Schlagwortarchiv für: Verdachtskündigung

Die Unterschlagung einer im Eigentum des Arbeitgebers oder seines Auftraggebers stehenden Sache (hier: Sauerstoffgerät im Wert von mindestens 1.500 EUR) stellt ebenso wie der dringende Verdacht einer solchen Tatbegehung an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen (Tat- bzw. Verdachts-)Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der kündigende Arbeitgeber muss allerdings die Tatbegehung bei der Tatkündigung bzw. die den dringenden Verdacht begründenden Tatsachen bei der Verdachtskündigung nachweisen.

Diese grundsätzliche Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. Zum Nachweis des Arbeitgebers wies das Gericht auf die prozessualen Regeln hin. Fehlen im erstinstanzlichen Urteil Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des maßgeblichen Belastungszeugen oder sind diese nicht schlüssig begründet worden, sondern wird begründungslos allein mit einem Wort pauschal die Glaubwürdigkeit attestiert, obwohl diese bereits erstinstanzlich ein Kernstreitpunkt der Parteien war und sich aufklärungsbedürftige Zweifel an der Glaubwürdigkeit durch ein naheliegendes Eigeninteresse des Zeugen und durch seine Bekundungen im Rahmen der erstinstanzlichen Vernehmung aufdrängen, entfalten die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen insoweit keine Bindungswirkung. Auf eine entsprechende Rüge im Berufungsverfahren muss das Berufungsgericht die Feststellungen selbst vornehmen, indem es den Zeugen erneut vernimmt.

Kann das Berufungsgericht jedoch keine erneute Feststellung mehr treffen, weil das angebotene Hauptbeweismittel – Vernehmung des Belastungszeugen – aufgrund dauerhafter Vernehmungsunfähigkeit des Zeugen unerreichbar ist, geht dies zulasten der beweispflichtigen Partei. Es kann dann nicht ersatzweise doch wieder auf die unvollständigen, weil die Frage der Glaubwürdigkeit offenlassenden Feststellungen des Arbeitsgerichts zurückgegriffen werden. Das entsprechende Beweismittel gilt bei über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus und auf absehbare Zeit fortdauernd attestierter Vernehmungsunfähigkeit als unerreichbar.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2019, 3 Sa 559/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Will der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen, muss er dem Arbeitnehmer eine angemessene Zeitspanne einräumen, innerhalb derer sich dieser zu den erhobenen Vorwürfen äußern kann.

Das musste sich ein Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein sagen lassen. Er hatte sich mit seinem als Entwicklungsingenieur beschäftigten Arbeitnehmer schon mehrfach bis vor das LAG über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestritten. Im aktuellen Fall ging es neben einer Versetzung und einer Änderungskündigung um eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 12.8.2016. Diese hatte der Arbeitgeber u. a. mit dem Verdacht von Straftaten begründet. Im Zuge der im Rechtsstreit ebenfalls streitigen Versetzung des Arbeitnehmers aus der Entwicklungsabteilung in den Außendienst erhielt dieser im Juni 2016 ein Laptop ausgehändigt. Er war seitdem durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Arbeitnehmer größere Datenmengen über das Laptop heruntergeladen hatte, verlangte der Arbeitgeber das Laptop heraus. Am 3.8.2016 übersandte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein anderes Laptop. Ob dies versehentlich erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls gab der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Schreiben vom 4.8.2016 (Donnerstag), in dessen Briefkasten frühestens am Abend eingegangen, Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum Montag, den 8.8.2016, 13:00 Uhr. Als die Frist verstrichen war, brachte der Arbeitgeber die außerordentliche Verdachtskündigung auf den Weg.

Das LAG hält die Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen bis Montagmittag für in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Das gilt insbesondere, weil sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden. Dort ließ sich der Arbeitnehmer stets anwaltlich vertreten. Der Arbeitgeber übersandte das Anhörungsschreiben aber nicht zugleich auch dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers. Außerdem wusste er, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank war. Er musste somit damit rechnen, dass sich dieser gerade nicht durchgängig zu Hause aufhält.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.3.2018, 3 Sa 398/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl