Beleidigt ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunkler Hautfarbe in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen durch den Ausstoß von Affenlauten wie „Ugah Ugah“, so kann dies ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein.

Das musste sich der betroffene Arbeitnehmer vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln sagen lassen. Die Richter führten dazu weiter aus: Eine Beharrlichkeit des Pflichtverstoßes und damit eine nachhaltig negative Verhaltensprognose sei insbesondere dann begründet, wenn nach Einschaltung der AGG-Beschwerdestelle der Beleidigende in der Anhörung durch den Arbeitgeber uneinsichtig äußert, sein Verhalten habe „der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre“ gedient und gehöre zum „gepflegten Umgang“.

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 6.6.2019, 4 Sa 18/19, Abruf-Nr. 212031 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Trägt ein Mietinteressent hinreichende Indizien dafür vor, dass die mehrfachen Absagen für Wohnungsbesichtigungen offensichtlich aufgrund seines türkisch klingenden Namens erfolgten, muss der Vermieter beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen haben.

So entschied es das Amtsgericht Charlottenburg. Der Mieter kann sich für die Sammlung von Indizien des sog. Testing-Verfahrens bedienen, d. h., er kann nach der Absage eine erneute Anfrage unter anderem Namen starten. Gelingt dem Vermieter der ihm obliegende Beweis nicht, liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft vor.

Etwas anderes kann gelten, wenn der Rechtfertigungsgrund gemäß § 19 Abs. 3 AGG gegeben ist: Danach ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf das Schaffen und Erhalten sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig. Es bestehen aber Zweifel an der Europarechtskonformität dieser Norm, sodass sie bereits das AG Hamburg-Barmbek (3.2.17, 811b C 273/15) nur anwendet, wenn es sich bei der gezielten Vermietung an bestimmte Personen oder Personengruppen um „positive Maßnahmen“ i. S. v. § 5 AGG handelt. Dem schließt sich das AG Charlottenburg an.

Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld wird nach teilweise vertretener Auffassung nur bei einer vorsätzlichen Diskriminierung zugestanden. Dem hat sich das AG Charlottenburg ausdrücklich nicht angeschlossen. Das ergebe sich nicht aus dem Gesetz und könne auch nicht hineininterpretiert werden.

Quelle: Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 14.1.2020, 203 C 31/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Nimmt der Empfänger ein Vertragsangebot an und besteht darauf, dass der Vertrag durchgeführt wird, obwohl er den Kalkulationsirrtum des Erklärenden im Angebot kennt, kann ein Fall unzulässiger Rechtsausübung vorliegen.

Das machte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden im Fall eines Bauunternehmers deutlich, der an einem Vergabeverfahren einer Gemeinde teilgenommen hatte. Dabei war ihm ein Kalkulationsfehler unterlaufen. Er hatte einen falschen Rechenfaktor benutzt. Darum lag sein Angebot ca. 50.000 EUR niedriger als die anderen Angebote. Der Bauunternehmer erklärte daraufhin die Rücknahme seines Angebots. Die Gemeinde schloss ihn jedoch nicht von der Wertung aus, sondern erteilte ihm wegen des günstigsten Angebots den Zuschlag. Weil der Bauunternehmer die Arbeiten nicht ausführte, beauftragte die Gemeinde einen der anderen Bieter und verlangte den Differenzbetrag als Schadenersatz.

Zu Unrecht, entschieden die Richter am OLG. Zwischen den Parteien ist zwar ein Bauvertrag zustande gekommen, indem die Gemeinde das Angebot des Bauunternehmers innerhalb der laufenden Zuschlagsfrist angenommen hat. Allerdings verstößt die Gemeinde mit dieser Annahme gegen ihre Rücksichtnahmepflicht. Es kann nämlich eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt und auf der Durchführung des Vertrags besteht, obwohl er wusste (oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzog), dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruht. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor. Zum einen besteht ein für die Gemeinde erkennbarer erheblicher Kalkulationsirrtum des Bauunternehmers. Zum anderen ist es dem Bauunternehmer unzumutbar, den Auftrag durchzuführen. Der Kalkulationsfehler bezieht sich auf Lohnstunden. Dem Bauunternehmer ist deshalb eine alternative Kompensation, wie sie bei Materialpreisen durch den Einsatz anderer Baustoffe im Einzelfall herbeigeführt werden könnte, nicht möglich.

Quelle: OLG Dresden, Beschluss vom 2.7.2019, 16 U 975/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist das Fahrzeug bei Gefahrübergang in das Schengener Informationssystem (SIS) eingetragen, ist dies ein Rechtsmangel. Hierfür muss der Verkäufer grundsätzlich haften.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Das SIS ist ein Informationssystem für die Sicherheitsbehörden der Schengen-Länder. Es dient der automatisierten Personen- und Sachfahndung in der Europäischen Union (EU). In der Datenbank sind u. a. gestohlene Kraftfahrzeuge registriert.

Kommt es erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer SIS-Eintragung, liegt dagegen kein Rechtsmangel vor. Das gilt auch, wenn das dazu führende Geschehen bei Gefahrübergang bereits vorlag.

Quelle: BGH, Urteil vom 26.2.2020, VIII ZR 267/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Immer wieder wird vor den Sozialgerichten gestritten, ob Krankenkassen auch über dem Festbetrag liegende Hörgeräte bezahlen müssen, wenn diese nur wenig besser sind. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat dies bejaht, wenn das Gerät das Sprachverstehen um fünf Prozent verbessert und sich dies mit seinen technischen Merkmalen erklären lässt.

Der Kläger verlangte von seiner Krankenkasse die Mehrkosten für das Hörgerätesystem WIDEX Dream 220 D2-PA. Damit hatte er ein besseres Sprachverstehen in Höhe von fünf Prozent sowohl bei Nutzschall als auch bei Störschall. Erstinstanzlich hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Abweichung läge im Bereich üblicher Messschwankungen und rechtfertige die erheblichen Mehrkosten nicht. Auf seine Berufung hin gab ihm das LSG recht. Die Krankenkasse könne sich nicht auf Messungenauigkeiten berufen, die die geringe Abweichung von fünf Prozent nach Auffassung der Hörgeräteakustikerin erklären könnten.

Die Hilfsmittel-Richtlinie sehe bei Anwendung des vorgeschriebenen Freiburger Einsilbertests gerade keine Abschläge für Messungenauigkeiten oder Schwankungen vor. Das bessere Ergebnis war für das Gericht auch deshalb plausibel, weil es sich durch die bessere technische Ausstattung erklären ließ. Die Hörgeräteakustikerin hatte im Gerichtstermin ausgeführt, dass sich das Modell gegenüber dem Festbetragsgerät durch eine bessere Störgeräuschunterdrückung und bessere Rückkopplungsauslöschung auszeichnet. Dabei wich sie von ihrer früheren Meinung ab, dass nur subjektiv ein besseres Sprachverstehen und ein besserer Komfort für den Kläger vorliegen würde.

Quelle: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.12.2019, L 9 KR 44/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Ehe kann auch vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden. Dies ist jedoch nur ausnahmsweise möglich. Die Voraussetzungen hierfür sind daher eng auszulegen.

Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hingewiesen. Erforderlich ist danach, dass es für den antragstellenden Ehegatten eine unzumutbare Härte ist, trotz des Getrenntlebens die Ehe auch im Sinne eines bloßen Verheiratetseins weiter fortzuführen. Die Gründe dazu müssen in der Person des anderen Ehegatten liegen.

Im vorliegenden Fall sahen die Richter diese Voraussetzungen als erfüllt an. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner nach einem Gewaltexzess und der daraufhin getroffenen Regelungen zur Überlassung der Ehewohnung und zu einem Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot weiterhin in bedrohlicher Weise den Kontakt zu ihr gesucht hat. Daher sei es nicht verfrüht, das Scheidungsverfahren schon vor Ablauf eines Jahres nach der Trennung einzuleiten.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.6.2019, 6 WF 134/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Erhält ein Mieter eine Eigenbedarfskündigung, sollte er sich sein weiteres Vorgehen gut überlegen. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen es dem Vermieter möglicherweise nur darauf ankommt, ein gutes Geschäft zu machen. Wie wichtig hier eine gute Beratung ist, zeigt der folgende Fall.

Ausgangsfall
Der Vermieter schickte dem Mieter eine WhatsApp-Nachricht, wonach er ihm wegen Eigenbedarf für seine Nichte kündigen müsse. Wenige Tage später erhielt der Mieter eine zweite Nachricht, wonach der Vermieter für seine Nichte eine vergleichbare Wohnung gefunden habe, allerdings mit befristetem Mietvertrag und höherer Miete, als der Mieter sie zahle. Der Vermieter würde nun auf die Kündigung verzichten, wenn der Mieter bereit sei, eine zeitlich befristete Vertragsbindung auf drei Jahre mit höherer Miete (so wie die Nichte sie zahle) einzugehen. Muss der Mieter dies tun?

Die Lösung
Nein. Die bloße Ankündigung einer Eigenbedarfskündigung, zumal per WhatsApp, löst allein noch keine Rechtswirkung aus.

Eine Nichte gehört zum privilegierten Personenkreis des Mietrechts, für den ein Vermieter Eigenbedarf geltend machen kann. Für Verwandte in der Seitenlinie, wie Nichten und Neffen, hat der BGH (27.1.10, VIII ZR 159/09, Abruf-Nr. 100747) entschieden: Es kommt nicht darauf an, ob eine besondere persönliche Beziehung oder soziale Bindung zum Vermieter besteht. Der Vermieter kann also Eigenbedarf für die Nichte geltend machen.

Die schlichte Vereinbarung einer Befristung ohne Begründung wäre aber unwirksam, da zwingend ein Grund mitgeteilt werden muss. Wohnungsmietverträge können nur durch einen qualifizierten Zeitmietvertrag befristet werden. Mögliche Befristungsgründe sind:

• im Vertrag enthaltener Eigennutzungswille nach Ablauf der Mietzeit,
• Beseitigung oder wesentliche Veränderung der Mieträume und
• der Wille, die Räume an einen Dienstleistenden zu vermieten.

Es ist zwar grundsätzlich zulässig, eine höhere Miete zu vereinbaren. Die hier beabsichtigte Vereinbarung dürfte aber als eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung zum Zeitmietvertrag unwirksam sein. Unwirksam ist sie weiterhin, weil sie mit dem Verzicht des Vermieters auf die Eigenbedarfskündigung als Druckmittel verbunden ist. Sollte der Vermieter tatsächlich wegen Eigenbedarf für die Nichte kündigen, dürfte dies, selbst wenn er einen Eigenbedarfsgrund behaupten sollte, schon unwirksam sein, weil für die Nichte eine gleichwertige, wenn auch teurere Wohnung zur Verfügung steht.

Auch die Ernsthaftigkeit des Kündigungswillens steht infrage, wenn der Vermieter gleichzeitig dem Mieter eine Vertragsverlängerung mit höherer Miete anbietet. Bedarf muss tatsächlich im Sinne eines vernünftigen Erlangungsinteresses bestehen. Die Rechtsprechung hat nur einen Eigenbedarfsgrund darin gesehen, dass der Vermieter oder die Bedarfsperson in einer unzumutbar teuren Wohnung wohnt und sie Bedarf an einer vermieteten billigeren Wohnung geltend macht.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber bei Ausscheiden ein qualifiziertes Zeugnis verlangen. Dies gilt auch in agilen Projekt-Teams, die nach der sogenannten Scrum-Methode arbeiten. Allerdings steht ihnen ein bestimmter Zeugniswortlaut einschließlich einer bestimmten Bewertung nicht bereits deshalb zu, weil der Arbeitgeber einem anderen Team-Mitglied ein entsprechendes Zeugnis erteilt hat.

So entschied es das Arbeitsgericht Lübeck. Es wies in seiner Entscheidung insbesondere darauf hin, dass es sogar widersprüchlich sein könne, wenn sich der Arbeitnehmer einerseits auf identisch ausgeübte und in gleicher Weise zu bewertende Tätigkeiten innerhalb der agilen Arbeitsgruppe beziehe und andererseits verlange, bestimmte in besonderer Weise bewältigte Arbeitsaufgaben als herausgehoben zu kennzeichnen.

Quelle: Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 22.1.2020, 4 Ca 2222/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Ein Transportbetonwerk muss nicht zwingend in einem Industriegebiet gebaut werden. Es ist auch zulässig, es in einem Gewerbegebiet zu errichten.

Das folgt aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Freiburg. In dem Fall hatte die Stadt Freiburg den Bau eines neuen Transportbetonwerks auf einem Areal genehmigt, auf dem seit den 1970er Jahren bereits ein solches Werk betrieben worden war. Zwei Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks klagten hiergegen. Sie brachten unter anderem vor, das neue Transportbetonwerk passe nicht in das Baugebiet. Insbesondere der vom Werk und seinem Lieferverkehr ausgehende Lärm und Staub seien unzumutbar.

Das VG hat die Klagen abgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, das Transportbetonwerk sei im Gewerbegebiet zulässig. Transportbetonwerke seien typischerweise nicht so belästigend, dass sie nur in Industriegebieten gebaut und betrieben werden dürften. Dies folge unter anderem daraus, dass es heutzutage üblich sei, besonders immissionsträchtige Anlagenteile einzuhausen, also zu umhüllen oder zu überbauen – wie dies auch bei dem genehmigten Werk geschehen sei. Nach den vorgelegten Gutachten würden bei diesem außerdem sowohl die Lärmrichtwerte als auch die Immissionswerte für Feinstaub und Staubniederschlag eingehalten. Dies gelte auch dann noch, wenn es durch Bedienungsfehler – wie bisher – gelegentlich zu größeren Staubaustritten komme. Nach den Angaben des Werksbetreibers sei es seit Juni 2017 zu sechs Störfällen gekommen. Wenn sich der Betreiber an die auferlegten Verhaltenspflichten halte und die LKW-Fahrer weiterhin entsprechend schule, sei nicht zu erwarten, dass solche Störfälle in Zukunft häufiger vorkämen.

Quelle: VG Freiburg, Urteil vom 11.12.2019, 4 K 1618/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Autofahrer müssen bei Dunkelheit und erkennbarem Gegenverkehr auf schmalen Straßen auf halbe Sicht fahren.

Diese Klarstellung traf das OLG Celle in einer Verkehrsunfallsache. Bei Dunkelheit waren auf einer 4,95 m breiten Gemeindestraße ohne Fahrbahnmarkierungen ein Pkw und ein ordnungsgemäß beleuchtetes, überbreites landwirtschaftliches Gespann (Schlepper und Anhänger) mit einer Breite von 2,95 m zusammengestoßen. Bei erlaubten 80 km/h war der Pkw mit ca. 75 bis 85 km/h unterwegs, der Traktor fuhr ca. 25 bis 35 km/h. Es entstand erheblicher Sach- und Personenschaden.

Der Eigentümer des landwirtschaftlichen Gespanns und der Haftpflichtversicherer des Pkw stritten darüber, in welchem Verhältnis die jeweiligen Unfallschäden zu ersetzen seien. Der Haftpflichtversicherer meinte, dass der Fahrer des landwirtschaftlichen Gespanns den Schaden zu 50 % verursacht habe, und zahlte deshalb nur die Hälfte des an dem Schlepper und dem Anhänger entstandenen Schadens. Demgegenüber meinte der Eigentümer des landwirtschaftlichen Gespanns, dass die Fahrerin des Pkw den Unfall alleine verursacht habe. Er verlangte deshalb Ersatz des gesamten Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es meinte, der Unfall sei überwiegend (65 %) von dem Fahrer des landwirtschaftlichen Gespanns verursacht worden.

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil teilweise geändert und dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Gespanns weiteren Schadenersatz zugesprochen. Die Fahrerin des Pkw habe den Unfall verursacht. Zwar habe sie die erlaubte Geschwindigkeit allenfalls geringfügig überschritten. Allerdings habe sie ihre Geschwindigkeit nicht den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst. Bei Dunkelheit auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbarem Gegenverkehr (Fahrzeugbeleuchtung) in einer leichten Rechtskurve seien selbst 75 km/h zu schnell. Die Fahrerin habe vielmehr einkalkulieren müssen, dass das für sie im Gegenverkehr erkennbare Gespann überbreit war. Es habe ihr erkennbar weniger Platz zur Verfügung gestanden als bei einem entgegenkommenden Pkw. Sie habe deshalb so langsam fahren müssen, dass sie ihr Fahrzeug mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke hätte anhalten können. Darüber hinaus sei die Fahrerin nicht weit genug rechts gefahren. Der von ihr gelenkte Pkw war lediglich ca. 1,70 m breit. Daher habe auch angesichts des ihr entgegenkommenden 2,95 m breiten Gespanns ausreichend Platz zur Verfügung gestanden, um aneinander vorbeizufahren.

Trotz dieser Verkehrsverstöße aufseiten der Unfallgegnerin hat der Eigentümer des landwirtschaftlichen Gespanns nach der Entscheidung aber keinen Anspruch auf vollständigen Ersatz seiner Schäden. Er müsse sich die – bei einem überbreiten landwirtschaftlichen Gespann mit einem Gewicht von 18 t erhöhte – Betriebsgefahr anrechnen lassen. Daher könne er nur 70 % seiner Schäden ersetzt verlangen.

Die sogenannte Betriebsgefahr ist in § 7 StVG normiert. Sie begründet eine verschuldensunabhängige Haftung des Fahrzeughalters. Daraus folgt, dass ein Fahrzeughalter sich bei einem Unfall unter bestimmten Umständen auch dann eine Mithaftung anrechnen lassen muss, wenn sich der Fahrer seines Fahrzeugs nicht verkehrswidrig verhalten hat.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 4.3.2020, 14 U 182/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl