Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Frage entschieden, ob eine Platz-/Reservierungsgebühr, die einem privatversicherten Pflegebedürftigen für die Zeit vor dem tatsächlichen Einzug in das Pflegeheim berechnet wurde, zurückerstattet werden muss. Er hat dies bejaht.

Das war geschehen
Für die inzwischen verstorbene Mutter des Klägers bestand eine private Pflegepflichtversicherung. Sie war ab dem 4.1.2016 pflegebedürftig und wurde zunächst in einem anderen Alten- und Pflegeheim vollstationär untergebracht. In der Folgezeit schlossen der Kläger als Vertreter seiner Mutter und die Beklagte als Einrichtungsträgerin am 12.2.2016 einen schriftlichen „Vertrag für vollstationäre Pflegeeinrichtungen“ mit Wirkung zum 15.2.2016. Der Einzug der Bewohnerin in das Pflegeheim der Beklagten erfolgte am 29.2.2016.

Der Pflegevertrag sieht vor, dass die (künftige) Bewohnerin vom Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin eine Platzgebühr in Höhe von 75 Prozent der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie des Umlagebetrags nach der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung (AltPflAusglVO) zu entrichten hat. Dementsprechend stellte die Beklagte der Mutter des Klägers am 22.3.2016 für die Reservierung eines Zimmers in ihrem Pflegeheim im Zeitraum vom 15. bis 28.2.2016 eine Platzgebühr in Höhe von über 1.100 Euro in Rechnung. Der Kläger bezahlte zunächst den Betrag. 2018 forderte er die Beklagte erfolglos auf, ihn zurückzuzahlen.

Der Kläger hat geltend gemacht, es habe erst ab dem tatsächlichen Einzug seiner Mutter in das Pflegeheim eine Vergütungspflicht bestanden. Abweichende Vereinbarungen seien unwirksam.

Prozessverlauf
Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, den geforderten Betrag nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil dahingehend geändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 209,30 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt worden ist.

So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH hat auf die Revision des Klägers das Urteil des LG aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Denn die Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr ist mit geltendem Recht unvereinbar und daher unwirksam.

Er betont: Es ist insbesondere unzulässig, eine Platz- oder Reservierungsgebühr auf der Basis des vertraglichen Leistungsentgelts – gegebenenfalls vermindert um pauschalierte ersparte Aufwendungen – für die Zeit vor der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim bis zum tatsächlichen Einzugstermin vertraglich festzulegen. Dies widerspräche nicht nur dem Prinzip der Abrechnung der tatsächlichen Leistungserbringung auf Tagesbasis, sondern begründete auch die (naheliegende) Gefahr, dass Leerstände im Anschluss an einen Auszug oder das Versterben eines Heimbewohners doppelt berücksichtigt würden, nämlich zum einen über die in die Pflegesätze eingeflossene Auslastungskalkulation und/oder etwaige Wagnis- und Risikozuschläge und zum anderen über die zusätzliche Inrechnungstellung eines Leistungsentgelts ohne tatsächliche Leistungserbringung gegenüber einem zukünftigen Heimbewohner.

Die Beklagte ist daher verpflichtet, weitere 918,54 Euro zurückzuerstatten. Der BGH konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, weil Feststellungen dazu nachzuholen sind, ob der Kläger für den geltend gemachten Anspruch berechtigt ist, den Prozess für seine Mutter zu führen.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.7.2021, III ZR 225/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Viele Sportbegeisterte kennen das: Während der Corona-Pandemie mussten Fitnessstudios zeitweise schließen. Doch sie zogen häufig die Mitgliedsbeiträge einfach weiter ein. War das korrekt? Oder muss der Studiobetreiber die Beiträge erstatten? Das hat nun das Landgericht (LG) Osnabrück geklärt.

Sachverhalt
Der Kläger hatte mit dem beklagten Fitnessstudio einen Mitgliedsvertrag über 24 Monate geschlossen. Aufgrund behördlicher Anordnung schloss das Studio (Beklagte) vom 16.3.2020 bis zum 4.6.2020. Noch während der Schließung kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft zum 8.12.2021.

Keine Studionutzung, aber Beträge wurden abgebucht
Ärgerlich: Die Mitgliedsbeiträge zog der Studiobetreiber auch für den Zeitraum weiter ein, in dem er geschlossen hatte. Obwohl der Kläger ihn aufforderte, die Beiträge für den Schließungszeitraum zu erstatten, geschah nichts.

Erste und zweite Instanz: Gelder sind zurückzuzahlen
Das Amtsgericht (AG) Papenburg gab dem Kläger Recht. Es verurteilte das Fitnessstudio, die Beträge zurückzuzahlen. Dagegen legte das Fitnessstudio Berufung ein. Denn die von ihm geschuldete Leistung – Zurverfügungstellung des Studios – könne es jederzeit nachholen. Der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass sich die Vertragslaufzeit um die behördlich angeordnete Schließungszeit verlängere.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg: Das Fitnessstudio muss dem Kläger die Beträge erstatten.

Leistung kann nicht nachgeholt werden
Dem Fitnessstudio sei die geschuldete Leistung aufgrund der Schließung unmöglich geworden, sodass sein Anspruch auf die Monatsbeträge für den Zeitraum der Schließung entfalle. Die geschuldete Leistung könne nicht nachgeholt werden.

Ein Anspruch auf Anpassen des Vertrags bestehe nicht: Der Schließungszeitraum kann nicht an das Ende der Vertragslaufzeit (kostenfrei) angehängt werden.

Beachten Sie Der Gesetzgeber sieht für Miet- und Pachtverhältnisse ausdrücklich eine Anpassung der Verträge für die Zeit der Corona-bedingten Schließung vor. Für Freizeiteinrichtungen sei eine solche Regelung dagegen nicht getroffen worden. Vielmehr sei lediglich eine sog. Gutscheinlösung vorgesehen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist zugelassen.

Quelle: LG Osnabrück, Urteil vom 9.7.2021, 2 S 35/21, PM 29/21 vom 12.7.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Der Kunde einer Partnervermittlungsagentur verliert sein Widerrufsrecht nicht dadurch, dass diese die geschuldete Anzahl von Partnervorschlägen zusammenstellt, ohne sie dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch wenn allein dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als „Hauptleistung“ bestimmt ist. Zudem ist der Wertersatzanspruch der Partnervermittlungsagentur nach dem Widerruf, von Ausnahmen abgesehen, zeitanteilig zu berechnen.

Was war geschehen?
Die Klägerin schloss in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Agentur einen Partnervermittlungsvertrag. In den Vertragsunterlagen war u. a. bestimmt, dass die Beklagte als „Hauptleistung“ 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 Prozent und auf die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten“ 10 Prozent des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar in Höhe von 8.330 Euro. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Klägerin „kündigte“ daraufhin nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben.

Landgericht und Oberlandesgericht uneins
Das Landgericht (LG) hat die auf Rückzahlung des o. g. Betrags gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) die Beklagte hingegen zur Rückzahlung verurteilt. Von der Klageforderung seien aber 1.191 Euro abzuziehen, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge erhalten habe und der Beklagten daher Wertersatz in dieser Höhe schulde.

So sieht es der Bundesgerichtshof
Der BGH hat die gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung von 7.139 Euro gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin kann den Großteil des an die Beklagte geleisteten Betrags zurückverlangen.

Im Fall des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Parteien hatten einen widerruflichen Verbrauchervertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf war wirksam.

Das Widerrufsrecht der Klägerin war nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass sie jedenfalls ihre Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte. Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grad ankam, also was sie unter allen Umständen erlangen wollte.

Hier hatte die Beklagte ihre Leistung nicht vollständig erbracht. Die Erstellung des Partnerdepots war nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht der Beklagten. Vielmehr ist für den Kunden der Beklagten allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus ist der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

Für ein anderes Verständnis kann sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, nach denen die „Hauptleistung“ (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung ist unwirksam. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann der Vertragsgegenstand nicht verändert werden.

Europäisches Recht
Nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8.10.2020 ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergibt sich hier kein Anspruch der Beklagten, der 1.191 EUR übersteigt. Eine Ausnahme von einer zeitanteiligen Berechnung gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.

Quelle: BGH, Urteil vom 6.5.2021, III ZR 169/20, PM Nr. 92/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Lebensmittelrechtliche Kontrollberichte dürfen nach mehreren Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin auf Antrag an Verbraucherinnen und Verbraucher herausgegeben werden.

Sachverhalt
Die Antragsteller sind Restaurantbetreiber, die sich gegen die Herausgabe von Informationen wehren. Mehrere Verbraucher erfragten über eine Onlineplattform bei Berliner Bezirksämtern, wann in den Restaurants der Antragsteller jeweils die letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen stattgefunden hätten und beantragten, falls es hierbei zu Beanstandungen gekommen sei, die entsprechenden Kontrollberichte herauszugeben. Die Bezirksämter gaben dem Informationsersuchen der Beigeladenen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) statt. Hiergegen wandten sich die Antragsteller u.a. mit der Begründung, die Verbraucher beabsichtigten, die Informationen im Internet zu veröffentlichen.

Verwaltungsgericht bestätigt Auskunftsanspruch
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Nach der im Eilverfahren nur summarischen Prüfung erweise sich die Herausgabe von Informationen an Verbraucher über lebensmittelrechtliche Betriebskontrollen, bei denen Beanstandungen festgestellt worden seien, als rechtmäßig. Die Anfragenden hätten nach Maßgabe des VIG Anspruch auf freien Zugang zu den dort näher bezeichneten Informationen. Dazu gehörten auch die behördlichen Kontrollberichte, soweit diese Daten über nicht zulässige Abweichungen von bestimmten (lebensmittel-)rechtlichen Anforderungen enthielten.

Keine Ausschlussgründe
Der Auskunftsanspruch scheitere auch nicht an der fehlenden Aktualität der Kontrollberichte, weil das VIG insoweit eine Grenze erst bei mehr als fünf Jahre zurückliegenden Vorgängen ziehe. Ausschlussgründe für die Herausgabe der Kontrollberichte ergäben sich ferner nicht aus dem Schutz personenbezogener Daten oder dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Antragsteller.

Verbraucherschutz geht vor
Die aus der Weitergabe der Informationen resultierenden Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragsteller (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) seien durch legitime Zwecke des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Zur Erreichung dieser Zwecke sei die Informationsgewährung geeignet, erforderlich und selbst dann nicht als unverhältnismäßig anzusehen, wenn mit einer Veröffentlichung der Informationen im Internet gerechnet werden müsse. Die kampagnenartige Weiterverbreitung solcher Informationen sei vielmehr im VIG angelegt und nicht missbräuchlich. Etwaige Ansprüche der Antragsteller auf Ergänzung oder spätere Löschung veröffentlichter Informationen seien im Zivilrechtsweg zu verfolgen.

Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg erhoben werden.

Quelle: VG Berlin, Beschlüsse vom 11.3.2021, VG 14 L 600/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Auch wenn an eine Invaliditätsbescheinigung in der privaten Unfallversicherung keine hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt es nicht, wenn sie nur die Invalidität als solche bescheinigt, aber keine Feststellung enthält, ob das Unfallereignis hierfür (mit-)ursächlich gewesen ist. Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Sachverhalt
Im Fall des OLG war die Versicherungsnehmerin im Oktober 2015 über eine Gehwegkante gestolpert. Dabei hatte sie sich das Knie verdreht. Sie trägt vor, dass dadurch ein Riss im Innenmeniskus entstanden sei. Folge sei eine Teilinvalidität.

Mit Schreiben vom 24.8.16 meldete die Versicherungsnehmerin Ansprüche beim Versicherer an. Dieser trat in die Schadensbearbeitung ein und bat mit Schreiben vom 1.9.16 darum, ein Unfallberichtformular zu vervollständigen. Die Versicherungsnehmerin schickte dieses ausgefüllt am 24.1.17 zurück. Ein im Auftrag des Versicherers erstelltes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass keine traumatisch bedingte Funktionsbeeinträchtigung des rechten Knies vorliege. Er lehnte daraufhin eine Eintrittspflicht ab. Er berief sich zudem darauf, dass binnen 15 Monaten nach dem Unfallereignis keine fristgerechte, inhaltlich ausreichende Invaliditätsfeststellung vorgelegt worden sei.

Gerichte im Sinne des Versicherungsunternehmens
Die Klage der Versicherungsnehmerin blieb vor dem Landgericht (LG) und dem OLG erfolglos. Das Gutachten des Versicherers sei erst nach Ablauf der Frist erstellt worden. Zudem habe es eine unfallbedingte Invalidität nicht bestätigt.

Verspätete Invaliditätsbescheinigung
Die Berufung auf eine verspätete Vorlage einer Invaliditätsbescheinigung ist nicht allein deswegen als treuwidrig anzusehen, weil der Versicherer nach Fristablauf in die Prüfung seiner Einstandspflicht eingetreten war. Er könne sich nämlich auf die Frist in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen. Er habe auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hingewiesen. In dem Unfallbericht werde vor der Unterschriftenzeile darauf hingewiesen, dass der Anspruch erst dann bestehe, wenn die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt wurde. Ebenso habe er darauf hingewiesen, dass bei Fristversäumnis kein Anspruch auf Invaliditätsleistung bestehe. Dieses Formblatt ist der Versicherungsnehmerin am 1.9.16 zugesandt worden. An die Beantwortung des Schreibens hat der Versicherer mehrfach erinnert. Die Versicherungsnehmerin war damit ausreichend auf den Fristlauf und die Folgen der Fristversäumnis hingewiesen worden.

Formerfordernis erfüllt
Die Belehrung über die vertragliche Ausschlussfrist für die Vorlage dieser Bescheinigung kann auch auf dem Schadensantragsformular erfolgen. Es ist nicht erforderlich, dass der Hinweis bei dem Versicherungsnehmer verbleibt.

Quelle: OLG Dresden, Beschluss vom 5.1.2021, 4 U 1586/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine unangekündigte oder ohne Einwilligung durchgeführte Haustürwerbung ist nur als unzumutbare Belästigung zu qualifizieren und damit nach dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beanstanden, wenn aufgrund besonderer Umstände die Gefahr einer untragbaren oder sonst wettbewerbswidrigen Belästigung und Beunruhigung des privaten Lebensbereichs gegeben ist. So hat es jetzt das Kammergericht (KG) Berlin entschieden.

Das KG hat damit an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und vor allem im Hinblick auf die gegenüber Verbrauchern durchgeführte Zahl von Haustürbesuchen keinen Anlass gesehen, anders als bisher zu entscheiden. Auch Europarecht führe nicht dazu, dass unangekündigte Haustürbesuche in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich unzulässig sind.

Quelle: KG Berlin, Urteil vom 1.12.2020, 5 U 26/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Landgericht (LG) Oldenburg hat einer 81-jährigen Rentnerin Ansprüche auf Schadenersatz- und Schmerzensgeld gegen die Betreiberin eines Bahnhofs aufgrund eines Unfalls mit einer automatischen Schiebetür zugesprochen. Durch das Schließen der Tür stürzte die Klägerin und erlitt eine Schenkelhalsfraktur, welche ärztlich behandelt werden musste.

Verkehrssicherungspflicht der Bahnhofsbetreiberin
Die Bahnhofsbetreiberin als Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie im Eingangsbereich des Bahnhofs eine automatische Schiebetür betrieben habe, die ihren Schließvorgang fortsetzte, obwohl sich eine Person im unmittelbaren Schließ- und damit Gefahrenbereich befand. Überdies schließe die automatische Tür mit einer derartigen Kraft bzw. Geschwindigkeit, dass zumindest ältere Menschen davon zu Fall gebracht werden können.

Das LG stellte fest: Der Sturz sei darauf zurückzuführen, dass der Bewegungsmelder die Klägerin, die in einem sehr spitzen Winkel auf die Tür zugelaufen sei, nicht erfasst habe. Hierdurch habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn in einem derart hoch frequentierten Bereich einer Bahnhofshalle sei stets damit zu rechnen, dass eine Tür von allen Seiten und Winkeln durchschritten werde. Auch sei damit zu rechnen, dass ein Durchschreiten der Tür bei verschiedenen Personen in allen Altersklassen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten erfolge. Dass eine Tür trotzdem schließe, obwohl sich eine Person zwischen den Türflügeln befindet, schaffe eine Gefahr, die ohne Weiteres durch die Beklagte hätte verhindert werden können. Selbst wenn Bewegungsmelder den spitzen Winkel, in dem die Klägerin auf die Tür zugelaufen ist, nicht erfassen (können), hätte die Beklagte den Eingangsbereich baulich so gestalten müssen, dass ein Zulaufen auf die Tür aus einem spitzen Winkel nicht möglich gewesen wäre. Eine solche bauliche Veränderung zu schaffen, wäre für einen umsichtigen und vorsichtigen Betreiber der Automatiktür ohne Weiteres zumutbar gewesen und hätte den Sicherheitsgrad so erhöht, dass auch der konkrete Unfall vermieden worden wäre.

Darüber hinaus stellte das LG fest, dass die Tür im zu entscheidenden Fall zu kraftvoll schloss. Hierzu führte sie aus, dass eine Tür so konstruiert sein muss, dass Personen jeden Alters bei „normalem“ Durchschreiten der Tür nicht umgestoßen werden. Die Klägerin sei durch den Schließvorgang der Tür so kraftvoll getroffen worden, dass sie unvermittelt auf die Seite stürzte.

Mitverschulden der Klägerin
Die Klägerin musste sich jedoch nach Auffassung der Kammer ein Mitverschulden von 30 Prozent anrechnen lassen. Insoweit ging die Kammer insbesondere von Folgendem aus: Hätte die Klägerin ihre Geschwindigkeit vor Betreten des Eingangsbereiches der Bahnhofshalle reduziert und/oder ein genaues Augenmerk auf die Automatiktür geworfen, wäre ihr aufgefallen, dass sich die Tür bereits im Schließvorgang befunden hatte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: LG Oldenburg, Urteil vom 23.2.2021, 4 O 2137/20, PM vom 3.3.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

In fast jedem zweiten Haushalt wird mindestens ein Haustier gehalten. Daher hat es große praktische Bedeutung, was jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden hat: Eine Tierbetreuung kann danach nämlich bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens zu Buche schlagen.

Der zum Versorgen eines Haustieres erforderliche Zeitaufwand ist grundsätzlich erstattungsfähig, so die Grundaussage des OLG. Eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) fehlt hierzu allerdings noch.

Doch Vorsicht: Es erscheint angebracht, so das OLG Celle, nicht den gesamten erforderlichen Aufwand zu berücksichtigen, sondern einen Abschlag vorzunehmen für die allgemeine Lebensfreude, die mit der Haltung von Haustieren einhergeht.

Hier war es so, dass die Klägerin unfallbedingt monatelang daran gehindert war, den Familienhund auszuführen. Allerdings gab es einen 730 qm großen Garten, in dem der Hund frei laufen konnte, und es waren auch noch der Ehemann, wenngleich schwerbehindert und nur am Wochenende zu Hause, sowie eine Tochter als Tierbetreuer vorhanden. Es kommt also auch immer auf den individuellen Fall an.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 16.12.2020, 14 U 108/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer trotz durchgeführter Reparatur fiktiv abrechnen möchte, muss die tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten nicht offenlegen. Das bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) München.

Der Versicherer hatte eine „Fantasiezahl“ (5.000 Euro statt rund 9.400 Euro laut Sachverständigengutachten) in den Raum gestellt und entsprechend abgerechnet. So wollte er den Geschädigten dazu zwingen, die aufgewendeten Kosten offenzulegen. Das ist ihm nicht gelungen. Denn müsste der Versicherer lediglich irgendeinen Betrag in den Raum stellen, um den Kläger im praktischen Ergebnis zur Vorlage der Reparaturkostenrechnung zu zwingen, sei dies mit der Wahlmöglichkeit des Geschädigten zwischen einer Abrechnung auf der Grundlage tatsächlicher oder fiktiver Reparaturkosten unvereinbar, so das OLG.

Quelle: OLG München, Urteil vom 17.12.2020, 24 U 4397/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Landgericht (LG) Frankfurt a.M. hat entschieden: Die obligatorische Angabe von „Herr“ oder „Frau“ kann eine nicht-binäre Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen.

Die Beklagte ist die Vertriebstochter eines Eisenbahnkonzerns. Bucht der Kunde eine Fahrkarte über das Internet, muss er die Anrede „Herr“ oder „Frau“ wählen. Auch die Registrierung erfordert die Festlegung als „Herr“ oder „Frau“. Die klagende Person wurde nach dem Kauf einer Rabattkarte in einer Rechnung als „Herr“ angesprochen.

Das LG: Die klagende Person kann von der Beklagten verlangen, nicht zwingend die Anrede „Herr“ oder „Frau“ angeben zu müssen, wenn sie deren Angebote nutzt. Es muss die Wahl einer geschlechtsneutralen Anrede bestehen. Auch in der Kommunikation und bei der Speicherung der Daten ist eine Bezeichnung als „Herr“ oder „Frau“ zu unterlassen. Durch die notwendige Festlegung als „Herr“ oder „Frau“ wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der klagenden Person verletzt. Dieses Recht schützt auch die geschlechtliche Identität. Für das Auftreten in einer bestimmten Geschlechtsidentität ist nach allgemeinem Verständnis die Anredeform bedeutsam. Um die Dienstleistungen der Beklagten zu nutzen, ist das Geschlecht des Kunden irrelevant. Sie kann eine andere Grußformel schaffen, etwa „Guten Tag“, oder auf eine geschlechtsspezifische Anrede verzichten.

Quelle: LG Frankfurt a. M., Urteil vom 3.12.20, 2-13 O 131/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl