Eine Pflegeheimbewohnerin hat sich erfolgreich gegen eine Isolationsanordnung gewehrt. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden sah die landesrechtliche Allgemeinverfügung in Nordrhein-Westfalen als rechtswidrig an, da bei der Entscheidung über eine Isolation bei möglicher Corona-Infektion eine Behörde einzuschalten ist. Die NRW-Regelung überlässt die Entscheidung aber direkt den Pflegeeinrichtungen. Dies sei unzulässig.

Das VG vertrat die Ansicht, dass das private Interesse der Heimbewohnerin, von einer Vollziehung der Allgemeinverfügung zunächst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug überwiege. Es gab daher ihrem Eilantrag statt. Grundlage war die nordrhein-westfälische Allgemeinverfügung der CoronaAVPflegeundBesuche, die bei einem konkreten Anlass eine isolierte Pflege und Betreuung betroffener Heimbewohner vorsieht. Das VG sah für eine angeordnete Isolierung keine gesetzliche Grundlage. Das NRW-Ministerium könne sich insoweit auch nicht auf die Generalermächtigung des Infektionsschutzgesetzes beziehen. Denn diese enthalte spezialgesetzliche Regelungen, sodass ein Rückgriff auf die Generalklausel ausgeschlossen sei. Darüber hinaus dürfe die Entscheidung über eine Isolation nicht allein von der Pflegeeinrichtung getroffen werden. Einzubeziehen ist hierbei die zuständige Behörde, die gemäß den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes selbst prüfen muss, ob die Voraussetzungen für eine Isolierung vorliegen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: VG Minden, Beschluss vom 14.10.2020, 7 L 729/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Stolpert ein Fußgänger über ein gut sichtbares Hindernis auf dem Gehweg, das er zuerst wahrgenommen, aber anschließend vergessen hat, hat er keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG Köln) hingewiesen.

Was war geschehen? Auf einem Teil des Gehwegs war eine ca. 100 x 150 cm große Sperrholzplatte abgestellt. Sie sollte verhindern, dass tropfendes Wasser aus einer defekten Regenrinne in das Haus lief. Eine Seniorin hatte die Platte zunächst bemerkt und an der engen Stelle eine andere Passantin vorgelassen. Dann unterhielt sie sich kurz mit der Passantin. Dabei vergaß sie das Hindernis. Beim Weitergehen stolperte sie über die Platte. Beim Sturz brach sie sich den Arm. Sie verlangte ein Schmerzensgeld von mindestens 9.500 EUR.

Das Landgericht (LG) Aachen wies ihre Klage in erster Instanz ab. Das OLG Köln wies auf die fehlenden Erfolgsaussichten einer Berufung hin. Daraufhin nahm die Seniorin die Klage zurück. Das OLG stellte klar: Die Platte sei zwar ein Hindernis. Der Hauseigentümer muss auch dadurch entstehende Schäden bei anderen verhindern. Hier seien aber keine weiteren Schutzmaßnahmen erforderlich gewesen. Die Seniorin hatte die gut sichtbare Platte als Hindernis sofort erkannt. Gerade wegen des Hindernisses hatte sie zunächst die andere Passantin vorbeigelassen. Dass sie die Platte während der wenigen Minuten ihrer Unterhaltung mit der Passantin vergessen hatte, ist ein gänzlich unwahrscheinlicher Geschehensablauf.

Es ist nicht ersichtlich, was der Hauseigentümer noch hätte unternehmen können, um diesen Unfall zu verhindern. Eine weitere Absicherung hätte allenfalls dazu dienen können, das bereits sehr gut sichtbare Hindernis noch besser erkennbar zu machen. Dies hätte im vorliegenden Fall allerdings nichts genutzt, da die Seniorin es auch so erkannt hatte. Schließlich hat es auch einen nachvollziehbaren sachlichen Grund gegeben, die Platte jedenfalls kurzfristig auf dem Bürgersteig aufzustellen. Die Seniorin hat zwar ein „Unglück“ erlitten, kann jedoch dem Hauseigentümer kein „Unrecht“ vorhalten.

Quelle: OLG Köln, Beschluss vom 4.2.220, 7 U 285/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Mit dem Tod entfällt das Interesse des Erblassers an der Geheimhaltung seines letzten Willens den gesetzlichen Erben gegenüber insoweit, als der letzte Wille diese betrifft. Denn um sicherzustellen, dass der letzte Wille auch tatsächlich verwirklicht wird, müssen insbesondere über die Erbeinsetzung der testamentarischen Erben und die damit verbundene Enterbung der gesetzlichen Erben auch Letztere informiert werden. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.

Das war passiert: Der spätere Kläger erfuhr aufgrund einer Testamentseröffnung davon, dass er enterbt worden war. Er bemühte sich zunächst – erfolglos – bei dem Notar um Einsichtnahme in die Abschrift des Testaments. Die Notarkammer wies den Kläger auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht hin. Daher beantragte er, den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden – erneut erfolglos. Grund: Es sei nicht erkennbar, dass dies im mutmaßlichen Willen des Erblassers gelegen haben könnte. Der Kläger verfolgte sein Ziel jedoch weiter.

Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Klage noch abgewiesen. Doch der BGH gab ihm – letztinstanzlich – Recht. Der Notar war von seiner Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Inhalts der den Kläger betreffenden letztwilligen Verfügung zu befreien. Das Interesse der verstorbenen Beteiligten an der Geheimhaltung des den Kläger betreffenden Inhalts der Verfügung von Todes wegen sei nicht nur in Bezug auf das zum Nachlassgericht gegebene Original des Testaments weggefallen, sondern auch in Bezug auf die beim Notar verbliebene Abschrift.

Quelle: BGH, Urteil vom 20.7.2020, NotZ (Brfg) 1/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Einladung zu einer Eigentümerversammlung darf den Teilnehmerkreis nicht einschränken – auch nicht, um Vorgaben aufgrund der Corona-Pandemie zu erfüllen. Geschieht dies doch, sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse wegen Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts nichtig.

Eine Einladung hatte folgenden Wortlaut: „Aufgrund der Größe der Sitzungsräume muss die Anzahl der anwesenden Eigentümer bei dieser Versammlung beschränkt werden (10 Personen inkl. Verwalter). Erteilen Sie deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung. […] Der Verwalter behält sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, sofern die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird und keine einvernehmliche Regelung am Versammlungstag dazu getroffen werden kann.“

Hierin sah das Amtsgericht (AG) Kassel einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums. Teilnahmerecht und Stimmrecht eines Wohnungseigentümers dürften nur ausnahmsweise eingeschränkt werden. Eine solche Ausnahme sei aber nicht gegeben, wenn nach den geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften das Durchführen der Versammlung nicht schlechterdings untersagt ist und die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben sichergestellt werden könne, indem ein geeigneter großer Raum gemietet würde.

Quelle: AG Kassel, Urteil vom 27.8.2020, 800 C 2563/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Eine Lehrerin darf ohne Nebentätigkeitsgenehmigung nicht entgeltlich als spirituelle Lebensberaterin tätig sein. Eine Genehmigung für die Vergangenheit muss sie hierfür allerdings nachträglich nicht mehr beantragen. Sie hat ihrem Dienstherrn auch Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu geben.

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin verbeamtete Lehrerin eines Berliner Gymnasiums. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass sie ohne Nebentätigkeitsgenehmigung auf verschiedenen Internetplattformen, die unter anderem eine „seriöse und professionelle Zukunftsdeutung“ anbieten, entgeltlich spirituelle Beratungen offerierte. Die Senatsverwaltung forderte die Klägerin mit zwei Bescheiden auf, diese Beratertätigkeit einzustellen und für die Vergangenheit noch eine Genehmigung zu beantragen sowie Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu erteilen.

Dies wollte die Klägerin nicht hinnehmen. Sie bestritt die ihr vorgeworfene Beratungstätigkeit. Allenfalls zeitweilig habe sie als Beraterin gewirkt, aktuell jedoch nicht mehr. Sie bestätigte, zwei Bücher publizieren zu wollen, was sie jedoch nicht als Nebentätigkeit ansah, sondern als eine bloße Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Kommunikation „teilweise außerhalb des logischen Systems“.

Die Weisungen seien im Wesentlichen nicht zu beanstanden, so das VG Berlin. Es gebe keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin Beratungsleistungen im Internet gegen Entgelt – auch heute noch – erbringt. Eine solche Tätigkeit sei genehmigungspflichtig. Ohne eine Genehmigung dürfe der Dienstherr der Klägerin die Tätigkeit untersagen. Auch die Weisung, Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten offenzulegen, sei rechtmäßig. Schriftstellerische Tätigkeiten seien zwar nicht genehmigungs-, aber anzeigepflichtig, falls hierfür ein Entgelt oder geldwerter Vorteil geleistet werde. Vorliegend habe es für die Senatsverwaltung einen begründeten Anlass gegeben, die Anzeigepflicht dieser Tätigkeit zu prüfen. Lediglich die Weisung, für die Vergangenheit eine Genehmigung zu beantragen, sei rechtswidrig.

Gegen das Urteil ist bereits Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt worden.

Quelle: VG Berlin, Urteil vom 22.7.2020, VG 5 K 95.17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sieht vor, den Förderzeitraum für die Gewährung des Baukindergelds um drei Monate zu verlängern.

Hintergrund der angedachten Verlängerung ist die Corona-Pandemie, weshalb viele Antragsteller die Fristen nicht einhalten können.

Dies bedeutet für die Baugenehmigung bzw. den notariellen Kaufvertrag:

• Neubauten sind begünstigt, wenn die Baugenehmigung zwischen dem 1.1.2018 und dem 31.3.2021 (bisher: 31.12.2020) erteilt wurde.

• Beim Erwerb von Neu- oder Bestandsbauten muss der notarielle Kaufvertrag zwischen dem 1.1.2018 und dem 31.3.2021 (bisher: 31.12.2020) unterzeichnet worden sein.

Weitere Informationen zum Baukindergeld

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Es kommt immer wieder vor, dass in familienrechtlichen Verfahren ein Ehegatte nicht „mitspielt“. Das kann für ihn extrem negative Auswirkungen haben, wie ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg zeigt.

Im Fall des OLG hatte sich ein Ehegatte seit fast sechs Jahren der Aufklärung seiner in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte entzogen. Dies geschah, obwohl das Gericht einige Anordnungen getroffen und Zwangsmaßnahmen angeordnet hatte. Es hatte zudem etliche Anhörungstermine anberaumt. So wollte das Gericht das Versorgungsausgleichsverfahren fördern und abschließen – vergebens.

Das OLG hat den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Es stellte klar: Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies sei der Fall, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde, weil ein Ehegatte die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten grob verletzt hat.

Quelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 2.4.2020, 9 UF 181/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hat entschieden: Ein gelochtes Sparbuch begründet die Vermutung, dass es bereits wegen Auszahlung des Sparbetrags entwertet wurde und ein Zahlungsanspruch gegen die Bank nicht mehr besteht.

Im zugrunde liegenden Verfahren eröffnete die Klägerin im Jahr 2002 bei der beklagten Privatbank zwei Sparbücher. Im Dezember 2008 besuchte sie sodann eine Bankfiliale der Beklagten, woraufhin ihr rund 775 Euro auf eines der beiden Sparbücher als „Gutschrift“ übertragen wurden. Die Klägerin legte später das andere der beiden Sparbücher in einem gelochten Zustand bei der Bank vor und begehrte Auszahlung des Sparbuchbetrags von rund 875 Euro. Die Beklagte verweigerte dies jedoch mit der Begründung, dass das gelochte Sparbuch bereits am 10.12.2008 aufgelöst und ausgezahlt worden sei. Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Auszahlung des angeblichen Sparbetrags und Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.

Das AG Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Es war der festen Überzeugung, dass das nun vorgelegte, gelochte Sparbuch am 10.12.2008 aufgelöst und der Auszahlungsanspruch der Klägerin bereits am gleichen Tag durch Übertragung des Guthabens auf das zweite Sparbuch vollständig erfüllt worden sei. Hierfür spreche zum einen, dass der krumme Auszahlungsbetrag dem damaligen Sparguthaben (750 Euro) addiert um die Zinsbeträge entspräche, die der Klägerin bis dahin zugestanden hätten. Zum anderen sei der zuerkannte Betrag als „Gutschrift“ und nicht etwa „Einzahlung“ im Verwendungszweck beschrieben worden.

Des Weiteren sei es gängige Praxis, dass entwertete Sparbücher gelocht würden. Es sei zu unterstellen, dass die Klägerin (der das Sparbuch aufgrund ihres Alters noch als übliches Sparmedium bekannt sei) im Rahmen ihrer Allgemeinbildung wisse, dass ein gelochtes Sparbuch keine Gültigkeit mehr habe. Ihr Einwand, das Sparbuch selbst gelocht zu haben, um es besser abheften zu können, sei deshalb als nicht glaubhaft zu beurteilen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: AG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.12.2019, 29 C 4021-19 (46)

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden: Ein Elektroroller ist kein Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Geklagt hatte ein 80-jähriger, gehbehinderter Mann. Von seiner Krankenkasse wollte er eine Beihilfe erhalten, um einen klappbaren Elektroroller mit Sattel anzuschaffen. Diese bot ihm stattdessen einen Elektrorollstuhl an, den der Mann jedoch nicht haben wollte. Ihm sei es wichtig, dass das Gerät transportabel sei. Einen Roller könne er zusammengeklappt im Pkw transportieren und auch in den Urlaub und auf Busreisen mitnehmen. Mit einem Elektrorollstuhl gehe das nicht und auch sein Auto und Carport seien für ein solch großes und schweres Hilfsmittel ungeeignet.

Das Landessozialgericht (LSG) Celle-Bremen hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Ein Elektroroller sei kein Hilfsmittel der GKV, sondern ein sog. Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, der nicht in die Leistungspflicht der Krankenkasse fällt. Zur Abgrenzung komme es darauf an, ob ein Produkt für die speziellen Bedürfnisse von Kranken und Behinderten konzipiert sei. Dies sei bei einem Elektroroller nicht der Fall, da er in seiner Funktion nicht medizinisch geprägt sei. Bereits der Name „Eco-Fun“ zeige, dass es sich um ein Freizeitgerät handele, das nicht für Behinderte konzipiert sei. Im Übrigen könne es mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h für den Behindertenbereich auch zu gefährlich sein.

Außerdem habe der Mann den gesetzlichen Beschaffungsweg nicht eingehalten, da er den Roller schon vor der Entscheidung der Krankenkasse bestellt habe und sie damit vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Anders als in der Privaten Krankenversicherung (PKV) gelte in der GKV das Sachleistungsprinzip als Leistungsmaxime. Dies bedeute, dass der Mann sich grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes Produkt festlegen könne, um danach Kostenerstattung von der Krankenkasse zu verlangen.

Quelle: LSG Celle-Bremen, Beschluss vom 28.8.2020, L 16 KR 151/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Vermieter müssen angemieteten Wohnraum nebst Zugang und Zubehör während der Mietzeit im vertragsgemäßen Zustand erhalten. Sie sind dafür verantwortlich, dass am Mietobjekt keine Schäden auftreten und Mieter es zu Wohnzwecken nutzen können. Trotzdem können Vermieter bestimmte Kosten zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands auf den Mieter abwälzen.

Instandhaltungs- (= vorbeugende Maßnahmen) und Instandsetzungs- (= Reparatur) Kosten können nicht auf die Mieter umgelegt werden. Umlagefähig sind nach der Betriebskostenverordnung (§ 2 BetrKV) ausschließlich die dort genannten 17 verschiedenen Betriebskostenarten:

• Grundsteuer
• Wasserversorgung
• Entwässerung
• Heizungsanlage inkl. Reinigung und Wartung
• Warmwasserversorgung inkl. Reinigung und Wartung
• ggf. Kosten verbundener Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen
• Kosten des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzugs
• Straßenreinigung und Müllbeseitigung
• Gebäudereinigung und Ungezieferbekämpfung
• Gartenpflege
• Beleuchtung
• Schornsteinreinigung
• Sach- und Haftpflichtversicherung
• Hauswartkosten
• Kosten für die Gemeinschafts-Antennenanlage oder Breitbandnetz
• Kosten des Betriebs der Einrichtungen für die Wäschepflege
• sonstige Betriebskosten

Deren Umlage muss auch konkret im Mietvertrag vereinbart werden. Sie sind nicht per se auf die Mieter abgewälzt. Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten sind von den (umlegbaren) Betriebskosten ausgenommen. Schönheitsreparaturen dürfen jedoch vertraglich dem Mieter auferlegt werden. Der Teufel steckt aber – wie häufig – im Detail. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Hamburg.

Hier hatte der Vermieter dem Mieter im Mietvertrag „laufende Schönheitsreparaturen“ auferlegt. Nach dem AG gilt zunächst: „Laufende Schönheitsreparaturen“ sind nur solche, die während der Mietzeit infolge der vertragsgemäßen Nutzung der Wohnung erforderlich werden. Entscheidend hierbei: Macht die Wohnung im möblierten Zustand den Eindruck von Renovierungsbedürftigkeit? Ob der Mieter laufende Schönheitsreparaturen schuldet, beurteilt sich bei Beendigung des Mietverhältnisses nach dem möblierten und nicht nach dem geräumten Zustand.

Hat der Vermieter dem Mieter – wie im Fall des AG Hamburg – vertraglich auferlegt, „Innentüren, Fenster und Außentüren von innen“ zu streichen, wird nicht deutlich, dass auch Fenster nur von innen gestrichen werden müssen. Zweifel gehen zulasten des Vermieters. Das Abwälzen der Schönheitsreparaturen war demgemäß unwirksam. Abnutzungsspuren in der Wohnung, die mit der Nutzung durch den Mieter zusammenhängen, sind Folge des vertragsgemäßen Gebrauchs. Die Miete entschädigt den Vermieter dafür. Er kann also insoweit keine weiteren Ansprüche geltend machen.

Quelle: AG Hamburg, Urteil vom 15.5.2020, 49 C 493/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht