Frauen muslimischen Glaubens haben keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kfz mit einem Gesichtsschleier (Niqab). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin bestätigt.

Antrag auf Ausnahmegenehmigung

Die Klägerin hatte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung damit begründet, dass sie sich gemäß ihrem Glauben außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Da sie im Auto den Blicken fremder Menschen ausgesetzt sei, müsse es ihr erlaubt wer-den, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Das VG hatte die Klage abgewiesen.

Berufung nicht zugelassen

Das OVG hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Mit ihren Einwendungen hat die Klägerin es nicht vermocht, ernstliche Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des VG zu wecken oder Verfahrensfehler offenzulegen.

Keine wesentliche Einschränkung der Religionsfreiheit

Die Annahme des VG, dass das Tragen einer Gesichtsverschleierung während des Autofahrens für die Religionsausübung typischerweise keine wesentliche Einschränkung bedeutet und angesichts der zeitlich und örtlich eingeschränkten Wirkung des Verbots hinzunehmen ist, konnte sie nicht durchgreifend in Frage stellen.

Dasselbe gilt für die Annahme des VG, dass das der zuständigen Behörde bei der Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt wurde, weil der Eingriff zur Sicherstellung der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung gerechtfertigt ist.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2025, OVG 1 N 17/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ist bei US-Importfahrzeugen das Erstzulassungsdatum unbekannt, darf die Zulassungsstelle den 1. Juli des Baujahrs als Datum der Erstzulassung in die Fahrzeugpapiere eintragen. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden.

Herstellungsmonat blieb in den Fahrzeugpapieren unerwähnt

Die Klägerin, ein Autohaus aus Essen, hat sich auf den Import gebrauchter Sportwagen aus US-Produktion spezialisiert. Sie klagte, weil die Zulassungsstelle in die Fahrzeugpapiere nicht das von dem Sachverständigen in seinem Gutachten zur Zulassung des Fahrzeugs angenommene Datum der Erstzulassung eingetragen hat, sondern den 1. Juli des Baujahrs. Dieses war das Vorjahr des gutachterlich angenommenen Zulassungsjahrs. Lediglich unter „Bemerkungen“ in den Zulassungsbescheinigungen ist der Herstellungsmonat des Fahrzeugs erwähnt, der zeitlich nach dem 1. Juli im Baujahr liegt.

Zulassungsstelle durfte von Einschätzung des Sachverständigen abweichen

Das VG wies die Klage ab. Die Zulassungsstelle durfte von der Einschätzung des Sachverständigen abweichen und auf die vom Kraftfahrtbundesamt in Abstimmung mit den Bundesländern herausgegebene Verwaltungsvorschrift „Leitfaden zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II“ abstellen. Der Leitfaden soll eine bundesweit gleichmäßige Zulassungspraxis sicherstellen. Danach trägt die Zulassungsstelle den 1. Juli des Baujahrs ein, wenn dieses bekannt ist, aber der Zeitpunkt der Erstzulassung nicht. Das Sachverständigengutachten für die Fahrzeugzulassung stellt die technische Beschreibung des Fahrzeugs fest. Das Erstzulassungsdatum ist kein Teil der technischen Beschreibung.

Zulassungsstelle hat sich an Leitfaden gehalten

Die Zulassungsstelle hat den Leitfaden bei Eintragung des fiktiven Zulassungsdatums rechtmäßig angewendet. Ist das Erstzulassungsdatum eines Importfahrzeugs unbekannt, ist das fiktive Datum nach den Vorgaben im Leitfaden einzutragen. Das Herstellungsdatum bietet keinen verlässlichen Anhaltspunkt für das Erstzulassungsdatum. Weltweit kommt es vor, dass Fahrzeuge zwischen Herstellung und Zulassung erhebliche Zeiträume im Lager des Herstellers oder des Händlers stehen.

Bei Annahme eines fiktiven Datums liegt es in der Natur der Sache, dass dieses Datum nur zufällig den tatsächlichen Tag der Zulassung treffen kann. In solchen Fällen grundsätzlich die Mitte des Baujahres als fiktives Erstzulassungsdatum zu Grunde zu legen, ist nicht zu beanstanden. Dies gewährleistet eine Gleichbehandlung in allen gleichgelagerten Sachverhalten. Zur Sicherung der verlässlich bundesweit einheitlichen Zulassungspraxis ist der Umstand hinzunehmen, dass das fiktive Datum unter Umständen in Einzelfällen aufgrund anderer Indizien als unwahrscheinlich oder sogar mit Sicherheit unzutreffend anzusehen ist.

Interessen des Autohauses treten zurück

Die zu erkennenden wirtschaftlichen Interessen der Klägerin an einem möglichst „späten“ Erstzulassungsdatum müssen hinter das mit der Verwaltungsvorschrift verfolgte Interesse der Allgemeinheit an einer rechtssicheren, gleichmäßigen und praktikablen Verwaltungspraxis zurücktreten. Die Klägerin kann Kunden, sofern ihnen der Umstand nicht ohnehin bekannt ist, auf den fiktiven Charakter des eingetragenen Erstzulassungsdatums hinweisen und dies erläutern. Hierzu kann sie auf die eingetragenen Bemerkungen der Zulassungsstelle zurückgreifen.

Nachweise über Erstzulassung doch noch nachgereicht

In zwei von drei Fällen, die Gegenstand der Klage waren, hat die Zulassungsstelle die Fahrzeugpapiere im Nachhinein problemlos geändert, als die Klägerin Nachweise über das tatsächliche Datum der Erstzulassung in den USA vorlegen konnte.

Quelle: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.6.2025, 14 K 120/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat die Stadt Marburg dazu verpflichtet, einer Studentin einen Bewohnerparkausweis zu erteilen, die ein in Tschechien zugelassenes Fahrzeug nutzt.

Kfz in Tschechien zugelassen

Die Klägerin wohnt in einem Bewohnerparkgebiet der Beklagten. Sie nutzt ein Kraftfahrzeug ihres Vaters, der tschechischer Staatsangehöriger ist und das Fahrzeug in Tschechien zugelassen hat. Im Frühjahr 2024 beantragte sie bei der Stadt Marburg, ihr einen Bewohnerparkausweises zu erteilen. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, dass sie Bewohnerparkausweise für Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung nicht erteilen könne. Im Rahmen des Klageverfahrens argumentierte die Stadt weiter, dass eine ausländische Zulassung gegen eine dauerhafte Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin spreche, weil ein im Ausland zugelassenes Kraftfahrzeug nur vorübergehend am Verkehr in Deutschland teilnehmen dürfe.

So entschied das Verwaltungsgericht

Das VG bejahte hingegen den Anspruch der Studentin auf einen Bewohnerparkausweis. Bei der Klägerin handele es sich um eine Anwohnerin, die das betroffene Fahrzeug nachweislich dauerhaft nutze.

Gegen eine dauerhafte Nutzung spreche insbesondere nicht, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischer Zulassung nur vorübergehend am Straßenverkehr in Deutschland teilnehmen dürfen. Es sei bereits nicht klar, ob das von der Klägerin genutzte Fahrzeug diese Voraussetzungen erfülle. Die Klägerin gab nämlich an, dass sie das Fahrzeug während der Semesterferien nicht in Deutschland nutze. Diese Prüfung obliege der Zulassungsbehörde, die je nach Einzelfall eine Untersagung des Betriebs im öffentlichen Straßenverkehr ohne deutsche Zulassung aussprechen könne.

Die Versagung eines Bewohnerparkausweises für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entspreche nicht dem Zweck der Vorschriften. Ein Bewohnerparkgebiet diene dem Anwohnerinteresse, in innerstädtischen Wohnstraßen eine Abstellmöglichkeit für ein (dauerhaft) genutztes Kraftfahrzeug zu finden.

Quelle: VG Gießen, Urteil vom 13.11.2024, 6 K 2830/24.GI

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine zu hohe Rechnung des Schadengutachters vorliegt, ist es jedenfalls für Laien nicht erkennbar, dass 734 Euro überhöht seien sollen, wenn der Versicherer selbst 614,01 Euro für richtig hält. So entschied es das Amtsgericht (AG) Münster.

Streit um die Höhe der Gutachtenkosten

Es ging um einen Verkehrsunfall, bei dem die Alleinhaftung des Beklagten für das streitgegenständliche Unfallereignis als Kfz-Haftpflichtversicherung zwischen den Parteien nicht in Streit stand. Streitig war allein die Höhe des Schadenersatzanspruchs.

Der Geschädigte soll nicht „zwischen den Stühlen sitzen“

Da Zahlung des Restbetrags an den Schadengutachter Zug um Zug gegen Abtretung des Vorteilsausgleichsanspruch beantragt wurde, hat das AG das sog. Sachverständigenrisiko problemlos angewendet: Es dürfe dem Beklagten zuzumuten sein – falls an der Einschätzung festgehalten wird, dass die vom Sachverständigenbüro abgerechneten Positionen teilweise gar nicht oder zumindest nicht in dieser Höhe hätten abgerechnet werden dürfen – aus abgetretenem Recht insoweit auf Rückerstattung dieser Positionen gegen das Sachverständigenbüro vorzugehen, so das AG. Der Geschädigte soll nicht „zwischen den Stühlen sitzen“.

Genau das ist der Weg, den der BGH bereits in einer älteren Entscheidung vorgesehen hat.

Quelle: AG Münster, Urteil vom 6.5.2025, 96 C 429/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis hat entschieden: Die Fahrerlaubnisbehörde darf im Einzelfall auf Grundlage der Fahrerlaubnis-Verordnung (hier: § 3 FeV) die Untersagung aussprechen, mit erlaubnisfreien Fahrzeugen – dazu zählen etwa Fahrräder und E-Scooter – am Straßenverkehr teilzunehmen.

Kläger mehrfach alkoholisiert im Straßenverkehr aufgegriffen

Der Kläger ist in der Vergangenheit mehrfach alkoholisiert im Straßenverkehr aufgefallen. Er ist nicht (mehr) im Besitz einer Fahrerlaubnis. Im Juli 2019 führte er ein erlaubnisfreies Fahrzeug (Mofa) bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,83 Promille, über das er wegen seiner Alkoholisierung die Kontrolle verlor. Daraufhin forderte die Fahrerlaubnisbehörde ihn auf, seine Fahreignung medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen („MPU“). Dem kam der Kläger nicht nach. Infolgedessen untersagte die Behörde ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.

Fahrerlaubnisverordnung zu unbestimmt?

Dagegen hat der Kläger unter Verweis auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte u. a. geltend gemacht, die Rechtsgrundlage, auf die sich die Untersagung stütze (§ 3 FeV), sei unwirksam. Sie sei zu unbestimmt bzw. unverhältnismäßig. Es sei – anders als für Kraftfahrzeuge – nicht klar geregelt, wann einer Person die Eignung fehle, mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilzunehmen. Insbesondere sei es unzulässig, das Führen eines Fahrrads ähnlich strengen Vorgaben zu unterwerfen wie das Führen eines Kraftfahrzeugs.

Oberverwaltungsgericht: Nein!

Das OVG hat demgegenüber ausgeführt, dass sich § 3 FeV jedenfalls für das streitgegenständliche, im Anschluss an eine Trunkenheitsfahrt mit einem erlaubnisfreien Fahrzeug bei einer BAK von 1,83 Promille ausgesprochene Verbot, solche Fahrzeuge zu führen, als hinreichend bestimmte und verhältnismäßige Regelung darstelle. Da der Kläger es unterlassen habe, sich begutachten zu lassen, habe die Fahrerlaubnisbehörde darauf schließen dürfen, dass ihm die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeugen fehle (§ 11 Abs. 8 FeV).

Potenzielle Gefährdung anderer hoch

Die Untersagungsverfügung stelle zwar einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Individualmobilität dar. Zudem sei angesichts der geringeren Masse und Höchstgeschwindigkeit erlaubnisfreier Fahrzeuge nicht von der Hand zu weisen, dass solche Fahrzeuge eine geringere Gefahrenquelle darstellten als erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge. Die Gefahr, die von ungeeigneten Führern erlaubnisfreier Fahrzeuge ausgehe, sei aber erheblich genug, um die dem Kläger gegenüber ergangene Anordnung, sich medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen, zu rechtfertigen. Denn andere Verkehrsteilnehmer könnten sich und Dritte erheblich gefährden, wenn sie wegen der unvorhersehbaren Fahrweise eines unter erheblichem Alkoholeinfluss fahrenden Mofa- oder Radfahrers zu riskanten und folgenschweren Ausweichmanövern verleitet würden.

Quelle: OVG Saarlouis, Urteil vom 23.5.2025, 1 A 176/23

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Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) für das Land Baden-Württemberg hat über drei Verfassungsbeschwerden gegen Verurteilungen in Verkehrs-Ordnungswidrigkeitenverfahren entschieden. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren. Ihnen war die Einsicht in bei der Bußgeldbehörde vorhandene Daten der Geschwindigkeitsmessung und Unterlagen des Messgeräts, die nicht Teil der Bußgeldakte waren, versagt worden. Der VerfGH hat die Entscheidungen aufgehoben und die Sache jeweils zur erneuten Entscheidung an die Ausgangsgerichte zurückverwiesen.

Das war geschehen

Den Beschwerdeführern wird vorgeworfen, als Kraftfahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Ihnen wurden deshalb zunächst mit Bußgeldbescheid und anschließend Urteil des Amtsgerichts (AG) Geldbußen zwischen 80 und 320 Euro zum Teil mit einmonatigem Fahrverbot auferlegt. Ihre dagegen beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos. Während des Bußgeldverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens begehrten die Beschwerdeführer wiederholt die Übermittlung von bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht bei der Bußgeldakte befindlichen Messdaten bzw. Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts. Eine Einsicht wurde ihnen nicht bzw. nur unvollständig gewährt.

Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs

Die Verfassungsbeschwerden sind, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens aufgrund der unterbliebenen Einsichtsgewährung in die begehrten Messdaten bzw. Wartungs- und Reparaturunterlagen rügen, zulässig und begründet. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits festgestellt hat, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen.

Recht auf faires Verfahren

Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen. Der Beschuldigte eines Strafverfahrens bzw. Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens hat neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Dadurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, weil er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind.

Die möglicherweise außerhalb der Verfahrensakte gefundenen entlastenden Informationen können von der Verteidigung zur fundierten Begründung eines Antrags auf Beiziehung vor Gericht dargelegt werden. Der Betroffene kann so das Gericht, das von sich aus diese Informationen nicht beizieht, auf dem Weg des Beweisantrags oder Beweisermittlungsantrags zur Heranziehung veranlassen.

Diesen Grundsätzen wurden die aufgehobenen Entscheidungen nicht gerecht.

Quelle: VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 27.1.2025, 1 VB 173/21, 1 VB 36/22, 1 VB 11/23, PM vom 29.1.2025

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Werden anlassbezogen mobile Verkehrsschilder aufgestellt, muss der Umfang der Verkehrssicherungspflicht in einem angemessenen Verhältnis zu deren Funktion stehen. Daher hat das Landgericht (LG) Hanau entschieden, dass die Stadt für die Beschädigung eines Fahrzeugs, das über den auf die Fahrbahn gelangten Beschwerungsblock eines von ihr aufgestellten mobilen Verkehrsschilds fährt, nicht haftet.

Aufgrund eines Karnevalsumzugs stellte die beklagte Stadt mobile Halteverbotsschilder auf. Der Kläger machte Schäden an seinem Fahrzeug geltend, die nach Veranstaltungsende durch das Überfahren eines am Fahrbahnrand liegenden Beschwerungsfußes eines dieser Schilder entstanden seien. Die Schilder hätten nach Veranstaltungsende wieder entfernt werden sollen, damit sie nicht auf die Fahrbahn geraten.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Weil das Schild bzw. dessen Beschwerungsblock nicht von der Beklagten selbst in den Straßenraum verbracht wurde, würde die Stadt nur haften, wenn sie eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall.

Der Verkehrssicherungspflichtige muss zwar erkennbaren Gefahren entgegenwirken, es können jedoch nicht alle erdenklichen Möglichkeiten einer Gefährdung Dritter ausgeschlossen werden. Zudem sind nur zumutbare Vorkehrungen zu treffen. Dass die für die Schilder verwendeten Betonblöcke mit einem Gewicht von 28 kg von selbst auf die Straße gelangen oder durch Dritte dorthin verbracht werden, ist zwar möglich, aber – wenn auch vorliegend geschehen – insgesamt wenig wahrscheinlich, zumal diese bei Einhaltung der an dem Unfallort vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h erkannt werden können. Demgegenüber müssen mobile Verkehrsschilder mit vertretbarem Aufwand transportiert werden können, um ihre Funktion zu erfüllen. Auch eine ständige Bewachung bis zum Abtransport sei nicht geboten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: LG Hanau, Urteil vom 4.12.2024, 2 S 25/24, PM vom 17.2.2025

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Eine Frau muslimischen Glaubens ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Klage gescheitert, mit der sie eine Ausnahmegenehmigung für das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem Gesichtsschleier erstreiten wollte.

Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Personen, die ein Kraftfahrzeug führen, ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass sie nicht mehr erkennbar sind (Verhüllungsverbot). Die Klägerin hatte geltend gemacht, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe. Auch im Auto sei sie den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Daher müsse ihr erlaubt werden, beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts unter Aussparung der Augenpartie zu verschleiern. Ihren Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung hatte das Land Berlin abgelehnt. Dagegen richtete sich die Klage.

Das VG hat die Klage abgewiesen. Eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin auch mit Blick auf ihre grundrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht beanspruchen. Diese müsse nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen hinter anderen Verfassungsgütern zurücktreten. Das Verhüllungsverbot gewährleiste eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche, etwa im Rahmen von automatisierten Verkehrskontrollen. Es diene zudem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter, weil Kraftfahrzeugführer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, sich eher verkehrsgerecht verhalten würden als nicht ermittelbare Autofahrer.

Demgegenüber wiege der Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin weniger schwer. Ein gleich wirksames, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundenes Mittel zur Erreichung der mit dem Verhüllungsverbot verfolgten Zwecke stehe nicht zur Verfügung. So könne etwa eine Fahrtenbuchauflage nur dem Halter eines Fahrzeugs auferlegt werden; die Klägerin begehre jedoch eine Ausnahme in ihrer Eigenschaft als Führerin eines Fahrzeugs. Gleichermaßen ungeeignet erscheine der Vorschlag der Klägerin, einen Niqab mit einem „einzigartigen, fälschungssicheren QR-Code“ zu versehen und die Ausnahme vom Verhüllungsverbot mit einer solchen Auflage zu verbinden. Denn dadurch sei nicht sichergestellt, dass die Person, die den Niqab trage, auch tatsächlich die Person sei, für die der QR-Code kreiert wurde.

Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Quelle: VG Berlin, Urteil vom 27.1.2025, VG 11 K 61/24

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Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h liegenden Tempo fährt, muss seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Navigationssystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden.

Konzentrieren und Gerätebedienen ist gefährlich

Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw. Der Fahrer war auf der Autobahn verunfallt und hatte den Wagen beschädigt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bei Tempo 200, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.

Mietvertrag sah Kürzung der Haftungsfreistellung vor

Das Gericht verwies auf die Vereinbarung im Mietvertrag. Danach könne die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Der Fahrer habe hier grob fahrlässig gehandelt. Die Autovermieterin könne daher die Hälfte des Schadens – ca. 12.000 Euro – bei ihm geltend machen.

Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.

Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, 13 U 1296/17

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen, z. B. Sachverständigengutachten, sind in der Regel nicht notwendig und werden daher nicht erstattet. Das ist der Grundsatz, von dem die Rechtsprechung ausgeht. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme – wie eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Senftenberg anschaulich zeigt.

Schwierige technische Fragestellungen

Ausnahmsweise werden nach dieser Entscheidung die Kosten z. B. für das Einholen eines privaten Sachverständigengutachtens unter anderem als notwendige Kosten anerkannt, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind. Gleiches gilt, wenn aus Sicht des Betroffenen aus einer Anfangsbetrachtung ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.

Amtsgericht hält Kosten ausnahmsweise für erstattungsfähig

Diese Grundsätze hat das AG in seiner Entscheidung bestätigt. Es hat die Kosten für ein Sachverständigengutachten, mit dem die Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung überprüft worden sind, daher als erstattungsfähig angesehen.

Quelle: AG Senftenberg, Urteil vom 28.2.2024, 50 OWi 1617 Js 22408/22

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