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Mit der Frage, ob ein 13-jähriges Kind für einen Glasschaden an einem Schaufenster verantwortlich ist, hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst.

Glasbruch nach Nutzung eines Spielgeräts

Das Kind hatte in der Fußgängerzone von Frankenthal ein fest montiertes Spielgerät in Gestalt einer Drehscheibe genutzt und war beim Absteigen gegen ein daneben befindliches Schaufenster getaumelt. Für den dadurch entstandenen Glasbruch muss das Kind nicht haften, entschied das LG und hat die Klage der Ladenbesitzer abgewiesen.

Der Junge gab an, dass er auf dem Schulweg an dem Spielgerät vorbeigekommen sei. Er habe sich auf das Karussell gestellt, das ein Freund gedreht habe, zunächst langsam, dann immer schneller. Nachdem der Freund die Drehung gestoppt habe, sei er rückwärts gegen die keine drei Meter entfernte Fensterscheibe getaumelt, die daraufhin zerbrochen sei.

Schaden schuldhaft verursacht?

Die Ladenbesitzer warfen dem Jungen vor, den Schaden schuldhaft verursacht zu haben. Er sei bereits zu alt gewesen für das Karussell, zudem habe er sich damit zu schnell gedreht. Die Sturzgefahr und der mögliche Glasbruch seien für ihn erkennbar gewesen.

Landgericht: kein Verschulden des Kindes!

Das LG ging zwar davon aus, dass sich der 13-Jährige der grundsätzlichen Stolpergefahr durchaus bewusst und auch hinreichend einsichtsfähig war. Beides ist erforderlich, damit Minderjährige in diesem Alter überhaupt selbstständig haften. Gleichwohl konnte das LG das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Kindes nicht feststellen. Denn der Junge habe die Drehscheibe bestimmungsgemäß genutzt. Es sei gerade Sinn und Zweck des Karussells, trotz der Drehbewegung die Balance zu halten und der Gefahr des Herunterfallens zu trotzen. Das Kind sei weder zu alt noch zu groß für das Spielgerät gewesen.

Das Gericht hat nicht verkannt, dass die Ladenbesitzer nun auf ihrem Glasschaden sitzen bleiben. Dies resultiert gemäß LG jedoch daraus, dass unsere Rechtsordnung – von einigen hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen – dem Prinzip der Verschuldenshaftung folgt.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 29.11.2024, 9 O 27/24, PM vom 19.12.2024

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Vor Betätigung der Hebevorrichtung einer Duplex-Garage besteht keine Verpflichtung zur Kontrolle, ob Fahrzeuge ordnungsgemäß geparkt sind. So sieht es das Amtsgericht (AG) München.

Unsachgemäße Bedienung?
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadenersatz in Höhe von 4.894,60 Euro wegen unsachgemäßer Bedienung der Hebevorrichtung einer Duplex-Garage. Der Kläger ist Halter eines Audi A6 und Nutzer der unteren Etage einer Duplex-Garage, der Beklagte ist Nutzer der oberen Etage. Am 30.6.2023 morgens gegen 9:30 Uhr bediente der Beklagte die Hebevorrichtung, um an in seinem Fahrzeug deponiertes Werkzeug zu gelangen. Beim Absenken des Parkplatzes hörte der Beklagte ein kratzendes Geräusch und fuhr den Stellplatz wieder nach oben. Nachdem der Beklagte den Kläger noch am selben Tag informiert hatte, gingen sie abends gemeinsam in die Tiefgarage. Dort bediente der Beklagte die Hebevorrichtung erneut. Hierdurch sei des Weiteren die Antenne am Dach des Fahrzeugs zertrümmert und das Dach eingedrückt worden.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hafte für die Schäden an dessen PKW. Der Pkw des Klägers sei ordnungsgemäß in der Duplex-Garage abgestellt gewesen. Der Beklagte hätte nach dem Hören der Kratzgeräusche jegliche Bedienung sofort einstellen müssen. Die zweite Bedienung der Hebevorrichtung am Abend sei ohne Einverständnis des Klägers erfolgt.

Keine weiteren Schäden bei erneutem Absenken
Nach Auffassung des Beklagten habe der PKW des Klägers nicht auf den Stellplatz gepasst oder sei nicht ordnungsgemäß abgestellt worden. Als beide gemeinsam abends in der Tiefgarage waren, habe der Kläger das Fahrzeug mithilfe eines Manövers mit Handbremse und Gaspedal oben auf die Schwelle gesetzt, sodass genügend Abstand zwischen Fahrzeugheck und Fußbodenebene gegeben war. Daraufhin habe der Beklagte mit Einverständnis des Klägers den Stellplatz abgesenkt, ohne dass es zu einem weiteren Schaden gekommen wäre.

Das AG wies die Klage nach Anhörung eines Sachverständigen ab. Denn die Absenkung der Hebevorrichtung geschieht durch Drehen eines Schlüssels in der Schlüsselschaltung. Hierbei kann dem Beklagten nur ein Vorwurf gemacht werden, wenn er erkennen konnte, dass durch das Herabfahren der Hebevorrichtung das Fahrzeug des Klägers beschädigt wird, so das AG. Hierfür gab es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Den Beklagten trifft auch keine Verpflichtung, vor Betätigung der Hebevorrichtung zu kontrollieren, ob die geparkten Fahrzeuge ordnungsgemäß geparkt sind.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: AG München, Urteil vom 11.4.2024, 223 C 19925/23, PM 28/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein mit der Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung beauftragter Architekt muss seinen Auftraggeber über ein denkmalschutzrechtliches Genehmigungserfordernis aufklären. Zweck dieser Pflicht ist es, den Bauherrn in die Lage zu versetzen, die Realisierungschancen des Vorhabens einschätzen zu können. Nicht zum Schutzzweck der Verpflichtung gehört dagegen, den Bauherrn vor etwaigen Steuerschäden im Zusammenhang mit bestehenden Genehmigungserfordernissen zu bewahren. Der Bauherr kann deshalb bei unvollständiger Grundlagenermittlung nicht Ersatz entgangener steuerlicher Vergünstigungen beanspruchen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Berufung der Bauherren zurückgewiesen.

Das war geschehen
Die Bauherren beabsichtigten, eine Dachgeschosswohnung im Frankfurter Westend zu sanieren und beauftragten einen Architekten mit Architektenleistungen. Dieser klagte vor dem Landgericht (LG) ausstehendes Honorar ein. Die Bauherren beriefen sich dagegen u.a. auf Schadenersatzansprüche gegen den Architekten, da fälschlich erklärt worden sei, dass denkmalschutzrechtliche Gesichtspunkte beim Innenausbau unbeachtlich seien. Tatsächlich hätten sie bei richtiger Aufklärung das gesamte Bauvorhaben im Wege einer Sonderabschreibung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 7h EStG) fördern lassen können. Ihnen sei wegen der falschen Aufklärung damit ein Steuerschaden in Höhe von gut 5.000 Euro entstanden.

So sahen es die Gerichte
Das LG hatte dem Architekten ausstehendes Honorar zugesprochen und den Schadenersatzanspruch der beklagten Bauherren wegen entgangener Steuervergünstigungen abgewiesen. Die Berufung der Bauherren hiergegen hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Der Architekt habe zwar pflichtwidrig nicht über die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit aufgeklärt, begründet das OLG seine Entscheidung. Auch im Rahmen der hier beauftragten Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung müsse ein Architekt über die Genehmigungsbedürftigkeit eines Bauvorhabens vollständig und richtig informieren. Die Entwurfsplanung müsse zudem genehmigungsfähig erstellt werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob bei der Beauftragung der Bauherr zum Ausdruck gebracht habe, bestimmte steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu wollen.

Es fehle aber am Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und dem behaupteten Steuerschaden. Grundsätzlich hafte der Vertragspartner bei einer Pflichtverletzung nur für Schäden, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflichten gerade verhindert werden sollen. Dieser Schutzzweckzusammenhang liegt hier nicht vor. Die ordnungsgemäße Grundlagenermittlung betreffe zwar auch wirtschaftliche Folgen eines Bauvorhabens. Sie solle den Bauherrn über die erwarteten Kosten informieren, damit er sich auf einer geeigneten Grundlage für die Durchführung des Vorhabens entscheiden kann. Es bestehe aber keine allgemeine Verpflichtung des Architekten, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen. Die Ermittlung der Genehmigungsbedürftigkeit betreffe nicht die wirtschaftlichen Fragen des Bauvorhabens, sondern diene dazu, die Realisierungschancen einschätzen zu können. „Sie zielt – jedenfalls ohne weitere Vereinbarung oder besondere Umstände – nicht darauf, dem Besteller die Möglichkeit steuerlicher Vergünstigungen zu erschließen“, betont das OLG. Solche Vergünstigungen seien vielmehr allein ein „Reflex der Genehmigung“.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.4.2022, 29 U 185/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Wird ein Mangel an einem Werk durch einen Planungsfehler des vom Auftraggeber beauftragten Planers (hier: Statiker) und unabhängig davon durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers verursacht, wobei beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten, liegt ein Fall der sog. Doppelkausalität vor. Planer und Bauunternehmer haften dann dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden.

Das bedeutet: Der Auftraggeber kann sich aussuchen, von wem er den Schaden ersetzt verlangt. Im Zweifel wird er sich daher für den zahlungskräftigeren Beteiligten entscheiden.

Außerdem hat das OLG klargestellt: In einem solchen Fall der Doppelkausalität kann der Bauunternehmer dem Auftraggeber das planerische Verschulden nicht anspruchsmindernd entgegenhalten, weil das Planungsverschulden für das Ausführungsverschulden nicht (mit-)ursächlich geworden ist.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2021, 10 U 336/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Mietern stehen keine Amtshaftungsansprüche zu, wenn eine Landesregierung – hier das Land Hessen – eine Mietenbegrenzungsverordnung mit weitem räumlichem und persönlichem Geltungsbereich erlässt, diese Verordnung keine Begründung enthält, also unwirksam ist. Das gilt auch, wenn der Mieter sich deshalb einer berechtigten Mieterhöhung ausgesetzt sieht und eine nach der (unwirksamen) Begrenzungsverordnung überhöhte Miete nicht zurückverlangen kann. Das hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Gesetze und Verordnungen enthalten generelle und abstrakte Regeln. Daher nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Deshalb ist der Mieter kein sog. geschützter Dritter und kann keine Amtshaftungsansprüche haben. Auch unmittelbar aus einem Grundrechtsverstoß ergibt sich kein Haftungsanspruch gegen den Staat.

Quelle: BGH, Urteil vom 28.1.2021, III ZR 25/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Kommt ein Architekt, der mit der Bauaufsicht beauftragt wurde, Überwachungspflichten nicht hinreichend nach, gilt: Er kann für Feuchtigkeitsschäden haften, die durch unsachgemäßes Verschweißen von Bitumenbahnen entstanden sind. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden.

Das OLG hebt hervor: Abdichtungsarbeiten sind besonders gefahrgeneigte Arbeiten. Kommt es bei derartigen Arbeiten zu Ausführungsmängeln, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Architekt seine Bauüberwachungspflicht verletzt hat. Dies gelte, obwohl Abdichtungsarbeiten eine handwerkliche Selbstverständlichkeit sind. Denn sie sind für den Erfolg des Gesamtwerks mitentscheidend. Folglich kann vom Architekten erwartet werden, dass er diese Arbeiten (hier: Schweißarbeiten) kontrolliert.

Quelle: OLG München, Endurteil vom 20.1.2021, 20 U 2534/20 Bau

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Ein Schüler kann nicht allein wegen des Verhaltens seines Vaters gegenüber Schulleitung und Lehrer an eine andere Schule überwiesen werden. Das hat jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.
Der 15-jährige Antragsteller besucht eine Schule in Berlin-Tempelhof. Seit mehr als zwei Jahren gibt es erhebliche Auseinandersetzungen zwischen dessen Vater und der Schule. Der Vater stellte zahlreiche Dienstaufsichtsbeschwerden, Petitionen, Befangenheitsanträge und Strafanzeigen. Er erschien vor der Schule, sprach Schüler und Lehrkräfte an und erstellte Videos, die er auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. Ein Großteil der Lehrkräfte der Schule fühlte sich vom Vater bedroht; die beiden Klassenlehrerinnen und die Schulleiterin waren zwischenzeitlich dienstunfähig erkrankt. Der Antragsteller selbst weist nach dem Zeugnis des Schuljahres 2019/2020 durchgängig gute bis sehr gute Leistungen auf. Seine Lern- und Leistungsbereitschaft, Arbeitshaltung, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Teamfähigkeit und Verhalten werden mit „sehr ausgeprägt“ bewertet. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sprach mit sofort vollziehbarem Bescheid die Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule desselben Bildungsgangs aus. Zur Begründung berief sie sich auf das gestörte Verhältnis zwischen Vater und Schulleitung.

Der Eilantrag des Antragstellers war erfolgreich. Für seine Überweisung an eine andere Schule fehlt es an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Bei der Maßnahme handelt es sich wegen ihrer erheblichen Grundrechtsrelevanz um eine wesentliche Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Gesetzgeber getroffen werden müssen und die nicht der Schulverwaltung überlassen werden darf. Die Überweisung auf eine andere Schule kann nicht als Ordnungsmaßnahme angesehen werden. Denn Voraussetzung hierfür ist eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder eine Gefährdung anderer am Schulleben Beteiligter durch den Antragsteller selbst, woran es hier fehlt. Das Verhalten des Vaters kann dem Antragsteller nicht zugerechnet werden. Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob die Schule ggf. Maßnahmen gegen den Vater selbst richten kann, um Störungen zu unterbinden und den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten.

Quelle: VG Berlin, Beschluss vom 23.11.2020, VG 3 L 612/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Biegt ein Vorausfahrender nach links ab, ohne zu blinken, und kollidiert er dabei mit einem überholenden Pkw, haftet er voll. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) München klargestellt.

Für das OLG stand folgender Sachverhalt fest: Die Fahrerin des den Unfall verursachenden Pkw fuhr auf einer 5,4 Meter breiten Fahrbahn rechtsorientiert und ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen plötzlich unter Verletzung der zweiten Rückschaupflicht nach links, um in ein Grundstück abzubiegen. Sie hatte daher die höchste Sorgfaltspflicht zu erfüllen, die die Straßenverkehrsordnung (StVO) kennt. Der überholende und deutlich schnellere Pkw wäre bei Wahrnehmung der Rückschaupflicht jederzeit erkennbar gewesen.

Die Fahrerin räumte selbst ein, zunächst den hinter ihr befindlichen Pkw gesehen zu haben, kurz vor dem Abbiegevorgang aber nicht mehr darauf geachtet zu haben. Soweit sie angab, ca. drei Meter vor dem Abbiegen geblinkt zu haben, wäre das nicht rechtzeitig gewesen. Denn der hinter ihr befindliche Fahrer hätte sich hierauf nicht mehr einstellen können. Für ihn war der Unfall daher unvermeidbar.

Quelle: OLG München, Urteil vom 22.7.2020, 10 U 601/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Wer kennt die folgende Situation nicht: Ein Autofahrer will aussteigen und öffnet die Autotür. In diesem Moment fährt ein anderes Fahrzeug vorbei. Wenn es schlecht läuft, stößt der Vorbeifahrende mit der sich öffnenden Tür zusammen. Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat in einem solchen Fall über die Haftungsquoten entschieden. Das Ergebnis mag manchen überraschen.

Der Kläger hatte am Fahrbahnrand gehalten. Er wollte aussteigen und öffnete die Fahrzeugtür. Da kam es zur Kollision mit einem in diesem Moment vorbeifahrenden Pkw. Am Pkw des Klägers entstand erheblicher Sachschaden. Die Parteien stritten darüber, wie weit der Kläger die Tür geöffnet hatte und ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte. Das AG: Der Kläger war beim Aussteigen aus dem Pkw unachtsam. Er hatte den Unfall überwiegend selbst verschuldet.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten. Er muss den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Er darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht entsprochen.

Aber: Der Beklagte hat den Unfall mitverursacht. Er ist ohne ausreichenden Seitenabstand an dem parkenden Fahrzeug vorbeigefahren. Er hat den klägerischen Pkw nur mit einem Seitenabstand von 30 bis 35 Zentimetern passiert. Das war zu wenig.

Das AG sah den Verstoß des Klägers als schwerer an. Er war es, der die Gefahrensituation erst heraufbeschworen hat. Bei regelkonformem Verhalten wäre es nicht zum Unfall gekommen. Demgegenüber hat der Beklagte lediglich einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Nach Ansicht des Gerichts war die Haftung daher im Verhältnis 1/3 : 2/3 zulasten des Klägers zu verteilen.

Quelle: AG Frankenthal, Urteil vom 26.6.2020, 3c C 61/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Ein Beschluss über eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums muss mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Dabei sind auch die nicht beeinträchtigten Eigentümer stimmberechtigt. Daneben muss ggf. die Zustimmung der Eigentümer vorliegen, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Interessant sind auch die Ausführungen des BGH zu den Verwalterpflichten und zur Verwalterhaftung. Danach gilt: Der Versammlungsleiter handelt nicht pflichtwidrig, wenn er einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums als zustande gekommen verkündet, obwohl nicht alle Eigentümer zugestimmt haben, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Der Verwalter muss in Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums prüfen, ob einzelne Wohnungseigentümer (und ggf. welche) ihre Zustimmung erteilen müssen, und er muss die Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und ggf. auf ein bestehendes Anfechtungsrisiko hinweisen. Klärt der Verwalter die Eigentümerversammlung vor einer solchen Beschlussfassung nicht in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis auf, handelt er pflichtwidrig. Einen Rechtsirrtum muss er aber nur dann vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist.

Ist der Verwalter der Auffassung, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt, und hat er deshalb Bedenken gegen die Verkündung eines auf eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Beschlusses, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat, kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen.

Quelle: BGH, Urteil vom 29.5.2020, V ZR 141/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht