den Verdienstausfall für die Monate nach dem Unfall in Höhe von rund 21.000 EUR.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 7.6.2018, 13 U 194/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Vermieter haftet nicht für eine Verletzung, die sich der Mieter zuzieht, wenn er zwar nicht unmittelbar durch das Herabstürzen eines defekten Außenrollos, sondern aufgrund des damit verbundenen Lärms erschrickt, das Gleichgewicht verliert, die Treppe hinunterstürzt und sich dabei erhebliche Verletzungen zuzieht.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth. Die Richter bestätigten, dass unter diesen Umständen ein adäquater Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung des Vermieters und der Verletzung des Mieters fehlt. In der Überreaktion des Mieters verwirkliche sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko. Das falle aber in den Risikobereich des Mieters.

Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18.7.2018, 7 S 5872/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Vor einer Versteifungsoperation des Sprunggelenks (Arthrodese) muss der Arzt den Patienten über das Risiko einer Pseudoarthrose aufklären. Versäumt er dies, kann das ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 EUR rechtfertigen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines 59-jährigen Patienten entschieden, der Beschwerden im rechten oberen Sprunggelenk hatte. Dieses war in den 1980er Jahren nach einem Bruch operiert worden. In der beklagten Arztpraxis diagnostizierte man eine Arthrose, die zunächst konservativ behandelt wurde. Nachdem die Behandlung erfolglos blieb, empfahl der behandelnde Arzt dem Patienten eine Versteifungsoperation. Diese Arthrodese ließ der Mann durch den Arzt durchführen. In der Folge verwirklichte sich eine Pseudoarthrose, weil die gewünschte knöcherne Konsolidierung ausblieb. Hierdurch entstand eine Spitzfußstellung, die der Patient operativ behandeln ließ. Mit der Begründung, die Versteifungsoperation sei behandlungsfehlerhaft ausgeführt und er sei zuvor nicht ausreichend über die Operationsrisiken aufgeklärt worden, hat der Patient von der Arztpraxis Schadenersatz verlangt. Dabei hat er u. a. ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 EUR gefordert.

Die Klage war vor dem OLG erfolgreich. Die Richter haben die Parteien angehört und ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Danach haben sie die beklagte Praxis aufgrund eines Aufklärungsfehlers zum Schadenersatz verurteilt. Der Patient sei fehlerhaft aufgeklärt worden, so der Senat. Es könne nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass er über das erhöhte Risiko einer Pseudoarthrose mit der Folge einer Schraubenlockerung informiert worden sei. Dieses Risiko habe nach den Angaben des medizinischen Sachverständigen in dem nicht unerheblichen Umfang von 14 Prozent bestanden. Es sei deswegen in jedem Fall aufklärungspflichtig gewesen. Die für die Aufklärung darlegungs- und beweispflichtige Arztpraxis habe die gebotene Aufklärung nicht nachweisen können.

Es sei auch nicht von einer hypothetischen Einwilligung des Patienten auszugehen. Er habe plausibel dargelegt, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. In diesem Fall hätte er sich zumindest nochmals ärztlichen Rat in einer anderen Klinik eingeholt, für die er auch bereits eine Überweisung gehabt habe. Da es sich nicht um eine Bagatelloperation gehandelt habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass ein Patient vor der Operation eine zweite Meinung einholen wolle.

Ausgehend von der Aufklärungspflichtverletzung sei die von der Arztpraxis zu verantwortende Operation des Patienten rechtswidrig. Für die mit der Operation verbundenen Schmerzen und das sich danach verwirklichte Risiko der Pseudoarthrose sei das verlangte Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 EUR angemessen.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 8.7.2016, 26 U 203/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl