Schlagwortarchiv für: Eigenbedarf

Ein Ehemann kann nach der Trennung von seiner Frau verlangen, die Nutzungsverhältnisse an einem gemeinsamen Haus neu zu ordnen. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest.

Ärzteehepaar trennte sich

Nachdem sich ein Ärzteehepaar getrennt hatte, wollte der Mann in ein gemeinsames Haus des Paares ziehen. Doch dort wohnte seine Schwiegermutter. In der ihr allein gehörenden Ehewohnung lebte die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Der Mann schlief zunächst in seiner Praxis, dann bei Bekannten. Schließlich wohnte er zur Untermiete.

Den Eheleuten gehörte aber hälftig noch das von der Schwiegermutter bewohnte Einfamilienhaus mit Garten. Dieser wollte der Mann wegen Eigenbedarf kündigen. Dazu war die Mitwirkung seiner Ehefrau erforderlich. Das lehnte sie ab. Sie meinte, der Mann wolle sie nur zwingen, ihrer Mutter zu kündigen. Auch habe er noch ein weiteres Haus. Der Mann klagte.

Amtsgericht: Eigenbedarf nicht genügend dargelegt

Das Amtsgericht (AG) wies seine Klage ab. Der Mann habe den Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Da die Schwiegermutter eine nahe Angehörige sei, könne ihre Tochter selbst Eigenbedarf anmelden. So zog der Mann vor das OLG.

So sah es das Oberlandesgericht

Das OLG gab dem Mann Recht. Ihm sei seit der Trennung ein Festhalten am Mietverhältnis nicht länger zuzumuten. Auch habe er seinen Eigenbedarf ausreichend dargelegt. Er hatte vorgetragen, dass sein jetziges Mietverhältnis nur befristet war. Ein ständiges Wohnen in der Praxis sei ihm nicht zuzumuten. Ein Umzug in das andere Haus sei ihm ebenfalls nicht zuzumuten, da dieses noch ein Rohbau sei und er auch kein Geld für einen Umzug habe. Nach all dem sah das OLG den geltend gemachten Eigenbedarf nicht als „offensichtlich aussichtslos“ an. Vor allem sei die Frau in der Lage, ihre Mutter in der Ehewohnung und einer nicht genutzten Einliegerwohnung aufzunehmen.

Quelle: OLG Celle, Beschluss vom 19.2.2025, 21 UF 237/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Kündigung einer Wohnung wegen Eigenbedarf ist rechtens, wenn ein über 80-jähriges Ehepaar bei Besorgungen unterstützt werden soll. Selbst, wenn es ihm gesundheitlich sehr gut geht und die unterstützende Person bisher nur etwa 2,7 km entfernt lebte, kann Eigenbedarf geltend gemacht werden. Das hat das Amtsgericht (AG) München entschieden.

Was war geschehen?
Ein 80-jähriges Ehepaar bewohnte eine Wohnung in einem Haus in München. Es besaß im selben Haus eine weitere 77 qm große Wohnung. Diese hatte es an ein ebenfalls älteres Ehepaar vermietet. Das Vermieter-Ehepaar übertrug das Eigentum an der vermieteten Wohnung gegen eine monatliche Leibrente von 800 Euro an die Großnichte, die in der Nähe wohnte. Diese unterstützte ihre Verwandten bei Besorgungen, Einkäufen und Arztbesuchen. Die Großnichte kündigte den o. g. Mietern wegen Eigenbedarf und hatte damit Erfolg.

So argumentieren die Mieter
Die gekündigten Mieter argumentierten, dass eine Hilfeleistung auch aus einer Distanz von 2,7 km entfernt möglich sei. Die Großnichte müsse nicht im gleichen Haus wohnen, zumal es dem Vermieter-Ehepaar gesundheitlich gut ginge. Den Mietern hingegen sei eine Wohnungssuche und ein Umzug angesichts des Münchener Wohnungsmarkts nicht zumutbar. Zudem litt die Mieterin laut eines vorgelegten Attests an Bluthochdruck mit Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall.

Amtsgericht: Wunsch nach Eigennutzung hinreichend bestimmt und konkret
Das AG sah dies anders: Der Wunsch, seine Wohnung selbst zu nutzen, sei grundsätzlich zu achten, wenn er hinreichend bestimmt und konkret ist. Bereits aufgrund des Alters des Vermieter-Ehepaars sei eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit derart naheliegend, dass selbst ein aktuell blendender Gesundheitszustand nicht ins Gewicht falle. Der attestierte Bluthochdruck der Mieterin hingegen begründe keine besondere Härte im Sinne des Gesetzes.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: AG München, Urteil vom 9.6.2021, 453 C 3432/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Ist für den Fall einer Räumungspflicht des Mieters eine Selbstmordgefahr positiv festgestellt worden, ist eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen.

Diese für den Mieter günstige Entscheidung traf das Amtsgericht München im Fall eines älteren Mannes, der seit 1975 eine Drei-Zimmer-Wohnung in München bewohnte. Die Vermieterin kündigte wegen Eigenbedarfs. Der Mieter legte hiergegen Widerspruch ein und begründete das mit Hüft- und Kniegelenkserkrankungen sowie seiner langjährigen Verwurzelung im Wohnumfeld. Er habe seit der Kündigung fünf Kilo abgenommen und auf 26 Bewerbungen nur Absagen erhalten.

Die Vermieterin behauptet, dass der Mieter in der näheren Umgebung eine Ersatzwohnung finden könne, wenn er sich nur ausreichend darum bemühe. Die Wohnung sei nur über mehrere Treppenstufen erreichbar, also nicht altersgerecht. Man würde den Mieter tatkräftig bei seinem Umzug unterstützen, der überdies ja noch zweimal die Woche nach Riem fahren könne, um dort im Tierheim zu helfen.

Die zuständige Richterin gab dem Mieter recht. Zwar bestehe nach Überzeugung des Gerichts der behauptete Eigenbedarf tatsächlich. Der Mieter könne allerdings einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Voraussetzung dafür sei, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei.

Das sei vorliegend der Fall. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Mieter entsprechend seiner langen Wohndauer in dem Viertel stark verwurzelt sei. Letztlich war in der Abwägung ausschlaggebend das Ergebnis des schriftlichen Gutachtens des vom Gericht bestellten Sachverständigen. Danach wurde der psychische Gesundheitszustand des Mieters schon als Folge der Kündigung bereits erheblich beeinträchtigt. Hierdurch hat sich eine mittelschwere depressive Episode ausgebildet. Durch einen Umzug würde sich sein psychisches Befinden aller Wahrscheinlichkeit nach noch weiter verschlechtern, bis hin zu einer schweren depressiven Episode, bei der auch ein Suizid nicht ausgeschlossen werden kann.

Zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung bestand ein Anhaltspunkt, dass der Mieter seine Beschwerden stärker beschreiben würde als sie vorliegen oder gar simulieren würde. Für den Fall, dass er aus seiner Wohnung ausziehen müsste, wird konkret der Suizid erwogen. Es handelt sich bei ihm um einen alten, alleinstehenden Mann mit einer depressiven Episode und einem ungelösten Problem, nämlich dem Verlust seiner Wohnung und seines Lebensmittelpunktes. Er ist daher als erheblich gefährdet anzusehen. Unter Berücksichtigung dieser Gefährdung ist eine Räumung der Wohnung für den Mieter nicht zumutbar. Nachdem auch nicht absehbar ist, ob und wann die festgestellte Gefährdung nicht mehr besteht, war das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Quelle: Amtsgericht München, Urteil vom 22.11.2019, 411 C 19436/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Es kann gegen einen Eigenbedarf des Vermieters sprechen, wenn er auch zwei Jahre nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung das vermeintlich unabweisbare Bedürfnis zum Umzug an den Ort der Mietsache nicht anderweitig umgesetzt hat.

Das hat das Landgericht (LG) Berlin verdeutlicht. Im dortigen Fall hätte hierzu spätestens nach Erklärung des Kündigungswiderspruchs Veranlassung bestanden. Denn ab diesem Zeitpunkt war für den Vermieter die zeitnahe Umsetzung des angeblich besonders dringenden Umzugs an den Ort der Mietsache vollständig ins Ungewisse gerückt. Anders könne dies nur beurteilt werden, wenn es aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen war, am Ort der Mietsache zunächst eine Ersatzunterkunft anzumieten. Dazu hatte der Vermieter aber nichts vorgetragen.

Quelle: LG Berlin, Urteil vom 10.9.2019, 67 S 149/19, Abruf-Nr. 211679 unter www.iww.de.

Wenn ein Kündigungsgrund zwar im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestanden hat, aber vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist, ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter den aus der Vertragsbeendigung folgenden Räumungsanspruch gleichwohl weiterverfolgt.

Nach Auffassung des Landgerichts (LG) Berlin liegt ein solcher zur Anwendung des § 242 BGB führender Wegfall des Kündigungsgrunds auch vor, wenn nach einer Eigenbedarfskündigung der Nutzungswille des Vermieters bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen wird. Im dortigen Fall hatte die Vermieterin einen Arbeitsunfall erlitten. Ihre ursprünglichen beruflichen und privaten Pläne, die den Eigenbedarf begründeten, waren daher bis weit über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus auf unabsehbare Zeit ungewiss geworden.

Quelle: LG Berlin, Urteil vom 19.1.2019, 67 S 9/18, Abruf-Nr. 209379 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Eine Eigenbedarfskündigung, die lediglich auf den Wunsch gestützt ist, im Elternhaus zu wohnen, und die wegen einer körperlichen Behinderung darauf verweist, dass die alte Wohnung auf Dauer ungeeignet, im Elternhaus hingegen das Badezimmer bereits behindertengerecht umgebaut sei und dort möglichweise in absehbarer Zeit benötigtes Pflegepersonal untergebracht werden könne, ist bereits formell ungenügend und nichtig/unwirksam.

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht Hamburg-Blankenese. Das Gericht erläuterte, dass eine formell wirksame Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich sein könne, wenn der Vermieter zunächst eine Verwertungskündigung ausgesprochen hatte, und sodann, nachdem er hiermit in erster Instanz keinen Erfolg hatte, noch vor dem Urteil erster Instanz und vor Verzicht auf die Verwertungskündigung parallel eine Eigenbedarfskündigung ausspricht. Beide Kündigungsgründe schließen sich denklogisch aus.

Quelle: Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Urteil vom 10.10.2018, 531 C 159/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Für eine auf Eigenbedarf gestützte Räumungsverurteilung genügt es, wenn der Mieter den Eigenbedarf mit Nichtwissen bestreitet. Der Vermieter muss hingegen den Vollbeweis für den behaupteten Eigenbedarf erbringen.

Auf diese prozessuale Regel machte das Landgericht (LG) Berlin aufmerksam. Die Richter wiesen darauf hin, dass bei feststehendem Eigenbedarf geprüft werden müsse, ob der Mieter nicht wegen einer unzumutbaren Härte gem. § 574 Abs. 1, 2 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. Bei gesundheitlichen Nachteilen kann bereits die ernsthafte Gefahr ihres Eintritts ausreichen. Hier kann es genügen, dass sich der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtern würde. Bei der Frage nach angemessenem Ersatzwohnraum sind nicht nur Alter und Krankheit des Mieters, sondern auch die dadurch bedingte notwendige Nähe zu bestimmten Angehörigen zu berücksichtigen.

Quelle: LG Berlin, Urteil vom 25.1.2018, 67 S 272/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Eigenbedarfskündigung eines Wohnraumvermieters ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil er bei Abschluss des Mietvertrags bei vorausschauender Planung aufgrund hinreichend konkreter Anhaltspunkte (hier erhebliche Ehedifferenzen) hätte in Erwägung ziehen müssen, dass ein künftiger Eigenbedarf (hier: infolge Trennung) entstehen würde.

So entschied es jetzt das Landgericht (LG) Dessau. Fahrlässige Falschangaben zu Tatsachen oder gar Fehleinschätzungen über die Entwicklung der Eigenbedarfssituation können nicht Grundlage für ein widersprüchliches Verhalten des Vermieters sein. Vielmehr kommt es auf die Kenntnis des Vermieters von der Eigenbedarfssituation beziehungsweise der sie begründenden Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Zu diesem Zeitpunkt darf der Vermieter regelmäßig die berechtigte Hoffnung haben, dass die Ehedifferenzen behoben werden.

Quelle LG Dessau, Urteil vom 7.12.2016, 5 T 275/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Vermieter braucht sich im Falle einer Eigenbedarfskündigung nicht darauf verweisen zu lassen, dass eine andere in seinem Eigentum stehende Wohnung frei stand, wenn diese nicht mit der gekündigten Wohnung vergleichbar war, etwa weil diese kleiner war oder einen geringeren Wohnwert aufwies.

Eine Pflicht des Vermieters, dem gekündigten Mieter eine Alternativwohnung anzubieten, besteht dann nicht, wenn eine Vergleichbarkeit der Wohnung mit der gekündigten von vornherein ausscheidet. Gleiches gilt nach Auffassung des Landgerichts (LG) Berlin für den Fall, in dem der Mieter die Alternativwohnung ohnehin nicht angemietet hätte, wenn sie ihm angeboten worden wäre. Dann wäre es treuwidrig, wenn sich der Mieter auf eine Verletzung der Anbietpflicht des Vermieters beruft.

Quelle: LG Berlin, Urteil vom 1.12.2016, 67 S 323/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht mit einer einfachen Vermietermehrheit vergleichbar. Deshalb kann sie auch nicht zugunsten eines Gesellschafters wegen Eigenbedarfs kündigen.

Dies entschied das Landgericht (LG) LG München. Die Vergleichbarkeit beurteilt sich danach, ob die beiden rechtlichen Gestaltungsformen mit Blick auf den Bestands- und Verdrängungsschutz des Mieters vergleichbar sind. Eine solche Vergleichbarkeit ist nicht gegeben. Daher gebietet es das Gebot der Rechtssicherheit, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts generell die Zurechnung des Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter (oder deren Angehöriger) zu versagen. Auch ist eine Differenzierung dahingehend, dass Gesellschaften mit personalistischem Einschlag oder familiärem Hintergrund die Geltendmachung von Eigenbedarf ihrer Gesellschafter zugebilligt werden könnte, während allen übrigen Gesellschaften bürgerlichen Rechts die Zurechnung des Eigenbedarfs der Gesellschafter versagt werden müsste, nicht möglich. Denn diese wäre nicht trennscharf möglich. Umgehungen und missbräuchliches Verhalten wäre die Folge.

Quelle: LG München I, Urteil vom 07.10.2015, 14 S 2969/15.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl