Schlagwortarchiv für: Unfall

Ein beim Bergen und Abschleppen des verunfallten Fahrzeugs entstehender weiterer Schaden am Fahrzeug ist dem Erstschädiger zuzurechnen.

So entschied es das Landgericht (LG) Stuttgart. Das Urteil stammt aus dem Fragenkreis der weiteren Schäden nach dem Unfallereignis. Noch unmittelbarer und zeitnäher als der Abschleppvorgang kann ein weiterer Vorgang bezogen auf das verunfallte Fahrzeug kaum sein. Der innere Zusammenhang zur Unfallverursachung durch den Schädiger ist offensichtlich. Ohne den Unfall wäre es nicht zum Bergeschaden gekommen. Deshalb ist der Zurechnungszusammenhang zum Erstschaden nicht unterbrochen.

Quelle: LG Stuttgart, Urteil vom 29.3.2018, 16 O 461/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer seinen Wagen im Halteverbot parkt, muss sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn es deshalb zu einem Verkehrsunfall kommt.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. im Fall eines Fahrzeugeigentümers, der sein Fahrzeug nachts unmittelbar hinter einer die Fahrbahn verengenden Verkehrsinsel im Halteverbot am rechten Straßenrand geparkt hatte. Ein anderer Autofahrer stieß bei Dunkelheit mit seinem Fahrzeug ungebremst gegen die hintere linke Ecke des geparkten Pkw. Das Fahrzeug wurde dadurch gegen ein weiteres – bereits zuvor im Parkverbot abgestelltes – Fahrzeug geschoben und dieses wiederum gegen ein Drittes. Der Fahrzeugeigentümer verlangte Schadenersatz.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Fahrzeugeigentümers hat das OLG den Unfallfahrer verurteilt, 75 Prozent des entstandenen Schadens zu zahlen. Er habe unstreitig das geparkte Fahrzeug beschädigt, stellt das OLG klar. Der Unfall sei für ihn auch nicht unvermeidbar gewesen. Sollte durch das verbotswidrige Abstellen kein ausreichender Platz mehr zur Durchfahrt gewesen sein, hätte ein Zusammenstoß durch Umfahren der Stelle vermieden werden können. Der Umfang des Schadenersatzanspruchs richte sich jedoch nach dem Maß der beiderseitigen Verursachung und des Verschuldens.

Regelmäßig überwiege zwar der Verursachungsanteil des aktiv fahrenden Verkehrsteilnehmers. Dieser könne bei Tageslicht ein verkehrswidrig parkendes Fahrzeug in der Regel wahrnehmen und bei entsprechender Aufmerksamkeit einen Zusammenstoß leicht verhindern. Der Halter des beschädigten, verbotswidrig haltenden PKWs erhalte in diesen Fällen grundsätzlich vollen Schadensersatz.

Hier stünde dem geschädigten Fahrzeugeigentümer jedoch aufgrund der besonderen Umstände nur ein anteiliger Schadensersatzanspruch zu. Der Zusammenstoß wäre mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vermieden worden, wenn das Fahrzeug nicht an dieser Stelle im Park- und Halteverbot geparkt hätte. Das Fahrzeug sei nicht nur wegen der Dunkelheit schlecht zu sehen gewesen. Es sei zudem in einer Weise geparkt worden, die eine nicht unerhebliche Erschwerung für den fließenden Verkehr darstellte. Der Fahrzeugeigentümer habe sein Fahrzeug unmittelbar nach der Verkehrsinsel und der dadurch bedingten Fahrbahnverengung in einem gefährdeten Bereich abgestellt. Zudem habe bereits vor ihm ein ebenfalls verbotswidrig parkendes Fahrzeug gestanden. Dies habe die Gefahr begründet, dass ein an der Verkehrsinsel Vorbeifahrender es zu spät (sehe) und dann nicht rechtzeitig nach links lenke. Als Fahrer trage der Unfallfahrer allerdings die größere Verantwortung für den Unfall, sodass der geschädigte Fahrzeugeigentümer den überwiegenden Teil, nämlich 75 Prozent seines Schadens erhalte.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.3.2018, 16 U 212/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Überwacht der bauaufsichtführende Architekt nicht ausreichend die Unfallverhütungsvorschriften, haftet er für einen hieraus entstehenden Schaden.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall des sogenannten Neckargemünder Schulhausbrands. Im Juni 2003 kam es während einer Sanierungsmaßnahme im Schulzentrum der Stadt Neckargemünd bei Schweißarbeiten zu einem Großbrand. Es entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Die Stadt Neckargemünd klagt in diesem Verfahren gegen den Architekten, der die Sanierungsmaßnahmen am Schulgebäude zu beaufsichtigen hatte.

Das OLG hat nun die Entscheidung des Landgerichts Heidelberg bestätigt, wonach der Architekt der Stadt für Schäden hafte. Der Schulhausbrand wurde durch Schweißarbeiten ausgelöst. Bei diesen Schweißarbeiten wurden Unfallverhütungsvorschriften nicht eingehalten. Die Richter am OLG entschieden, dass der Architekt verpflichtet gewesen wäre, die Einhaltung dieser Vorschriften zu überwachen. Dies habe er nicht hinreichend getan. Die Unfallverhütungsvorschriften sollen auch Brände verhindern. Darum hätte der Architekt beweisen müssen, dass der Brand wahrscheinlich auch nicht verhindert worden wäre, wenn der diese Vorschriften eingehalten hätte. Dies ist ihm nach Auffassung des Gerichts nicht gelungen.

Die Stadt Neckargemünd macht im laufenden Verfahren noch Schäden in Höhe von ca. 862.000 EUR geltend. Ob der Schadenersatzanspruch der Stadt tatsächlich so hoch ist, muss nun das Landgericht Heidelberg in einem weiteren Verfahrensschritt klären.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.4.2017, 19 U 17/15, Abruf-Nr. 193332 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Assistant stood with bossAnwaltliche Unterstützung bei der Schadenregulierung in Anspruch zu nehmen ist erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB. Denn auch wenn der Geschädigte geschäftlich gewandt ist und die Haftungslage keinen Zweifeln unterliegt, ist stets mit Einwendungen des Versicherers zu den Schadenpositionen zu rechnen.

Diese verbraucherfreundliche Entscheidung traf das Amtsgericht Köln. Sie ist auch richtig. Die Gerichte schauen sich ja Tag für Tag an, welche Einwände Versicherer vorbringen. Und sie sehen, dass täglich Klagen eingereicht werden, die kurze Zeit später zurückgenommen werden, weil der Versicherer bei klarer Rechtslage nur darauf gepokert hat, der Geschädigte werde sich schon nicht wehren. Wird die Klage dann zugestellt, zahlt der Versicherer sofort, um noch höhere Kosten zu vermeiden. Daraus schließt das Gericht: Ohne Anwalt wäre der Geschädigte nicht zu seinem Recht gekommen.

Für die Anwaltskostenerstattung kommt es auf die Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung an. Daher ist es nicht entscheidend, wie der Versicherer tatsächlich reguliert hat. Im vom Amtsgericht Köln entschiedenen Fall hatte der Versicherer noch im Rechtsstreit behauptet, die Mietwagenkosten seien zu hoch. Er wurde allerdings verurteilt, diese Mietwagenkosten zu erstatten. Und dennoch war er der Meinung, der Geschädigte hätte keinen anwaltlichen Beistand gebraucht. Das hat Originalitätswert. Richtig ist es also, in Verkehrsunfallsachen auf den Beistand eines Anwalts zu vertrauen.

Quelle: Amtsgericht Köln, Urteil vom 24.7.2015, 272 C 51/14.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Accident with two carsÖffnet der Beifahrer beim Aussteigen die Beifahrertür unvorsichtig und verursacht dadurch einen Unfall, muss der Kfz-Versicherer den Schaden ersetzen. Die Privathaftpflicht des Beifahrers tritt dagegen nicht für den Schaden ein.

So entschied es das Landgericht (LG) Saarbrücken. In solchen Fällen wird oft versucht, den Schaden rabattunschädlich über die Privathaftpflicht des Beifahrers abzuwickeln, zumal dem Beifahrer der Vorgang ja unangenehm ist. Da das Aussteigen, auch das Aussteigen der Mitfahrer, noch zum Betrieb des Kraftfahrzeugs gehört, ist der Privathaftpflichtversicherer aber nicht in der Pflicht. Solche Fälle sind im Vertrag ausgeschlossen. Nicht anders wäre es, wenn ein Mitfahrer eine der hinteren Türen öffnet.

Quelle: LG Saarbrücken, Urteil vom 20.11.2015, 13 S 117/15.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

motorbike accidentWird ein Motorradfahrer in einer Rechtskurve zu weit nach links getragen, vollzieht er dann jenseits seiner Fahrbahnmitte eine Vollbremsung und kollidiert letztendlich auf der Gegenfahrbahn mit einem entgegenkommenden Fahrzeug (Motorrad), lässt dies typischerweise auf einen Fahrfehler des seine Fahrspur verlassenden Motorradfahrers schließen. Daraus kann sich eine Haftung von 75 Prozent für das Unfallgeschehen rechtfertigen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Arnsberg bestätigt. Der heute 55 Jahre alte Kläger befuhr im Juli 2011 mit seinem Motorrad der Marke BMW die Mittelsorper Straße in Schmallenberg. Im Bereich einer – aus Sicht des Klägers – Rechtskurve kollidierte sein Motorrad mit dem vom heute 47 Jahre alten Beklagten gefahrenen Motorrad der Marke Honda auf der Gegenfahrbahn. Zum Unfallhergang hat der Kläger behauptet, dass ihm der Beklagte zunächst auf seiner, des Klägers, Fahrspur entgegengekommen sei. Daher habe er, der Kläger, eine Vollbremsung machen müssen. Dadurch sei er geradeaus in Richtung Fahrbahnmitte auf die Gegenfahrbahn gerutscht. Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, auf seiner rechten Fahrbahnseite gefahren zu sein, während der Kläger die Kontrolle über sein Motorrad verloren habe und deswegen in der Kurve auf die Fahrbahn des Beklagten gefahren sei.

Bei dem Zusammenstoß erlitt der Kläger Frakturen an beiden Händen, am rechten Arm und am linken Sprunggelenk sowie verschiedene Prellungen und ein Schädelhirntrauma. Vom Beklagten hat er 5.000 EUR Schmerzensgeld sowie ca. 21.000 EUR für materielle Schäden am Motorrad, an der Kleidung sowie für Verdienstausfall und versäumte Haushaltsführung verlangt. Er lässt sich dabei ein Mitverschulden von 50 Prozent anrechnen.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach mit einer 25-prozentigen Haftungsquote des Beklagten stattgegeben. Diese Entscheidung haben die Richter am OLG nun bestätigt.

Zwar sei der genaue Unfallhergang nach dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht mehr aufzuklären. Allerdings sei die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch ein unfallursächliches Verschulden des Klägers erhöht worden. Es müsse daher ein Eigenverschulden des Klägers von 75 Prozent an dem Unfall angenommen werden. Hierfür spreche ein Anscheinsbeweis, den der Kläger nicht erschüttert habe. Der Kläger sei in einer Rechtskurve mit seinem Motorrad zu weit nach links getragen worden, habe dann jenseits seiner Fahrbahnmitte eine Vollbremsung vollzogen und sei auf der Gegenfahrbahn mit einem im Bereich der Mitte seiner Fahrspur fahrenden, entgegenkommenden Motorrad kollidiert. Ein derartiges Geschehen lasse typischerweise auf einen Fahrfehler des Motorradfahrers schließen, der seine Fahrspur verlassen hat. Dies sei nämlich ein schuldhafter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot. Dass der Kläger dabei auf ein sich näherndes und seinerseits auf der Gegenfahrbahn fahrendes Fahrzeug reagiert habe, sei ein atypischer und im vorliegenden Fall nicht ansatzweise feststehender Verlauf. Es gebe keinen Grund dafür, warum der Beklagte vor der – aus seiner Sicht – Linkskurve auf seine Gegenfahrbahn gefahren sein sollte.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 8.9.2015, 9 U 131/14.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Accident with two carsNichtmitglieder, die bei Tätigkeiten für den Verein zu Schaden kommen, haben ohne Verschulden des Vereins keinen Schadenersatzanspruch. Aus dem Auftragsverhältnis kann sich aber ein Anspruch auf Aufwandsersatz ergeben.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall einer Frau. Diese war verunglückt, als sie ihre Enkelin mit dem Pkw zu einem Wettkampf bringen wollte. Sie machte Kostenersatz für eine erforderliche Zahnbehandlung sowie Schmerzensgeld geltend. Die Versicherung des Vereins lehnte die Erstattung ab. Ein Nichtmitglied genieße keinen Versicherungsschutz. Auch seien die Anforderungen an eine „offiziell eingesetzte“ Helferin nicht erfüllt.

Das OLG gab der Geschädigten teilweise recht. Ob die Frau vom Verein ausdrücklich beauftragt war, die Spielerin zum Wettkampf zu bringen, sei ohne Belang. Denn die Übernahme des Fahrdienstes entsprach dem Interesse des Vereins. Aus dem Gesetz ergebe sich ein Aufwandsersatzanspruch für Schäden, die bei Ausführung des Auftrags entstehen, wenn ein geschäftstypisches und nicht nur ein allgemeines Lebensrisiko bestand. Für das OLG war die Teilnahme am Straßenverkehr ein „auftragsspezifisches Risiko“ (OLG Celle, Urteil vom 16.10.2014, 5 U 16/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Accident with two carsWem ein Vorfahrtsverstoß zur Last fällt, trägt gegenüber demjenigen, dem ein miss­verständliches Verhalten vorzuwerfen ist, die Hauptverantwortung an einem Unfall.

 

Diesen Grundsatz stellte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden auf. Der Entscheidung lag eine häufig auftretende Straßenverkehrssituation zugrunde. Ein grundsätzlich wartepflichtiger
Verkehrsteilnehmer hatte auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten vertraut und war auf die Vorfahrtstraße eingebogen. Beim Einbiegen in die vorfahrtberechtigte Straße kam es zum
Zusammenstoß mit dem blinkenden Fahrzeug.

 

Die Richter machten deutlich, dass der Wartepflichtige nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen dürfe, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus eine zusätzliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden sei. Diese müsse im Einzelfall zu der Annnahme des Wartepflichtigen geführt haben, das Vorrecht werde nicht mehr ausgeübt. Eine solche
Vertrauensgrundlage könne z.B. in einer eindeutigen Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber in dem Beginn des Abbiegemanövers liegen. Nur dann könne darauf vertraut werden, dass der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt, mithin kein Vorfahrtrecht mehr zu beachten ist.

 

Im vorliegenden Fall ergab die Beweisaufnahme, dass der Vorfahrtberechtigte neben dem irreführenden Blinken seine Geschwindigkeit deutlich reduziert hatte. Das reichte den Richtern als besonderer zusätzlicher Umstand und führet im Ergebnis zu einer Haftungsquote von 70:30 (OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2014, 7 U 1876/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

In Sachverständigengutachten wird als Wiederbeschaffungszeitraum regelmäßig eine Frist von 10 bis 15 Tagen angegeben. Was aber und wie lange ist eigentlich der Wiederbeschaffungszeitraum?

Zunächst einmal: Nicht zum Wiederbeschaffungszeitraum gehört die Wartezeit bis zum Eingang des Schadengutachtens und die Zeit der Überlegung auf der Grundlage des Gutachtens, ob repariert oder Ersatz beschafft werden soll.

Mit dem Tag der Entscheidung, Ersatz zu beschaffen, fällt also der Startschuss für den Wiederbeschaffungszeitraum:

Der Geschädigte muss sich ein passendes Fahrzeug am Markt suchen. Tut er es via Internetbörsen, geht das zügig, geht er klassisch über die Zeitung, muss er in vielen Regionen den Mittwoch oder den Samstag abwarten, also die Tage, in denen die Zeitungen den Gebrauchtwagenteil hinzufügen. Wie der Geschädigte das macht, ist nicht mit mathematischer Genauigkeit vorherzusagen.

Hat er dann ein Auto gefunden oder mehrere in die Auswahl genommen, wird er es besichtigen wollen. Ist er Rentner und hat jeden Tag Zeit oder kann er sich als viel Beschäftigter erst am Wochenende kümmern? Auch das hängt vom Einzelfall ab.

Das Verkaufsgespräch und gegebenenfalls die Finanzierungsabfrage brauchen einen Tag, das Auto auslieferungsfertig zu machen und zuzulassen, geht auch selten über Nacht.

Weil das alles so unwägbar ist, behilft sich die Rechtsprechung mit einem Hilfsgriff und peilt den erforderlichen Zeitraum über den Daumen. Anders geht es nicht, und so machen es die Sachverständigen auch. Eine Versicherung, die daran krittelt, sucht nach den Krümeln. Vor Gericht wird sie sie nicht finden.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Es liegt kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor, wenn der Geschädigte eines Verkehrsunfalls zunächst einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt und sich dadurch die Einholung eines Schadengutachtens verzögert.

Diese für die Praxis sehr wichtige Entscheidung traf das Landgericht (LG) Saarbrücken in Fall eines Autofahrers, der unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurde. Er setzte sich noch am Unfalltag mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung. Vier Tage später fand ein Besprechungstermin statt. Auf Anraten des Anwalts wurde ein Schadengutachten in Auftrag gegeben. Nachdem dieses vorlag, wurde nach einer erneuten Rücksprache mit dem Rechtsanwalt der Reparaturauftrag erteilt. Die Versicherung weigerte sich, für die acht Tage bis zur Erteilung des Reparaturauftrags Nutzungsausfall zu zahlen. Sie berief sich darauf, dass der Auftrag verspätet erteilt worden sei.

Das sah das LG jedoch anders. Dem Autofahrer falle keine Verletzung der Schadenminderungspflicht zur Last. Grundsätzlich könne einem Geschädigten nicht vorgehalten werden, dass er zunächst einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftrage und/oder ein Schadengutachten einhole. Die damit verbundenen Verzögerungen seien vom Schädiger im üblichen zeitlichen Rahmen hinzunehmen. Es begründe kein Mitverschulden, dass der Autofahrer zunächst einen Anwalt hinzugezogen und erst danach ein Schadengutachten in Auftrag gegeben habe. Gerade bei Leasingfahrzeugen sei die Rechtslage für den Durchschnittsbürger sehr undurchsichtig, sodass eine rechtliche Beratung sinnvoll sei. Schließlich könne dem Autofahrer auch nicht entgegengehalten werden, dass er nicht sofort nach Erhalt des Gutachtens den Reparaturauftrag erteilt habe. Denn dem Geschädigten sei zuzugestehen, dass er das Ergebnis der Schadenermittlung zunächst mit seinem Anwalt bespreche und erst dann eine Entscheidung über den Weg der Schadenbeseitigung treffe. Im Ergebnis musste der Versicherer daher für die volle Zeit den Nutzungsausfall zahlen (LG Saarbrücken, 13 S 43/11).

Hinweis: Das LG unterstreicht in seiner Entscheidung den Willen des Gesetzgebers, dass dem Geschädigten kein Nachteil dadurch entstehen darf, dass er sich vor einer Entscheidung erst rechtlich beraten lässt. Daher: Erst zum Anwalt, dann zum Sachverständigen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl