Auch wenn der Geschädigte nach dem Unfall mit Totalschaden keinen anderen Pkw kauft, muss der Versicherer die Mietwagenkosten erstatten, soweit er den Verzicht auf ein Ersatzfahrzeug sinnvoll erklären kann. Es kann nicht daraus geschlossen werden, dass ein Nutzungswille fehlt, entschied jetzt das Amtsgericht (AG) Bochum.

Der Unfall hatte dazu geführt, dass der (ältere) Geschädigte sich nach und nach im Straßenverkehr nicht mehr sicher fühlte. Daraufhin gab er das Autofahren auf. Bereits das Nutzen des Mietwagens zeige aber, so das AG, dass der Geschädigte ursprünglich einen Nutzungswillen hatte.

Quelle: AG Bochum, Urteil vom 19.11.2020, 45 C 139/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner darf bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit leicht zugänglichen und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden.

Das war geschehen
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die ein Alten- und Pflegeheim betreibt, auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Der Ehemann der Klägerin lebte seit Februar 2014 in dem Pflegeheim. Er war hochgradig dement und litt unter Gedächtnisstörungen sowie psychisch-motorischer Unruhe. Zudem war er örtlich, zeitlich, räumlich und situativ sowie zeitweise zur Person desorientiert. Die Notwendigkeit besonderer Betreuung bestand wegen Lauftendenz, Selbstgefährdung, nächtlicher Unruhe und Sinnestäuschungen.

Die Beklagte brachte ihn in einem Zimmer im dritten Obergeschoss (Dachgeschoss) unter, das über zwei große Dachfenster verfügte, die gegen unbeaufsichtigtes Öffnen nicht gesichert waren. Der Abstand zwischen Fußboden und Fenstern betrug 120 Zentimeter. Vor den Fenstern befanden sich ein 40 Zentimeter hoher Heizkörper sowie in 70 Zentimeter Höhe eine Fensterbank, über die man gleichsam stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte. Im Juli 2014 stürzte der Heimbewohner aus einem der beiden Fenster. Dabei erlitt er schwere Verletzungen, an denen er trotz mehrerer Operationen und Heilbehandlungen im Oktober 2014 verstarb.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe geeignete Schutzmaßnahmen zur Verhinderung des Fenstersturzes unterlassen. Es hätten zwingende Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung vorgelegen. Ihr Ehemann sei gerade aufgrund seiner Demenz im Pflegeheim der Beklagten untergebracht worden. Daher stelle die Unterbringung im dritten Obergeschoss in einem Zimmer, dessen Fenster leicht zu öffnen gewesen seien, eine erhebliche Pflichtverletzung dar.

Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht (LG) hat die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) war nicht erwiesen, dass die Beklagte ihre vertraglichen Obhutspflichten oder die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Der Sturz habe sich im normalen, alltäglichen Gefahrenbereich ereignet, der der jeweils eigenverantwortlichen Risikosphäre des Geschädigten zuzurechnen sei. Vorkehrungen gegen das Hinausklettern des Bewohners über das Fenster hätten nur getroffen werden müssen, wenn mit einer solchen Selbstgefährdung wegen seiner Verfassung und seines Verhaltens (ernsthaft) hätte gerechnet werden müssen. Hierfür fehlten hinreichende Anhaltspunkte. Sein geistiger Zustand und das daraus resultierende inadäquate Verhalten hätten es nicht erforderlich gemacht, Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Fenster zu ergreifen.

Entscheidung des BGH
Der BGH hat der Revision der Klägerin stattgegeben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Der Heimbetreiber hat die Pflicht, unter Wahrung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts der ihm anvertrauten Bewohner, diese vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen. Welchen konkreten Inhalt die Pflicht hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines körperlich oder geistig beeinträchtigten Heimbewohners zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Maßgebend ist, ob wegen der Verfassung des pflegebedürftigen Bewohners ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte. Dabei muss allerdings auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen.

Daher darf bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr ein an Demenz erkrankter Heimbewohner, bei dem unkontrollierte und unkalkulierbare Handlungen jederzeit möglich sind, nicht in einem – zumal im Obergeschoss gelegenen – Wohnraum mit unproblematisch erreichbaren und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung besteht hingegen keine Pflicht zu vorbeugenden Sicherungsmaßnahmen.

Die Sichtweise des OLG, die Beklagte und das betreuende Pflegepersonal hätten Vorkehrungen gegen ein Heraussteigen des Bewohners aus einem der Fenster seines Heimzimmers für entbehrlich halten dürfen, ist unvollständig und somit rechtsfehlerhaft, so der BGH. Denn es hat für die o. g. Abwägungsentscheidung wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt.

Bei dem Bewohner lagen schon zu Beginn seines Aufenthalts im Pflegeheim der Beklagten schwere Demenzerscheinungen vor, wie oben beschrieben. Da die leicht zu öffnenden, nicht gesicherten Fenster in dem Zimmer des Bewohners über den davor befindlichen Heizkörper und das Fensterbrett gleichsam treppenartig erreicht werden konnten, war es ohne Weiteres möglich, zur Fensteröffnung zu gelangen und nach draußen auf eine 60 Zentimeter tiefe horizontale Dachfläche zu treten. Bei dieser Sachlage konnten unkontrollierte und unkalkulierbare selbstschädigende Handlungen infolge von Desorientierung und Sinnestäuschungen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, wobei auch ein Verlassen des Zimmers über ein leicht zugängliches, möglicherweise sogar geöffnetes Fenster in Betracht gezogen werden musste. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein solcher Unglückfall nahelag, da auch eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, Sicherungspflichten des Heimträgers auslösen kann. Dies hat das OLG übersehen.

Im neuen Verfahren wird das Berufungsgericht – ggf. sachverständig beraten – im Rahmen einer medizinischen Risikoprognose das gesamte Krankheitsbild des Bewohners und insbesondere seine durch ausgeprägte Demenzerscheinungen gekennzeichnete geistige und körperliche Verfassung sorgfältig bewerten müssen.

Quelle: BGH, Urteil vom 14.1.2021, III ZR 168/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Bank, die einen Darlehensvertrag unberechtigterweise kündigt, verletzt ihre vertraglichen Pflichten. Sie muss dem Darlehensnehmer den hieraus entstehenden Schaden ersetzen. So hat es das Landgericht (LG) Bonn jetzt entschieden.

Die Bank hatte wegen der angeblichen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse des Darlehensnehmers das Darlehen gekündigt. Doch das stimmte nicht. Sie muss dem Darlehensnehmer nun die kündigungsbedingten Anwaltskosten und die Abschlusskosten für den darlehensabsichernden Bausparvertrag erstatten. Der Darlehensnehmer muss sich nicht einmal die ersparten Zinsen anrechnen lassen. Der Deckungsdarlehensvertrag wurde nämlich niedriger verzinst.

Das LG: Die Bank genügt ihren Pflichten nicht, wenn sie den Kündigungsgrund nur auf Plausibilität prüft. Sie muss vielmehr vollständig prüfen und alle Erkenntnisquellen ausschöpfen. Ist der Kündigungsgrund also falsch, wird auf das Verschulden der Bank geschlossen.

Quelle: LG Bonn, Urteil vom 17.9.2020, 19 O 251/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Zum 1.1.21 ist die Düsseldorfer Tabelle geändert worden. Die meisten Oberlandesgerichte haben ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien angepasst. Die folgende Übersicht zeigt, wo Sie diese abrufen können:

o KG Berlin: www.iww.de/s380
o OLG Brandenburg: www.iww.de/s381
o OLG Braunschweig: www.iww.de/s382
o OLG Bremen: www.iww.de/s383
o OLG Celle: www.iww.de/s384
o OLG Dresden: www.iww.de/s385
o OLG Düsseldorf: www.iww.de/s386
o OLG Frankfurt: www.iww.de/s387
o OLG Hamburg: www.iww.de/s388
o OLG Hamm: www.iww.de/s389
o OLG Koblenz: www.iww.de/s390
o OLG Köln: www.iww.de/s391
o OLG Naumburg: www.iww.de/s392
o OLG Oldenburg: www.iww.de/s393
o OLG Rostock: www.iww.de/s394
o OLG Saarbrücken: www.iww.de/s395
o OLG Schleswig-Holstein: www.iww.de/s396
o OLG Thüringen: www.iww.de/s397
o Süddeutsche Leitlinien: www.iww.de/s398

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Haben Eigentümer einen Anspruch auf persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen auch während der Corona-Pandemie? Ja, sagt eindeutig das Landgericht (LG) Frankfurt a. M. Es sei aber auch nicht zu beanstanden, wenn der Verwalter in der Einladung Vertretungsmöglichkeiten bewerbe und sich bei der Größe des angemieteten Saals an der zu erwartenden Teilnehmerzahl orientiere.

Es darf allerdings nicht dazu kommen, dass nur die Teilnahme einzelner Personen gewährleistet ist oder direkt zu einer Vertreterversammlung geladen wird. Denn die Eigentümer haben nicht nur das Recht, ihren Willen durch Abstimmungsverhalten auszudrücken, sondern auch, durch Wortmeldungen auf der Versammlung die Mehrheit in Richtung der von ihnen gewünschten Willensbildung zu beeinflussen. Die Teilnahme an einer Versammlung ist ein elementares Kernrecht der Eigentümer.

Quelle: LG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.12.2020, 2-13 S 108/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Eine Kündigungsschutzklage haben sowohl das Arbeitsgericht (AG) als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf abgewiesen. Die Entwendung von Desinfektionsmittel und Papierhandtüchern führte im vorliegenden Fall zu einer berechtigten fristlosen Kündigung.

Sachverhalt
Der Kläger war seit 2004 bei einem Paketzustellunternehmen, der Beklagten, als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle fand der Werkschutz im Kofferraum des Klägers eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle (Wert: ca. 40 Euro). Es kam damals bei der beklagten Arbeitgeberin immer wieder vor, dass Desinfektionsmittel entwendet wurde. Der Betriebsrat stimmte der fristlosen Kündigung des Klägers zu, die die Beklagte dann aussprach. Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte keinen Erfolg.

So argumentierte der Arbeitnehmer
Er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen, behauptete der Kläger. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Er müsse kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei.

Arbeitgeberin untersagte Mitnahme von Desinfektionsmittel
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe dem Werkschutz gesagt, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Sie habe jedoch mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.

Fristlose Kündigung: Wichtiger Grund lag vor
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat, wie bereits das Arbeitsgericht, die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Klägers sind nicht glaubhaft. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger sich das Desinfektionsmittel angeeignet hat, um es selbst zu verbrauchen. Wenn er es während der Schicht habe benutzen wollen, hätte es nahegelegen, das Desinfektionsmittel auf den Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen, zumal in der Nacht nur sechs bis sieben Kollegen arbeiteten. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für die Kollegen verwenden wollte, denn weder hatte er ihnen gesagt, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt, noch ihnen den Autoschlüssel gegeben, damit sie es benutzen können. Schließlich war die aufgefundene Flasche nicht angebrochen.

Trotz der langen Beschäftigungszeit war keine vorherige Abmahnung erforderlich. Der Kläger hat in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass auch die Beklagte mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit hat er zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. Daher musste ihm klar sein, dass er mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdete.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.1.2021, 5 Sa 483/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Mit dem Berechnungsansatz von Hinterbliebenengeld nach einem Verkehrsunfalltod hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz befasst. Es stellt klar: Hinterbliebenengeld ist kein Ausgleich für den Verlust eines Lebens, sondern eine Entschädigung für die Trauer und das seelische Leid, den dieser auslöst. |

Das war geschehen
Der Kläger hatte wegen des Unfalltods seines Sohnes den Unfallgegner sowie den Halter und die Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten Fahrzeugs auf Zahlung von Hinterbliebenengeld in Anspruch genommen. Dabei hatte er ein hälftiges Mitverschulden seines Sohnes am Zustandekommen des Unfalls eingeräumt. Die Haftpflichtversicherung zahlte unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 Prozent ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 3.750 Euro. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Hinterbliebenengeld sei höher anzusetzen und die Zahlung von weiteren 8.750 Euro geltend gemacht.

Das entschied die Vorinstanz
Das Landgericht (LG) sah einen Zahlungsanspruch von lediglich weiteren 750 Euro, mithin ein Hinterbliebenengeld in Höhe von insgesamt 4.500 Euro (50 Prozent von 9.000 Euro). Hierbei orientierte es sich daran, dass der Gesetzgeber in seiner Kostenschätzung von einer durchschnittlichen Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro ausgegangen sei und bemaß den konkreten Betrag ähnlich einem Schmerzensgeld.

Das entschied das Oberlandesgericht
Das OLG Koblenz hat diesen Berechnungsansatz bestätigt und eine Berufung des Klägers daher für nicht erfolgversprechend eingeschätzt. Seine Begründung: Was der Verlust eines Menschen für seine Hinterbliebenen bedeutet, kann nicht in Geld bemessen werden. Das Hinterbliebenengeld ist daher auch kein Ausgleich für den Verlust eines Lebens. Es ist vielmehr eine Entschädigung für die Trauer und das seelische Leid, die durch den Verlust eines besonders nahestehenden Menschen ausgelöst werden.

10.000 Euro als Richtschnur
Für die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist weder eine feste Ober- noch eine feste Untergrenze vorgegeben. Eine Orientierungshilfe bietet jedoch die im Gesetzgebungsverfahren vorgenommene Kostenschätzung, bei der ein durchschnittlicher Entschädigungsbetrag von 10.000 Euro zugrunde gelegt wurde. Ausgehend hiervon wird die konkrete Höhe des Hinterbliebenengeldes im Einzelfall nach denselben Grundsätzen bestimmt, die bei der Bemessung eines Schmerzensgeldes, das wegen des Todes eines nahen Angehörigen zu zahlen ist, gelten.

Schmerzensgeld geht vor
Es ist aber zu berücksichtigen, dass das Hinterbliebenengeld gegenüber einem Anspruch auf Schmerzensgeld nachrangig ist und die Fälle abdeckt, in denen die Trauer und das seelische Leid bei dem Hinterbliebenen nicht zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung – wie sie Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schmerzensgeldes ist – geführt haben. Das Hinterbliebenengeld wird daher im Regelfall nicht die Höhe eines Schmerzensgeldes erreichen.

Quelle: OLG Koblenz, Beschluss vom 31.8.2020, 12 U 870/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Viele Menschen warten nach der fortdauernden Schließung im Friseurhandwerk darauf, dass sie ab dem 1. März 2021 endlich wieder einen akkuraten Haarschnitt erhalten dürfen. Neid auf Vierbeiner könnte die folgende Entscheidung auslösen: Die Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Hundefriseurin in einem Hundesalon ist nicht durch die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7.1.2021 verboten. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster jetzt festgestellt.

Mit dem Beschluss hat das Gericht dem Eilantrag einer Hundefriseurin aus Emsdetten stattgegeben. Die Stadt Emsdetten hatte der Antragstellerin am 17.12.2020 auf Anfrage mitgeteilt, nach den Regelungen des neuerlichen Lockdowns, nach denen das öffentliche Leben bis auf die Versorgung mit Lebensmitteln und wichtigen Gütern des täglichen Bedarfs praktisch komplett herunterzufahren sei, sei der Hundefriseursalon der Antragstellerin vorläufig bis zum 10.1.2021 zu schließen. Hiergegen hatte sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das VG gewandt.

Das Gericht gab dem Antrag nun mit der Begründung statt: Die Coronaschutzverordnung – auch in der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung vom 7.1.2021 – verbiete die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin nicht. Hiernach seien Dienstleistungen und Handwerksleistungen untersagt, bei denen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden nicht eingehalten werden könne, insbesondere Friseurdienstleistung, Gesichtsbehandlung, Kosmetik, Nagelpflege, Maniküre, Massage, Tätowieren und Piercen. Im Übrigen blieben Einrichtungen des Handwerks und des Dienstleistungsgewerbes geöffnet, z. B. Reinigungen, Waschsalons, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten und Autovermietung. Die Antragstellerin biete als Hundefriseurin Dienst- bzw. Handwerksleistungen an. Der Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden werde nach deren Angaben eingehalten. Danach werde der Hund des Kunden unter Wahrung eines Abstands von 1,5 Metern an der Tür in Empfang genommen und das Entgelt in einer vor dem Haus auf einer Bank liegenden Dose deponiert, wobei sich einzelne Kunden nicht begegneten.

Soweit in der Coronaschutzverordnung exemplarisch aufgeführt sei, dass Friseurdienstleistungen untersagt seien, beziehe sich dies allein auf Friseurdienstleistungen, die an Menschen erbracht würden. Dies werde durch den Vergleich zu den ebenfalls aufgeführten Beispielen in der Verordnung bestätigt, wonach z. B. Kfz- und Fahrradwerkstätten geöffnet blieben. Auch hier komme es notwendigerweise zu einem Kontakt zwischen Dienstleister bzw. Handwerker und Kunde, wobei aber bei der Übergabe der zu reparierenden Sache die Unterschreitung eines Abstands von 1,5 Metern zur Erfüllung der Dienstleistung nicht erforderlich sei. Ebenso verhalte es sich bei der Übergabe eines Hundes zu Zwecken des Frisierens und Krallenschneidens.

Quelle: VG Münster, Beschluss vom 11.1.2021, 5 L 7/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Revision einer Ärztin verworfen, die auf ihrer Website nicht nur darüber informiert hatte, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt würden, sondern auch ausführliche Informationen über das „Wie“ veröffentlicht hatte. Damit könne sie sich nicht auf eine an sich mögliche Ausnahme von der Strafbarkeit berufen.

Die Angeklagte betreibt in Gießen eine Arztpraxis. Sie führt dort Schwangerschaftsabbrüche durch. Über ihre Tätigkeit informiert sie auf ihrer Website. Im November 2017 ist sie vom Amtsgericht (AG) Gießen wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das LG Gießen verwarf ihre Berufung gegen dieses Urteil. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung unter Hinweis auf die inzwischen geänderte Gesetzeslage. Das LG hat daraufhin das angefochtene Urteil geändert und die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 100 EUR verurteilt. Das Urteil enthält umfangreiche Feststellungen zum Internetauftritt der Angeklagten.

Das OLG hat die hiergegen eingelegte Revision der Angeklagten verworfen. Die Angeklagte habe auf ihrer Website über eine eigene Schaltfläche offeriert, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und die hierfür verwendeten Methoden sowie den konkreten Ablauf erläutert. Dies erfülle objektiv die Voraussetzungen des Anbietens von Diensten zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise anzunehmende Straffreiheit lägen hier nicht vor.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.12.2020, 1 Ss 96/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Vermieter kann das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung hat. Doch wann liegt ein solches Interesse vor? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun klargestellt: Ein solches Interesse liegt etwa dann vor, wenn der Mieter Mit-Mieter beleidigt („Du Arschloch“) und bedroht.

Eine Abmahnung ist keine Voraussetzung für die Kündigung, kann aber eine gewisse Rolle spielen, etwa wenn sich der Mieter über den Inhalt der Abmahnung hinwegsetzt. Schließlich hält der BGH fest: Eine Abmahnung ist lediglich ein einzelner Gesichtspunkt bei der umfassenden Prüfung, ob eine schuldhafte, erhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorliegt. Auch das Verhalten von Besuchern des Mieters kann in diesem Zusammenhang Relevanz erlangen.

Quelle: BGH, Beschluss vom 25.8.20, VIII ZR 59/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht