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Verursachen Kinder in einer Reithalle Geräusche, durch die ein Pferd erschreckt wird, haften sie (bzw. die Aufsichtspersonen) nicht in jedem Fall für einen entstandenen Schaden.

So entschied es das Amtsgericht Nürnberg im Fall einer Frau, die zusammen mit ihren damals drei und fünf Jahre alten Enkelkindern eine Reithalle besuchte. Sie hielt sich dort im Zuschauerbereich auf. Damit der dreijährige Enkel besser sehen konnte, setzte die Frau diesen auf die Holzbande. Der Enkel schlug mit seinen Füßen gegen die Bande. Dadurch entstand ein Poltergeräusch. Die Klägerin führte ihr Pferd am Zügel durch die Halle. Dieses soll durch das Geräusch erschrocken und nach hinten gegangen sein. Durch die plötzliche Rückwärtsbewegung des Pferdes rutschte die Hand der Klägerin in den Zügel und wurde nach hinten gerissen. Die Klägerin erlitt eine Verletzung an der Schulter. Sie erhob Klage und verlangte von der Frau ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR sowie Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 1.879,22 EUR.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dabei geht das Gericht grundsätzlich davon aus, dass sich der Vorfall so zugetragen hat, wie ihn die Klägerin schildert. Es verneint aber aus rechtlichen Gründen eine Haftung der beklagten Frau. Zwar sei ihr Verhalten ursächlich für die Verletzungen der Klägerin. Dies genüge aber nicht für eine Haftung. Es sei zusätzlich erforderlich, dass der Schaden der Frau auch adäquat zurechenbar sei. Nach Auffassung des Amtsgerichts fehlt es an dieser Voraussetzung. Die Frau habe sich überwiegend sozialadäquat verhalten, da der Besuch der Reithalle grundsätzlich erlaubt sei. Es sei auch nachvollziehbar, dass sie ihrem Enkel ermöglichen wollte, den Reitern zuzusehen. Sie habe dann allerdings geringfügig eine Grenze überschritten, weil die Füße des Kindes in das „Reitfeld“ hineinragten. Maßgeblich für die Verletzungen der Klägerin ist nach Ansicht des Amtsgerichts Nürnberg aber das Verhalten des Pferdes, welches grundsätzlich in der Sphäre der Klägerin liegt. Für die Frau sei es nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf das Poltergeräusch so schreckhaft reagieren werde.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung beim Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth eingelegt, diese aber nach einem Hinweis des Gerichts zurückgenommen. Das LG hatte ausgeführt, dass die rechtliche Würdigung des Amtsgerichts zutreffend sei. Die Frau sei auch vor Betreten der Reithalle nicht darauf hingewiesen worden, dass man sich dort geräuscharm verhalten müsse. Ein solcher Hinweis hätte u. a. beinhalten müssen, dass Pferde auch durch alltägliche Geräusche, wie z. B. das Treten eines Kleinkindes gegen die Innenseite der Absperrung, erschreckt werden könnten.

Quelle: Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 18.7.2017, 239 C 1390-17; LG Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 16.10.2017, 16 S 5049/17.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine während der Geschäftszeiten im Kundenbereich eines Bekleidungsgeschäfts geöffnete Fußbodenluke mit den Maßen 2,11 m x 0,8 m ist eine überraschende Gefahrenquelle. Ein Kunde muss damit nicht rechnen. Daher kann ihm beim Sturz in den Schacht unter der Luke 100 Prozent Schadenersatz zustehen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Dort wurde ein Modehaus von einer Krankenkasse in Anspruch genommen. Die Krankenkasse verlangt aus übergegangenem Recht Ersatz aufgewandter Behandlungskosten für ein Kassenmitglied. Die 66-jährige Frau war als Kundin in das Modehaus gekommen. Sie wollte einen Pullover für ihre Tochter kaufen. Im Gang zur Kasse befand sich ein Schacht im Boden mit den Maßen 2,11 m x 0,8 m, der in den daruntergelegenen Bügelkeller führte. Dessen Abdeckung stand offen. Weil die Kundin zur Seite sah, wo sich eine Verkäuferin mit dem Geschäftsinhaber unterhielt, übersah sie die offene Luke und stürzte in den Schacht. Sie erlitt diverse Verletzungen an Schulter, Oberarm, Sprunggelenk und Fuß, unter anderem eine Oberarmfraktur und eine Fraktur des Innenknöchels.

Der Haftpflichtversicherer des Modehauses hat die Hälfte der Behandlungskosten von ca. 21.000 EUR übernommen. Im vorliegenden Rechtsstreit wird darum gestritten, ob das Modehaus auch die andere Hälfte der Behandlungskosten zahlen muss, oder ob es wegen eines Mitverschuldens der Kundin keine weitergehende Kostenerstattung schuldet.

Das Landgericht hat im erstinstanzlichen Urteil ein Mitverschulden der Kundin in Höhe von 30 Prozent angenommen. Demgegenüber hat das OLG das Modehaus dazu verurteilt, den Schaden vollständig zu erstatten.

Die Richter konnten kein Mitverschulden der Kundin feststellen. Der Unfall habe sich in einem Ladenlokal ereignet. Dort sei die Aufmerksamkeit der Kunden zielgerichtet durch die auf den Kleiderständern angebotenen Waren, Preisschilder und sonstigen Hinweisschilder in Anspruch genommen. Die Kunden würden so beabsichtigt auch von anderen Dingen abgelenkt. In einem solchen Bekleidungsgeschäft müsse ein Kunde allenfalls mit herabgefallenen Kleidungsstücken rechnen, nicht jedoch mit einer während des Publikumsverkehrs geöffneten Bodenluke. Eine solche Luke sei eine so überraschende Gefahrenquelle, dass sie nur außerhalb der Geschäftszeiten geöffnet werden dürfe. So werde im Geschäftslokal des Modehauses nach den Angaben des Geschäftsführers auch üblicherweise verfahren.

Ließen sich, wie im vorliegenden Fall, die Sichtverhältnisse der Kundin beim Annähern an den Schacht nicht mehr exakt rekonstruieren, sei die kurze Ablenkung der Kundin durch das rechts von ihr stattfindende Gespräch nicht als Mitverschulden zu bewerten. Jedenfalls trete ein etwaiges – geringes – Mitverschulden der Kundin hinter die gravierende Verkehrssicherungspflichtverletzung, die das Modehaus zu vertreten habe, zurück. Deswegen schulde das Modehaus 100 Prozent Schadenersatz.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 19.1.2018, 9 U 86/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die das Überqueren einer Straße regelnde Fußgängerampel gilt nicht für einen Radweg, der durch einen Gehweg von der Fußgängerfurt der Straße getrennt ist. Kollidiert ein unaufmerksam auf einen solchen Radweg tretender Fußgänger mit einem in der Verkehrssituation zu schnell fahrenden Radfahrer, können beide gleichermaßen für das Unfallgeschehen verantwortlich sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 68-jährigen Fußgängerin entschieden. Die Frau war in einem Kreuzungsbereich unterwegs und hatte die Straße bei Grünlicht der Fußgängerampel überquert. Den hinter der Straßenfurt gelegenen Gehweg quert ein Radweg. Er ist durch eine farblich abgehobene Pflasterung als solcher erkennbar. Beim Überqueren dieses Radwegs stieß die Frau mit einem Radfahrer zusammen. Sie stürzte und zog sich – so ihre Darstellung – mehrere Knochenbrüche und einen Bänderriss zu. Hierfür verlangt sie Schadenersatz.

Das Landgericht hat den Radfahrer verurteilt, Schadenersatz und Schmerzensgeld in einer noch festzulegenden Höhe zu zahlen. Dabei hat es gemeint, dass der Radfahrer als Rechtsabbieger zu behandeln sei. Er war dem an dieser Stelle nach rechts abbiegenden Radweg gefolgt. Daher hätte er den Vorrang der die Kreuzung bei Grünlicht überquerenden Fußgängerin beachten müssen. Zudem sei der Radfahrer zu schnell gewesen. Daher müsse er für den Schaden allein aufkommen.

Auf die Berufung des Radfahrers hat das OLG das erstinstanzliche Urteil abgeändert. Danach hafte der Radfahrer nur zu 50 Prozent. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätte er Vorfahrt gegenüber der Fußgängerin gehabt. Er habe den an dem Kreuzungsbereich vorbeigeführten Radweg genutzt, für den die Lichtzeichenanlage nicht gelte. Diese solle den Fußgängern eine sichere Überquerung der Straße ermöglichen. Beabsichtige ein Fußgänger – im Anschluss an das Überqueren der Fahrbahn und nach dem Erreichen des Gehwegs – auch den dort verlaufenden Radweg zu überqueren, sei dies eine neue, durch die Lichtzeichenanlage nicht geregelte Verkehrssituation. Zudem verlaufe der Radweg in einer Rechtskurve. Folge ihm der Radfahrer, biege er – im Rechtssinne– nicht nach rechts an der Kreuzung ab. Vielmehr folge er einem Verlauf des Radwegs, der mit dem Straßenverlauf bei einer abknickenden Vorfahrt vergleichbar sei. Auch bei dieser liege kein Abbiegen im Sinne der Straßenverkehrsordnung vor, weil die bevorrechtigte Fahrbahn nicht seitlich verlassen werde.

Der Radfahrer habe den Unfall allerdings mitverschuldet. Er habe den Radweg mit nicht angepasster, überhöhter Geschwindigkeit befahren. Das ergebe sich bereits aus seiner eigenen Unfallschilderung. Danach habe ihm die Kurve eine freie Sicht auf den dahinterliegenden Bereich mit der Lichtzeichenanlage und dem Fußgängerüberweg versperrt. Als er die Fußgängerin wahrgenommen habe, habe er den Unfall trotz seiner sofortigen Bremsung nicht mehr verhindern können.

Die Fußgängerin trage ebenfalls ein Mitverschulden. Beim Überqueren des Radwegs habe sie den Vorrang des Radverkehrs nicht ausreichend beachtet. Das ergebe sich bereits aus dem Unfallort auf dem Radweg. Die Frau müsse sich zudem vorhalten lassen, nicht ausreichend auf Radfahrer geachtet zu haben. Den Verschuldensbeitrag beider Parteien bemisst das OLG mit jeweils 50 Prozent. Auf der Grundlage dieser Haftungsquote muss das Landgericht die Schadenshöhe nun weiter aufklären.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 19.1.2018, 26 U 53/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer in einem Wirtshaus mit seinem Stuhl zusammenbricht, kann nur im Ausnahmefall Schadenersatz vom Wirt bekommen.

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München. Der Kläger hatte am 11.11.2015 in einer Wolnzacher Wirtschaft an der jährlichen Zusammenkunft der Wolnzacher Faschingsgesellschaft „Zirkus Tonelli“ teilgenommen. Beim ersten Biss in das bestellte Schnitzel war sein Stuhl zusammengebrochen. Durch den Sturz hatte er eine Fraktur des linken Sprunggelenks erlitten. Er hatte daraufhin den Wirt u.a. auf Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR verklagt.

Das OLG hat seine Klage jedoch abgewiesen. Ausdrücklich haben die Richter festgestellt, dass ein Wirt seinen normalen Sorgfaltsanforderungen genügt, wenn er seine Stühle einer regelmäßigen Sichtkontrolle unterzieht. Weitergehende Maßnahmen, etwa eine Belastungsprobe jeden einzelnen Stuhls, würde die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Gaststätteninhabers überspannen. Dies gelte auch für ältere Stühle, „da sich der Umfang der Kontrollpflichten nicht nach dem abstrakten Alter bemesse. Etwas anderes gelte nur, wenn der Stuhl für den Wirt erkennbar beschädigt oder wacklig gewesen sei. Dafür habe es hier aber keine Anhaltspunkte gegeben. Fazit des Gerichts: Nicht jedes erlittene Unglück ist auch ein Unrecht, für das ein anderer haftbar gemacht werden kann.

Quelle: OLG München, Beschluss vom 11.12.2017, 21 U 2723/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Stoßen zwei Radfahrer zusammen, sind gegenseitige Schadenersatzansprüche unbegründet, wenn sich nicht aufklären lässt, wer von beiden den Unfall verursacht hat.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. in einem entsprechenden Fall. Zwar habe der eine Radfahrer im Bußgeldverfahren angegeben, er sei wohl „sehr weit links gefahren“. Das reichte den Richtern jedoch nicht aus, um die Schuldfrage zutreffend beantworten zu können. Die Angabe sei viel zu unspezifiziert. Selbst wenn der Radfahrer „sehr weit links gefahren“ wäre, müsse er nicht unbedingt in die Gegenfahrspur geraten sein. Sie wiesen daher die Schadenersatzklage des anderen Radfahrers ab.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 6.12.2017, 13 U 230/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer trotz Signalton und blinkender roter Warnlampe noch in eine U-Bahn einsteigen will und dabei in der Tür eingeklemmt wird, hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld.

Das musste sich ein Mann vor dem Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth sagen lassen. Er hatte den U-Bahn-Betreiber auf Schmerzensgeld verklagt. Nach seinen Angaben war er beim Einsteigen von der Tür eingeklemmt worden und hatte dabei einen Rippenbruch erlitten. Das Amtsgericht Nürnberg hat die Klage abgewiesen. Aus der Videoaufzeichnung ergebe sich, dass der Mann den U-Bahn-Wagen betreten wollte, als bereits die Warnlichter blinkten. Er sei dann kurzfristig in der Tür eingeklemmt worden. Hierfür hafte der U-Bahn-Betreiber jedoch nicht. Er habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die optischen und akustischen Warnhinweise kurz vor dem Schließen der Wagentüren seien eine hinreichende Sicherheitsvorkehrung. Zudem habe der Einklemmschutz funktioniert. Aus dem Video sei ersichtlich, dass der Mann nur ganz kurz eingeklemmt worden sei. Die Türen hätten sich sofort wieder geöffnet. Der Mann habe den Unfall allein verursacht, da er auf Biegen und Brechen die U-Bahn noch habe erreichen wollen.

Gegen dieses Urteil hat der Mann Berufung beim LG eingelegt. Diese hat er aber nach einem Hinweis des Gerichts zurückgenommen. Das LG teilte die rechtliche Würdigung des Amtsgerichts. Es seien nach Ansicht des Gerichts nur solche Sicherungsmaßnahmen erforderlich, die bei umsichtiger, gewissenhafter und verständiger Betrachtung ein in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des jeweiligen Verkehrskreises für erforderlich halte. Es sei nicht erforderlich, Dritte vor solchen Gefahren zu schützen, welche diese ohne Weiteres selbst erkennen und vermeiden können. Wer sich durch eine für alle erkennbar schließende Tür dränge, müsse damit rechnen, eingeklemmt zu werden.

Quelle: Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 22.8.2017, 239 C 7131/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei einem Zusammenstoß zweier Skifahrer gelten ähnliche Anscheinsbeweise wie bei einem Verkehrsunfall. Zu berücksichtigen sind zudem die FIS-Regeln.

Das folgt aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln. Das Gericht hatte über den Zusammenstoß zweier Skifahrer in einem Tiroler Skigebiet zu entscheiden. Der Kläger zog sich dabei eine Unterschenkelfraktur und der Beklagte drei Rippenfrakturen zu. Der Kläger musste von der Bergwacht mit dem Helikopter ins Krankenhaus verbracht werden. Bei beiden Beteiligten wurde zudem die Skiausrüstung beschädigt.

Vor dem LG Köln beanspruchten sie nun Schadenersatz und Schmerzensgeld von dem jeweils anderen. Der Kläger verlangte ein Schmerzensgeld von weiteren 9.000 EUR sowie Schadenersatz für entstandene Kosten und Schäden in Höhe von rund 2.100 EUR. Im Vorfeld hatte die Haftpflichtversicherung des Beklagten bereits 6.000 EUR Schmerzensgeld und einen Teil der Schäden gezahlt. Dabei war sie von einer Haftungsquote von 50 Prozent ausgegangen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hafte zu 100 Prozent. Dieser habe den Zusammenstoß verursacht, indem er von hinten auf ihn aufgefahren sei. Der Beklagte wiederum bestand auf einem hälftigen Verschulden beider Beteiligten. Er verlangte im Wege der Widerklage selbst ein Schmerzensgeld von 2.500 EUR sowie Ersatz für weitere Schäden im Umfang von rund 500 EUR. Der Unfall sei nämlich durch einen Frontalzusammenstoß zustande gekommen, während beide gleichzeitig – sozusagen nebeneinander – den Pistenabschnitt befahren hätten.

Das LG gab dem Kläger recht und verurteilte den Beklagten zu weiteren 6.000 EUR Schmerzensgeld und rund 2.000 EUR Schadenersatz. Denn gegen den Beklagten sprach ein Anscheinsbeweis, ähnlich wie im Straßenverkehr. Er war „von hinten“ auf den Kläger aufgefahren. Nach der Beweisaufnahme war die Richterin davon überzeugt, dass der Beklagte hinter dem Kläger die Piste befuhr. Nach der für das Skigebiet geltenden FIS-Regel Nr. 3 muss der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet. Kommt es also zum Zusammenstoß, während der Beklagte hinter dem Kläger fährt, spricht dies zunächst dafür, dass der Beklagte gegen die FIS-Regel Nr. 3 verstoßen hat. Er kann zwar diese Vermutungsregel erschüttern, indem er einen abweichenden Geschehensablauf nachweist. Das ist dem Beklagten in diesem Prozess aber nicht gelungen.

Da auch kein sonstiger Verstoß des Klägers gegen FIS-Regeln erkennbar war, haftet der Beklagte für die dem Kläger entstandenen Schäden vollumfänglich.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 15.8.2017, 30 O 53/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Lässt der Betreiber einer öffentlichen Tiefgarage das Rolltor an der Einfahrt zur Hälfte herab, weil er die Garage vorübergehend sperren will, eröffnet er eine Gefahrenquelle. Damit muss ein Fahrzeugführer üblicherweise nicht rechnen.

Das machte das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe deutlich. Geklagt hatte ein Autofahrer, der in die Tiefgarage eingefahren war. Dabei wurde sein Fahrzeug durch die Unterkante des Rolltores stark beschädigt. Diese befand sich in einer Höhe von ca. 1,45 m.

Die Richter sprachen dem Autofahrer Schadenersatz zu. Der Betreiber habe seine Schutzpflichten gegenüber den Kunden verletzt, als er das Rolltor teilweise heruntergelassen hat. Allerdings muss sich der Autofahrer ein Mitverschulden anrechnen lassen. Bei entsprechender Achtsamkeit hätte er die Gefahr erkennen können. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände hat das Gericht ein Mitverschulden von 25 Prozent gesehen.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 1.6.2017, 9 U 194/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Radfahrerin, die beim Befahren eines Radwegs entgegen der Fahrtrichtung mit einem wartepflichtigen Pkw kollidiert, kann 1/3 ihres Schadens selbst zu tragen haben. Dass sie keinen Schutzhelm getragen hat, erhöht – bei dem Unfallereignis aus dem Jahre 2013 – ihren Eigenhaftungsanteil nicht.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Falle einer Radfahrerin entschieden. Diese befuhr mit ihrem Fahrrad einen Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung. Sie wollte die Einmündung einer untergeordneten Straße queren, um dann nach links in diese Straße einzubiegen. Der Beklage kam mit seinem Pkw aus dieser Straße und wollte rechts abbiegen. Dabei kollidierte sein Fahrzeug mit dem Fahrrad der Klägerin. Die Radfahrerin stürzte auf die Motorhaube, rutschte mit ihrem Rad über die Straße und schlug mit dem unbehelmten Kopf auf der Fahrbahn auf. Mit einem Schädel-Hirn-Trauma, einem Schädel-Basis-Bruch und einer Kniefraktur erlitt sie schwerste Verletzungen. Sie verlangt nun von dem Beklagten und seinem Haftpflichtversicherer Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Das Landgericht hat der Radfahrerin ein Mitverschulden von 20 Prozent angerechnet. In der Berufungsinstanz hat das OLG dieses Mitverschulden stärker berücksichtigt und mit 1/3 bewertet. Der Beklagte habe, so die Richter, den Unfall in erheblichem Umfang verschuldet, auch wenn er zunächst im Einmündungsbereich angehalten habe und dann langsam abgebogen sei. Gegenüber der Klägerin sei er wartepflichtig gewesen. Die Klägerin habe ihr Vorfahrtsrecht nicht dadurch verloren, dass sie den kombinierten Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung befahren habe, obwohl dieser für eine Nutzung in ihrer Fahrtrichtung nicht mehr freigegeben gewesen sei. Ein Radfahrer behalte sein Vorrecht gegenüber kreuzenden und einbiegenden Fahrzeugen auch, wenn er verbotswidrig den linken von zwei vorhandenen Radwegen nutze.

Die Klägerin ihrerseits habe den Unfall mitverschuldet, weil sie mit ihrem Fahrrad den an der Unfallstelle vorhandenen Geh- und Radweg entgegen der freigegebenen Fahrtrichtung befahren habe. Dass die Klägerin auf dem für ihre Fahrtrichtung nicht freigegebenen Weg erst wenige Meter zurückgelegt habe, entlaste sie nicht. Sie habe sich verbotswidrig auf dem Radweg befunden, den sie richtigerweise nur noch – ihr Fahrrad schiebend – als Fußgängerin hätte benutzen dürfen.

Unerheblich sei, dass sie keinen Schutzhelm getragen habe. Deshalb könne ihr Anspruch nicht gekürzt werden. Zur Unfallzeit im Jahre 2013 habe keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer bestanden. Das Tragen von Fahrradhelmen habe zudem nicht dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprochen. Das hat der Bundesgerichtshof noch im Jahre 2014 festgestellt, bezogen auf einen Unfall aus dem Jahre 2011. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Verkehrsbewusstsein insoweit in den Jahren danach verändert habe, habe der Senat nicht.

Der Mitverschuldensanteil der Klägerin sei mit 1/3 zu bewerten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das der Klägerin nach wie vor zustehende Vorfahrtsrecht kein Vertrauen ihrerseits in ein verkehrsgerechtes Verhalten des Beklagten habe begründen können. Auch wenn der Beklagte mit seinem Fahrzeug zunächst vor dem querenden Geh- und Radweg angehalten habe, habe die verkehrswidrig fahrende Klägerin ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte sie wahrgenommen habe und ihr den Vorgang einräumen würde.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 4.8.2017, 9 U 173/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei einem groben Behandlungsfehler ändert sich die Beweislast. Dann muss der Tierhalter nicht beweisen, dass der Tierarzt einen Fehler gemacht hat. Dies wird vielmehr vermutet und der Tierarzt muss sich entlasten.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). In dem Verfahren hatte eine Frau von einem Tierarzt wegen fehlerhafter Behandlung Schadenersatz verlangt. Sie hatte ihr Pferd wegen einer Verletzung am rechten hinteren Bein zur Behandlung vorgestellt. Der Tierarzt verschloss die Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert. Die Operation der Fraktur gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Das Pferd hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt hatte.

Das Oberlandesgericht hat den Tierarzt dem Grunde nach verurteilt, der Tierhalterin Schadenersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. Der Tierarzt habe einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen. Er hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Fissur bestand. Hätte er weitere Untersuchungen vorgenommen, hätte sich die Fissur bestätigt.

Im Streitfall blieb ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach. Es kam daher darauf an, ob die Tierhalterin – wie es die Regel wäre – oder der Tierarzt die Beweislast hinsichtlich der Kausalität trägt.

Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts bestätigt. Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, sind auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten beziehen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung kommt – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt eine besondere Bedeutung zu. Es soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt hat durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen. Damit hat er die Beweisnot aufseiten des Geschädigten vertieft. Dies soll durch die Beweislastumkehr ausgeglichen werden.

Quelle: BGH, Urteil vom 10.5.2016, VI ZR 247/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl