Will eine Auftraggeberin nicht von einer weiblichen Mitarbeiterin, sondern von einem Mann betreut werden, können schnell Entschädigungsforderungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Raum stehen – so wie in einem Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg.

Inhaber des Architekturbüros blieb passiv

Im Fall des LAG hatte der Inhaber des Architekturbüros nicht einmal versucht, die Auftraggeberin umzustimmen. Er unternahm auch keinen Versuch, sie von der hohen Qualität seiner Mitarbeiterin zu überzeugen.

Unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nur wenn diese „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht gefruchtet hätten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Büros ausgeschlossen werden können.

Der Arbeitgeber musste der Mitarbeiterin schließlich 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, 10 Sa 13/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Zu den Dienstpflichten eines Beamten zählt, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Pflichtverletzungen sind jedoch nur bei Vorsatz disziplinarwürdig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Beamtin erhielt mehr Sold als ihr zustand

Die Klägerin ist verbeamtete Lehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. In der Zeit von Februar bis Juli 2016 erhöhte sich ihr wöchentlicher Beschäftigungsumfang um vier Unterrichtsstunden. Dementsprechend erhöhte sich ab Februar 2016 die Besoldung der Klägerin. Erst im Mai 2018 stellte das Dienstleistungszentrum Personal des Landes Schleswig-Holstein fest, dass die Klägerin aufgrund eines Buchungsfehlers zu Unrecht über Juli 2016 hinaus erhöhte Besoldungsleistungen erhalten hatte und es hierdurch zu einer Überzahlung in Höhe von ca. 16 000 Euro brutto gekommen war. Der Rückforderungsbetrag wird seitdem anteilig von den Dienstbezügen der Klägerin einbehalten.

Verweis, weil Beamtin Überzahlung nicht mitteilte

Mit Disziplinarverfügung vom August 2020 sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Verweis aus, weil diese die Überzahlung nicht angezeigt habe. Das Verwaltungsgericht (VG) hat die Disziplinarverfügung aufgehoben, wohingegen das Oberverwaltungsgericht (OVG) auf die Berufung des Beklagten das Urteil des VG geändert und die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat das OVG im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre Dienstpflichten grob fahrlässig und damit schuldhaft verletzt, weil sie ihre Dienstbezüge nach Reduzierung des Beschäftigungsumfangs nicht auf Überzahlungen überprüft habe. Blieben Besoldungsmitteilungen trotz besoldungsrelevanter Änderungen aus, träfen den Beamten Erkundigungspflichten.

Bundesverwaltungsgericht: Prüfungspflicht gegeben, aber nur in bestimmten Fällen

Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine disziplinare Ahndung von Verstößen gegen Dienstpflichten setzt nicht deren ausdrückliche gesetzliche Normierung voraus. Aufgrund des besonderen beamtenrechtlichen Treueverhältnisses zählt es zu den Dienstpflichten eines Beamten, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Weder Vorsatz noch besonders hohe Abweichung

Die Disziplinarwürdigkeit der Pflichtverletzung ist aber nur bei Vorsatz zu bejahen. Darüber hinaus besteht eine Erkundigungspflicht des Beamten nur, wenn die Besoldungshöhe offenkundig fehlerhaft ist. Dies ist bei einer Abweichung von 20 % regelmäßig der Fall. Eine solche Abweichung lag im Fall der Klägerin nicht vor.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 5.12.2024, 2 C 3.24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat die ordentliche Kündigung eines Straßenbahnfahrers, der in einer privaten Facebook-Gruppe einen von ihm verfassten Beitrag mit einer Fotomontage versehen hatte, für wirksam angesehen. Hierin liege eine Bedrohung von Kollegen, die sich bei der Gewerkschaft Verdi engagieren. Zugleich werde der Betriebsfrieden konkret und nachhaltig gestört. Bei der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin handelt es sich um den bundesweit größten Betreiber öffentlichen Personennahverkehrs.

Das war geschehen

Der Straßenbahnfahrer ist Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich nach ihrer Bezeichnung an Fahrpersonal der Arbeitgeberin richtet und rund 1.000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasste er dort einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar zum Ergebnis einer ver.di-Mitgliederbefragung und schloss diesen mit einer Fotomontage ab. Auf dieser ist ein auf dem Boden kniender Mann abgebildet, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist. Neben ihm befindet sich der Schriftzug von Verdi. Die Fotomontage trägt den Titel „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“ Sie weist auch das Logo der Arbeitgeberin aus. Über diesen Beitrag beschwerten sich sieben Beschäftigte der Arbeitgeberin, die zugleich Gewerkschaftsfunktionäre sind und sich durch den Beitrag bedroht fühlten.

Arbeitgeberin kündigte

Nach Anhörung des Fahrers und des Personalrats sprach die Arbeitgeberin eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Arbeitsgericht: Kündigung wirksam

Das Arbeitsgericht hat die hilfsweise fristgemäße Kündigung für wirksam erachtet. Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens.

Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Arbeitgeberin und verfüge mit rund 1.000 Mitgliedern nicht mehr über einen überschaubaren Adressatenkreis. Der Beitrag sei auch auf eine Außenwirkung angelegt gewesen. Die Fotomontage sei als Drohung an Beschäftigte, die sich für Verdi aktiv einsetzten, zu verstehen und, wie sich an den Beschwerden zeige, auch verstanden worden. Dies ergebe sich vor allem aus der Zielrichtung des Pistolenlaufs auf den Kopf des abgebildeten Mannes. Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Auch liege hierin eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, von der klar erkennbar sei, dass sie von der Arbeitgeberin nicht hingenommen werde. Daher sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.

Zu berücksichtigende Umstände des Einzelfalls

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das ArbG angenommen, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei der Arbeitgeberin noch zuzumuten. Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen benötige als alleinerziehender Vater dreier Kinder einen größeren zeitlichen Vorlauf, um eine neue hiermit vereinbare Stelle zu finden. Dieser Umstand wie auch die 15jährige Betriebszugehörigkeit überwögen bezogen auf die ordentliche Kündigung hingegen nicht die Interessen der Arbeitgeberin. Diese müsse für den Schutz ihrer Beschäftigten sowohl bei der Ausübung deren arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten wie auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte aus Artikel 9 Grundgesetz (GG) sorgen.

Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 7.10.2024, 59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Erhöhung des Arbeitsentgelts eines von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglieds unterliegt nicht der Mitbeurteilung des Betriebsrats. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt.

Betriebsrat wollte mitsprechen

Die Arbeitgeberin, die regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, unterhält in Leipzig zwei Autohäuser, für die der antragstellende Betriebsrat errichtet ist. Nachdem der freigestellte Vorsitzende des Betriebsrats im Jahr 2021 erfolgreich das Assessment Center „Führungskräftepotenzial“ durchlaufen hatte, vergütete ihn die Arbeitgeberin entsprechend einer höheren Entgeltgruppe des einschlägigen Tarifvertrags. Der Betriebsrat hat gemeint, ihm stehe hierbei ein Mitbeurteilungsrecht zu, und hat im Rahmen dieses Beschlussverfahrens entsprechend seine Beteiligung gerichtlich geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben der Arbeitgeberin aufgegeben, beim Betriebsrat ein Zustimmungsverfahren einzuleiten. Die gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem BAG Erfolg.

Beteiligung nur bei Ein- und Umgruppierungen

Dem Betriebsrat steht bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds kein Mitbeurteilungsrecht zu. Die Norm sieht eine Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen vor. Diese bestehen in der Zuordnung der zu verrichtenden Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der maßgeblichen Vergütungsordnung.

Bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds erfolgt demgegenüber keine solche Einordnung, sondern eine Anpassung der Vergütung des Betriebsratsmitglieds nach Maßgabe der in diesen Normen geregelten gesetzlichen Vorgaben. Danach ist die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds entweder entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer oder zur Vermeidung einer Benachteiligung anzupassen, weil das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte.

 

Quelle: BAG, Beschluss vom 26.11.2024, 1 ABR 12/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen.

Dachrinne durch Müll verstopft

Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.

Vermieter kündigte zweimal

Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.

Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.

Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt

Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.

Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.

Quelle: AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt.

Das war geschehen

Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.

Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.

Sachgrundbefristung gerechtfertigt

Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.

Formelle Mängel der Befristung…

Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.

… aber Kündigung wirksam

Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.

Quelle: ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u.a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg.

Komplexe Verletzung beim Ligaspiel

Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel der früheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.

Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.

Landessozialgericht gab Spieler Recht

Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.

Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben

Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.

Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein leitender Oberarzt, der seinen 16-jährigen Sohn Tätigkeiten während der OP durchführen lässt, kann dafür auch ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Paderborn.

Das war geschehen

Die Parteien streiten über eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer war seit 2011 als leitender Oberarzt in der Klinik für Orthopädie/Unfallchirurgie tätig. Er nahm bei einer von ihm durchgeführten Operation seinen 16-jährigen Sohn mit in den Operationssaal. Er ließ ihn während der OP „Haken-Halten“, während sich die 76-jährige Patientin in Vollnarkose befand. Hierbei handelt es sich um das Offenhalten des Operationsbereichs nach dem Schnitt, um sicherzustellen, dass der Operateur während der Operation Zugang zum Operationsgebiet hat. Bevor er den Operationssaal verließ, bot er seinem Sohn an, dass dieser das „Tackern“ durchführen könne. Der Sohn lehnt das Angebot ab. Nachdem der Arzt den Operationssaal verlassen hatte, nähte ein Facharzt zunächst subkutan. Er begann dann die Haut zu tackern. Die letzten zwei bis drei Tackervorgänge führte der Sohn des Arbeitnehmers aus.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellte den Arbeitnehmer frei. Dieser behauptet, den Chefarzt über die beabsichtigte Mitnahme seines Sohnes in den Operationssaal vorher informiert zu haben. Hiergegen habe es keine Einwände gegeben. Zudem seien in der Vergangenheit in der Klinik andere Personen während Operationen im OP anwesend gewesen und diese hätten auch teilweise Tätigkeiten übernommen. Dies entspräche der üblichen Praxis beim Arbeitgeber. Zudem wäre eine Abmahnung ausreichend. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass bereits die Mitnahme des Sohnes eine so schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.

Mehrere Pflichtverstöße des Arztes

Das ArbG kam zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorlag, die eine Abmahnung entbehrlich gemacht habe.

Der Arzt habe seine Aufklärungspflicht gegenüber der Patientin verletzt. Er habe diese nicht über die Anwesenheit seines Sohnes informiert und ihr Einverständnis hierzu nicht eingeholt. Die Würde der Patientin sei missachtet worden.

Es sei irrelevant, ob die Hygienevorgaben durch den Sohn eingehalten worden seien. Die Gegenwart jeder weiteren Person im Operationssaal erhöhe die Gefahr einer Übertragung von Krankheitserregern.

Sohn ohne medizinische Ausbildung und Vorerfahrung

Es beständen Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Anwesenheit des Sohnes die OP konkret hätte verzögern und es zu Ablaufstörungen hätte kommen können. Die Gefahr sei latent vorhanden gewesen. Der Sohn habe keine medizinische Ausbildung und ebenso wenig Vorerfahrung im medizinischen Bereich.

Es habe die Gefahr bestanden, dass der Sohn Schwierigkeiten bei der Ausführung der anspruchsvollen Tätigkeit habe, die üblicherweise von einem Assistenzarzt durchgeführt werde. Der Arzt habe damit rechnen müssen, dass dem Sohn Fehler unterlaufen und er einschreiten müsse. Das sei ihm bewusst gewesen. Selbst, wenn der Arbeitnehmer den Chefarzt über die Mitnahme seines Sohnes in den OP in Kenntnis gesetzt haben sollte und dieser keine Einwände erhoben habe, führe die Assistenz des Sohnes während der OP zu einem so schwerwiegenden Pflichtverstoß, dass dies die Kündigung – auch ohne Abmahnung – rechtfertige.

Ärztliche Schweigepflicht verletzt und fehlende Sensibilität

Das Verhalten führe auch zu einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Patientin. Es wurde eine narkotisierte und weibliche Patientin operiert. Hier zeigt sich fehlendes Verantwortungsbewusstsein und fehlende Sensibilität des Arztes in Bezug auf die Intimsphäre der Patientin.

Quelle: ArbG Paderborn, Urteil vom 20.8.2024, 3 Ca 339/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Verwaltungsgericht (VG) Münster hat die Klage einer Friseurin abgewiesen, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, ihr eine Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (sogenanntes Meister-BAföG) für einen Vorbereitungslehrgang für die Prüfung zur Friseurmeisterin zu gewähren.

Das war geschehen
Die ausgebildete Friseurin nahm im Jahr 2021 an dem Vorbereitungslehrgang eines privaten Anbieters teil, für den ihr Kosten von 12.949 Euro entstanden. Einen Antrag auf Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung in dieser Höhe lehnte der Beklagte 2022 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Maßnahme könne nicht gefördert werden, weil die hierfür erforderlichen 400 Unterrichtsstunden als physische und virtuelle Präsenzlehrveranstaltungen nicht vorgesehen gewesen seien. Hiergegen klagte die Friseurin und führte zur Begründung u. a. aus, Maßnahmen des Coronaschutzes hätten seinerzeit dazu geführt, dass die Fortbildungsstätte Lehrveranstaltungen gefilmt und den Teilnehmern anschließend als Video zur Verfügung gestellt habe.

Videos sind nicht Präsenz
Die Klage wies das VG ab. Denn die Maßnahme erfülle die gesetzlichen Vorgaben für eine Förderung nicht. Soweit Unterrichtsinhalte von der Fortbildungsstätte gefilmt und die Videos den Teilnehmern anschließend zum Anschauen zur Verfügung gestellt worden seien, stelle der Unterricht keine – auch keine virtuelle – Präsenzlehrveranstaltung im Sinne des Gesetzes dar, sodass die Mindestanzahl von 400 Stunden förderfähigen Unterrichts nicht erreicht werde. Lehrende und Lernende seien nicht gleichzeitig anwesend, es finde keine synchrone kommunikative Wissensvermittlung statt.

Daran ändere es auch nichts, dass die Fortbildungsstätte eine umfassende telefonische Erreichbarkeit der Dozierenden eingerichtet habe. Diese mache das Anschauen eines Lehrvideos nicht zu einer dem Präsenzunterricht gleichwertigen Lernerfahrung. Die von der Klägerin besuchte Weiterbildung sei auch nicht als „mediengestützter Lehrgang“ förderungsfähig. Für die erforderliche Mindeststundenzahl der Maßnahme zählten nur die Stunden für die Bearbeitung von Online-Lerninhalten, auf die die Lehrperson aktiv Einfluss habe und bei denen sie zugleich den Lernfortschritt überwachen könne.

Quelle: VG Münster, Urteil vom 29.10.2024, 6 K 2868/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Arbeitsunfall kann vorliegen, wenn eine Beschäftigte nach einem privaten Wochenendausflug auf dem Weg zu ihrer Wohnung verunglückt, weil sie dort Arbeitsschlüssel und -unterlagen vor Arbeitsantritt abholen wollte. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) heute entschieden.

Vom Wochenendausflug zur Wohnung gefahren und verunglückt
Die Klägerin fuhr am Unfalltag früh morgens nach einem privaten Wochenendausflug von dort zurück zu ihrer Wohnung, in der sich Schlüssel und Unterlagen für ihren anschließenden Arbeitseinsatz bei der Eröffnung eines Gemeindezentrums befanden. Wenige Kilometer vor ihrem Wohnort verunglückte die Klägerin mit ihrem Pkw und wurde schwer verletzt.

Arbeitsunfall oder nicht?
Die beklagte Berufsgenossenschaft und die Vorinstanzen lehnten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Die Klägerin kann sich auf einem versicherten Betriebsweg befunden haben, wenn sie den Weg zur Aufnahme von Arbeitsschlüsseln und -unterlagen in ihrer Wohnung in Umsetzung einer Weisung ihres Arbeitsgebers zurückgelegt hat. Falls keine solche Weisung feststellbar ist, kann die Klägerin auf einem versicherten Weg verunfallt sein, wenn sie mit den Arbeitsschlüsseln und -unterlagen in ihrer Wohnung verwahrtes Arbeitsgerät holen wollte, das für die Aufnahme oder Verrichtung ihrer Arbeit unentbehrlich war.

Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Landessozialgericht (LSG) jetzt noch nachholen müssen.

Quelle: BSG, Urteil vom 26.9.2024, B 2 U 15/22 R, PM 27/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl