Schlagwortarchiv für: Kündigung

Auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis (z.B. wegen Elternzeit) kann gekündigt werden.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Streit um eine entsprechende Kündigung hin. Voraussetzung ist nach der Entscheidung eine unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt und ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung bildet. Das sei z.B. der Fall, wenn bisher im Betrieb durchgeführte Arbeiten nunmehr an ein anderes Unternehmen vergeben würden. Bestehe ein solcher Kündigungsgrund, könne vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, seinen Kündigungsentschluss solange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht, der Kündigungsgrund aber möglicherweise wieder entfallen ist (BAG, 2 AZR 493/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verzehrt ein in einem Krankenhaus langjährig beschäftigter und bislang unbescholtener Arbeitnehmer ein Stück einer Patientenpizza sowie einen nicht verbrauchten Rest einer Patientenportion Gulasch, rechtfertigt dies in aller Regel nicht dessen fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden und deshalb nicht mehr aufgeklärt, ob die Vorwürfe zutreffen. Geklagt hatte ein seit 1991 beschäftigter Krankenpflegehelfer. Er war von seinem Arbeitgeber beschuldigt worden, eine Ecke Pizza abgerissen und gegessen sowie einen Rest Gulasch verzehrt zu haben, welches beides den Patienten zugestanden hätte. Er habe zulasten der Patienten Vermögensdelikte begangen und deren besondere Schutzbedürftigkeit ausgenutzt. Der Pfleger bestritt die Vorwürfe. Ohne vorherige Abmahnung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats fristlos. Der Pfleger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage.

Dieser Klage gab das LAG statt. Die Richter wiesen darauf hin, dass es für die Prüfung eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens ankomme. Zweck der fristlosen Kündigung dürfe nicht die Sanktion einer Vertragsverletzung sein. Vielmehr diene sie der Vermeidung des Risikos weiterer arbeitsvertraglicher Verstöße. Bei den Vorwürfen des unerlaubten Verzehrs von Essensresten handele es sich um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Bei einem steuerbaren Verhalten diene eine vorherige Abmahnung der Objektivierung einer negativen Zukunftsprognose. Sie sei nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handele, aufgrund derer die Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei. Vorliegend stelle jedoch die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine unverhältnismäßige Reaktion auf die behaupteten Pflichtverletzungen dar. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des langjährigen ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses und des äußerst geringen Werts der angeblich verzehrten Speisen, habe jedenfalls auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden können (LAG Schleswig-Holstein, 3 Sa 233/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Sagt ein Kraftfahrer zu einem Kundenvertreter mehrfach „Arschloch“, rechtfertigt das nicht in jedem Fall eine fristlose Kündigung. Die notwendige Einzelfallprüfung und Interessenabwägung kann zu dem Ergebnis führen, dass gleichwohl nur eine Abmahnung ausreicht.

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein im Fall eines Lkw-Fahrers entschieden. Dieser hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach einen bestimmten Kunden über eine sehr enge Einfahrt mit einer sehr knapp bemessenen Durchfahrtshöhe unfallfrei beliefert. Bei einer solchen Anlieferung wurde er eines Tages von einer ihm unbekannten Person, letztendlich dem Liegenschaftsverwalter, nach der Bemerkung „Wie oft wollt ihr jetzt da oben noch gegen fahren?“ in gereiztem Ton aufgefordert, nicht weiterzufahren. Nach seiner Antwort: „Ich liefere hier seit Jahren und jetzt aus dem Weg, du Arsch“ ergab sich ein Wortgefecht, in dem der Kraftfahrer sein Gegenüber noch mehrfach als „Arschloch“ bezeichnet hatte. Er hatte ihn für einen „Wichtigtuer“ gehalten. Der Arbeitgeber kündigte das bisher insoweit unbeanstandete Arbeitsverhältnis fristlos.

Die Kündigungsschutzklage des Kraftfahrers hatte Erfolg. Das LAG sah ebenso wie bereits das Arbeitsgericht keinen ausreichenden Kündigungsgrund. Zwar stelle das grob beleidigende Verhalten des Kraftfahrers grundsätzlich einen erheblichen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar. Auch wenn es die Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers gefährde, müsse hier zugunsten des Kraftfahrers jedoch berücksichtigt werden, dass er nicht gewusst habe, wer sein Gegenüber war und dass es sich um einen Repräsentanten des Kunden handelte. Auch habe er in der Vergangenheit die beengten Verhältnisse stets ohne Schäden gemeistert. Eine Abmahnung hätte hier ausgereicht, um eine Wiederholung des beanstandeten Arbeitnehmerverhaltens auszuschließen (LAG Schleswig-Holstein, 4 Sa 474/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nach dem Berufsbildungsgesetz kann das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein besonderer Kündigungsgrund ist nicht erforderlich.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg. Geklagt hatte eine Auszubildende, der innerhalb der Probezeit gekündigt worden war. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung mit der mangelnden Eignung der Auszubildenden. Diese sei ohne Absprache mit dem Arbeitgeber zur Beerdigung ihres plötzlich verstorbenen Vaters in die Türkei gereist und erst eine Woche später wieder zurückgekommen.

Das LAG wies die Kündigungsschutzklage der Auszubildenden ab. Die Richter verwiesen darauf, dass innerhalb der Probezeit kein besonderer Kündigungsgrund erforderlich sei. Zu berücksichtigen sei zwar, dass der Ausbilder nicht beliebig kündigen könne. Dort, wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht zur Anwendung kämen, würden die Grundsätze von Treu und Glauben greifen. Sie seien so anzuwenden, dass der nach dem Grundgesetz gebotene Mindestschutz gewahrt werde. Im vorliegenden Fall sei aber nicht erkennbar, dass der Arbeitgeber seiner Eignungsbeurteilung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt habe oder dass die Kündigung aus Gründen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes (z.B. Willkür, Maßregelungsverbot, Verstoß gegen die guten Sitten) unwirksam sein könnte (LAG Berlin-Brandenburg, 23 Sa 127/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein EDV-Administrator darf seine Zugangsrechte nur für seine Aufgaben nutzen, die der Funktion des Computersystems dienen. Er darf nicht außerhalb dieser Aufgaben Inhalte fremder Datenbestände einsehen. Missbraucht er seine Zugangsrechte, kann das eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Das musste sich ein EDV-Administrator vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln sagen lassen. Ihm war gekündigt worden, weil er E-Mails und Kalendereinträge des Vorstands seiner Arbeitgeberfirma eingesehen hatte. Hiergegen hatte er sich mit der Kündigungsschutzklage zur Wehr gesetzt.

Das LAG wies seine Klage jedoch zurück. Die Richter ließen auch seine Rechtfertigung nicht gelten, er sei zugleich Innenrevisor gewesen und habe deshalb auch den Vorstand kontrollieren müssen. Schon grundsätzlich – so das LAG – sei es nicht Aufgabe von angestellten Innenrevisoren, auch den Arbeitgeber oder seinen Vorstand zu kontrollieren. Auch die für die Innenrevision im konkreten Fall geltenden Richtlinien würden ein solches Kontrollrecht nicht ergeben (LAG Köln, 4 Sa 1257/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei einem Stromdiebstahl im Wert von 1,8 Cent ist eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers in der Regel unwirksam.

Das musste sich ein Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sagen lassen, nachdem er einen Arbeitnehmer fristlos gekündigt hatte. Anlass der Kündigung war ein Elektroroller, mit dem der Arbeitnehmer eines Tages zum Dienst erschienen war. Diesen schloss er in den Firmenräumen an eine Steckdose an, um den Akku aufzuladen. Nachdem der Roller ca. 1 ½ Std. aufgeladen worden war, nahm er den Akku vom Stromnetz, nachdem er von einem Vorgesetzten dazu aufgefordert worden war. Dabei entstanden Stromkosten im Umfang von etwa 1,8 Cent.

Das LAG hielt die fristlose Kündigung für unwirksam. Zwar habe der Arbeitnehmer ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen, weil er heimlich auf dessen Kosten seinen privaten Elektroroller am Stromnetz aufgeladen habe. Es müsse aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Diese gehe zulasten des Arbeitgebers aus. Zu berücksichtigen sei dabei der geringe Schaden von 1,8 Cent, die 19-jährige Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers und nicht zuletzt der Umstand, dass im Betrieb Handys aufgeladen und elektronische Bilderrahmen betrieben wurden, der Arbeitgeber aber bisher nicht eingegriffen hätte. Daher hätte das verloren gegangene Vertrauen durch eine Abmahnung wieder hergestelltwerden können (LAG Hamm, 16 Sa 260/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Finden sich bei einer Kassenprüfung erhebliche Mengen von Falschgeld, kann das den Arbeitgeber zu einer Verdachtskündigung berechtigen.

Das musste sich eine Angestellte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sagen lassen, die im Straßenverkehrsamt Führerscheinangelegenheiten bearbeitete und dabei Gebühren zu kassieren hatte. Bei einer Kassenprüfung wurde in der Kasse Falschgeld gefunden. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass die Angestellte Geld aus der Kasse gegen Falschgeld ausgetauscht hatte. Anders könne nicht erklärt werden, dass bei einem Bestand in Höhe von 828 EUR falsche Scheine im Nennwert von 650 EUR in der Kasse gewesen seien. Dieses Falschgeld sei auch sehr leicht als Fälschung zu erkennen gewesen. Die Angestellte hat sich damit verteidigt, dass sie die Fälschungen nicht erkannt habe. Innerhalb der letzten Wochen vor der Kassenprüfung habe der behördeneigene Kassenautomat häufiger Geldscheine nicht angenommen. Sie habe zwei bis dreimal versucht Geldscheine einzuzahlen, was nicht gelungen sei. Da dies ein altbekanntes Problem gewesen sei, habe sie die Scheine „aussortiert“ und durch eigene Scheine ersetzt. Die separat gesammelten Geldscheine in Höhe von 650 EUR habe sie dann in die Barkasse gelegt und sich 650 EUR aus der Kasse genommen, weil sie in dieser Höhe im Laufe der 6-7 Wochen am Kassenautomat Privatgeld eingesetzt habe. Sie sei nicht mehr dazu gekommen, dies ihrem Vorgesetzten mitzuteilen.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist. Die Kündigung stützte er auf den Verdacht, dass die Angestellte bewusst Falschgeld in die Kasse gelegt habe. Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das LAG hielten die Kündigung als Verdachtskündigung für wirksam. Die vom Arbeitgeber vorgetragenen Indizien würden die Angestellte dringend verdächtig machen, das Geld bewusst ausgetauscht zu haben. Bei Inaugenscheinnahme der Geldscheine durch das Gericht habe sich herausgestellt, dass die Fälschungen dilettantisch gemacht und sofort erkennbar gewesen seien. Vor- und Rückseite seien offenkundig zusammengeklebt worden, farblich hätten sie echten Geldscheinen nicht entsprochen. Zudem seien die Ränder ungleichmäßig und das Hologramm auffällig anders gewesen. Deswegen sei nicht nachvollziehbar, warum der Angestellten dies beim Empfang der Scheine nicht aufgefallen sei und sie angeblich nach erfolglosem Einzahlen in den Kassenautomaten noch aus eigenen Mitteln Einzahlungen gemacht habe (LAG Hamm, 17 Sa 537/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Allein der Verdacht der inkorrekten Spesenabrechnung berechtigt ohne vorherige Änderung einer (fehlerhaften) Abrechnungspraxis keine fristlose Kündigung.

Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Cottbus im Fall eines Arbeitnehmers entschieden. Dieser hatte über Jahre hinweg gleichartige Spesenabrechnungen eingereicht, in denen er die Abwesenheitszeiten jeweils auf halbe und volle Stunden gerundet hatte. Der Arbeitgeber hatte die Abrechnungen geprüft und unbeanstandet hingenommen. Später dann hat der Arbeitgeber den Mitarbeiter observiert und festgestellt, dass der Mitarbeiter bei minutengenauer Abrechnung den geltend gemachten Spesenbetrag nicht hätte beanspruchen können. Trotzdem – so die Cottbusser Richter – könne der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht außerordentlich fristlos bzw. hilfsweise ordentlich fristgerecht kündigen. Dazu hätte er erst die Abrechnungspraxis auf minutengenaue Abrechnung umstellen müssen (ArbG Cottbus, 7 Ca 868/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nimmt ein Systemadministrator unerlaubt Einsicht in fremde E-Mails, stellt dies einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß dar, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) München im Fall eines Systemadministrators. In dieser Eigenschaft hatte er auf die E-Mails eines Geschäftsführers zugegriffen. Die Richter sahen darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten, da er unter Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse und technischen Möglichkeiten auf interne Korrespondenz zugegriffen habe. Seine fristlose Kündigung sei daher gerechtfertigt (LAG München, 11 Sa 54/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl