Das Gericht darf vom Einholen eines beantragten Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete absehen, wenn sich die verlangte Miete innerhalb einer unstreitigen oder in dem einschlägigen Mietspiegelfeld eines (einfachen) Mietspiegels ausgewiesenen Spanne bewegt und für die Bestimmung der Einzelvergleichsmiete im Wege der Schätzung eine geeignete Schätzungsgrundlage vorhanden ist. So möchte der Bundesgerichtshof (BGH) Kosten und Zeit sparen.

Der BGH sieht das Gericht hierzu jedoch nicht als verpflichtet an. Vor allem verstoße es nicht gegen das Gebot des fairen Verfahrens und das Rechtsstaatsprinzip, wenn das Gericht ein teures Sachverständigengutachten zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einholt und so der Mieter riskiert, im Fall eines Unterliegens hohe Kosten tragen zu müssen.

Quelle: BGH, Urteil vom 18.11.20, VIII ZR 123/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Der pauschale Antrag einer Rektorin, ihr eine Entlastung von ihren dienstlichen Aufgaben entsprechend der Teilzeit (86 Prozent) zu gewähren, ist unzulässig. Zu diesem Ergebnis kam das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück.

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit formalen Argumenten: Der Antrag sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, durch eine etwaige Beweisaufnahme zu ermitteln, von welchen dienstlichen Aufgaben die Rektorin in welchem Umfang entlastet werden müsse, um eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Umfang ihrer Teilzeitbeschäftigung zu gewährleisten. Insofern folge die Kammer einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2015 nicht.

Zudem fehle es an der Klagebefugnis. Ein Grundsatz des Beamtenrechts sei, dass ein Beamter keinen Anspruch auf einen individuellen Ämterzuschnitt habe, sondern „nur“ einen Anspruch auf eine seinem statusrechtlichen Amt (hier Grundschulrektorin) entsprechende Verwendung. Beim konkreten Amt habe der Dienstherr ein Vorrecht (sog. Einschätzungsprärogative). Auch handele es sich bei der Frage über die konkrete Art der Entlastung der Schulen um eine Entscheidung des Organisationsermessens des Dienstherrn, die der Beamte nicht einklagen könne. Der Freizeitausgleich, der im Umfang auf ein ganzes Jahr hinausliefe, stehe ihr weder aus nationalem noch aus Unionsrecht zu. Dieser Anspruch setze eine vom Dienstherrn angeordnete Mehrarbeit voraus. Unionsrechtlich scheitere der Anspruch daran, dass die entsprechende EU-Richtlinie auf sie als Schulleiterin nicht anwendbar sei.

Das Gericht zeigte aber auch eine Lösung: Beamte hätten die Möglichkeit, Anträge zu stellen und Beschwerden zu erheben und so eine Überlastung zu dokumentieren. Eine so dokumentierte Überlastung könne nicht unmittelbar gerichtlich überprüft werden, sondern nur, wenn sie Beamten zu ihren Lasten vorgehalten werde, etwa im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung.

Quelle: VG Osnabrück, Urteil vom 24.11.2020, 3 A 45/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ende 2020 hat auch der Bundesrat dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht zugestimmt. Es wird teilweise am 1.1.21 (§ 25 RVG) und teilweise zum 1.10.21 in Kraft treten. Es betrifft u. a. die Anwaltsvergütung beim Erbringen von Inkassodienstleistungen.

Betroffen sind Inkassodienstleistungen, d. h. die Einziehung von fremden Forderungen, die im Wesentlichen unstreitig sind. Unerheblich bleibt nun, ob diese Leistung von Rechtsanwälten oder Inkassodienstleistern erbracht werden. Geschäfts- und Einigungsgebühr werden massiv gekürzt, vor allem bei Hauptforderungen unter 50 Euro und bei einer direkten Zahlung auf die erste Zahlungsaufforderung des Rechtsanwalts oder Inkassodienstleisters.

Neue Hinweispflichten für Inkassodienstleister sowie Anwälte gibt es, wenn diese Adressen von Schuldnern nicht vom Gläubiger mitgeteilt bekommen, sondern anderweitig ermittelt haben. Dann kann ein Identitätsdiebstahl vorliegen, bei dem unter fremdem Namen Waren bestellt werden.

Quelle: Bundesgesetzblatt  2020, Seite 3327

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Schüler kann nicht allein wegen des Verhaltens seines Vaters gegenüber Schulleitung und Lehrer an eine andere Schule überwiesen werden. Das hat jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.
Der 15-jährige Antragsteller besucht eine Schule in Berlin-Tempelhof. Seit mehr als zwei Jahren gibt es erhebliche Auseinandersetzungen zwischen dessen Vater und der Schule. Der Vater stellte zahlreiche Dienstaufsichtsbeschwerden, Petitionen, Befangenheitsanträge und Strafanzeigen. Er erschien vor der Schule, sprach Schüler und Lehrkräfte an und erstellte Videos, die er auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. Ein Großteil der Lehrkräfte der Schule fühlte sich vom Vater bedroht; die beiden Klassenlehrerinnen und die Schulleiterin waren zwischenzeitlich dienstunfähig erkrankt. Der Antragsteller selbst weist nach dem Zeugnis des Schuljahres 2019/2020 durchgängig gute bis sehr gute Leistungen auf. Seine Lern- und Leistungsbereitschaft, Arbeitshaltung, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Teamfähigkeit und Verhalten werden mit „sehr ausgeprägt“ bewertet. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sprach mit sofort vollziehbarem Bescheid die Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule desselben Bildungsgangs aus. Zur Begründung berief sie sich auf das gestörte Verhältnis zwischen Vater und Schulleitung.

Der Eilantrag des Antragstellers war erfolgreich. Für seine Überweisung an eine andere Schule fehlt es an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Bei der Maßnahme handelt es sich wegen ihrer erheblichen Grundrechtsrelevanz um eine wesentliche Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Gesetzgeber getroffen werden müssen und die nicht der Schulverwaltung überlassen werden darf. Die Überweisung auf eine andere Schule kann nicht als Ordnungsmaßnahme angesehen werden. Denn Voraussetzung hierfür ist eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder eine Gefährdung anderer am Schulleben Beteiligter durch den Antragsteller selbst, woran es hier fehlt. Das Verhalten des Vaters kann dem Antragsteller nicht zugerechnet werden. Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob die Schule ggf. Maßnahmen gegen den Vater selbst richten kann, um Störungen zu unterbinden und den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten.

Quelle: VG Berlin, Beschluss vom 23.11.2020, VG 3 L 612/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat kurz vor Weihnachten die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens beschlossen. Das Gesetz tritt rückwirkend zum 1.10.20 in Kraft.

Das Gesetz verkürzt die Restschuldbefreiung in Insolvenzverfahren von sechs auf drei Jahre: Verbraucher sind damit unter bestimmten Voraussetzungen früher als bisher von nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern befreit. Dies soll ihnen die Chance auf einen zügigen wirtschaftlichen Neuanfang nach der Insolvenz geben.

Damit auch durch die Corona-Pandemie in finanzielle Schieflage Geratene profitieren, gilt das Gesetz rückwirkend für alle ab dem 1.10.20 beantragten Insolvenzverfahren. Für Anträge, die zwischen dem 17.12.19 und dem 30.9.20 gestellt wurden, gibt es eine Übergangsregelung.

Quelle: „Bundesrat kompakt“ vom 18.12.2020 zu Tagesordnungspunkt 41

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Vater als Antragsteller kann, um die leibliche Abstammung eines Kindes klären zu lassen, verlangen, dass die Mutter (als Antragsgegnerin) in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligt und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe duldet.

Dieser Anspruch ist bewusst niederschwellig ausgestaltet. Einzige ausdrückliche beschränkende Voraussetzung ist die Probeentnahme nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft. Im Übrigen ist der Anspruch an keine weiteren besonderen Voraussetzungen gebunden.

Daraus hat nun das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) gefolgert: Zwar ist die Durchführung der Abstammungsbegutachtung durch den Vater auf eigene Kosten zu veranlassen. Die vorherige Erklärung des Vaters zur Bereitschaft der Kostenübernahme ist jedoch keine Anspruchsvoraussetzung.

Eine Berechtigung der Mutter, ihre Mitwirkung von einer vorherigen Kostenübernahmeerklärung des Vaters abhängig zu machen, bestand mithin nicht. Diese Einwilligung kann indes – anders als grundsätzlich in Statussachen – nicht nur durch ein gerichtliches Verfahren, sondern auch durch die Erteilung der erforderlichen Zustimmungen der Beteiligten außerhalb des gerichtlichen Ersetzungsverfahrens erlangt werden. Die Antragstellerin hätte damit das vorliegende Gerichtsverfahren durch Erteilung der außergerichtlich geforderten Zustimmung vermeiden können.

Den Erhalt eines außergerichtlichen Aufforderungsschreibens der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall gerade nicht (substanziiert) in Abrede gestellt. Daher ist es gerechtfertigt, der Antragsgegnerin mangels Erfolgsaussichten bzw. unter Mutwilligkeitsaspekten die begehrte Verfahrenskostenhilfe zu versagen.

Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 3.9.2020, 9 WF 202/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. – Familiengericht – hat entschieden: Das Bewerfen eines Kindes mit einer Kartoffel und das Ziehen an dessen Arm stellen nicht ohne Weiteres Handlungen dar, die den Erlass einer Gewaltschutzanordnung rechtfertigen.

Was war geschehen?
Im Rahmen des zugrundeliegenden Gewaltschutzverfahrens trug der Vertreter des achtjährigen Antragstellers vor, dass Letzterer im Hof eines Wohnhauses in Frankfurt a. M. zusammen mit einem anderen Kind gespielt habe. Hierdurch habe sich die das Nachbarhaus bewohnende Antragsgegnerin wohl gestört gefühlt. Aus diesem Grund habe sie nach den Kindern mit Kartoffeln geworfen und den Antragsteller dabei am Rücken getroffen. Außerdem habe die Antragsgegnerin den Antragsteller an einem anderen Tag am Arm festgehalten und gezogen. Das Kind habe geweint und könne nun aus Angst nachts nicht mehr schlafen. Der Antragsteller beantragte deshalb beim Frankfurter Familiengericht die Festsetzung eines Annäherungs- und Kontaktaufnahmeverbots im Wege der einstweiligen Verfügung.

So sah es das AG
Das AG hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Schwelle der vorsätzlichen Körperverletzung durch das Treffen mit einer aus dem zweiten Stock geworfenen Kartoffel am Rücken nicht erreicht sei. Es sei weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich geworden, dass bei dem Kind durch den Kartoffelwurf ein von seinen normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen worden sei.

Auch das durch den Antragsteller behauptete Festhalten und Zerren am Arm stelle noch keinen erheblichen Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit dar. Soweit das Kind behaupte, es könne wegen des Vorfalls mit dem Arm nicht mehr schlafen, sei dies zwar grundsätzlich eine sich körperlich auswirkende Form psychischer Gewalt. Es fehle diesbezüglich zum Zeitpunkt des Handelns jedoch am erforderlichen Vorsatz der Antragsgegnerin.

Zudem läge in dem Zerren auch keine Freiheitsberaubung oder Drohung. Zwar könnte man darin eine nach dem Strafgesetzbuch strafbewährte Nötigung sehen. Diese sei jedoch vom Schutzbereich des Gewaltschutzgesetzes gerade nicht erfasst.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: AG Frankfurt a. M., Beschluss vom 16.11.2020, 456 F 5230/20 EAGS; PM Nr. 17/2020 vom 18.12.2020

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Für die Beurteilung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung kommt es auf den Zeitpunkt des Beschlusses an. Er kann nicht durch nachgeholte Abrechnungen, Klarstellungen etc. geheilt werden.

Das hat jetzt das Landgericht (LG) Rostock entschieden. Im seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall genügte die Jahresabrechnung im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung. So war bereits nicht erkennbar, welche Vorschüsse geleistet wurden. Die Nachbesserung ließ das LG nicht mehr genügen.

Für den Verwalter ergeben sich aus der Entscheidung besondere Sorgfaltspflichten, wenn er eine eigene Haftung vermeiden will. Der Inhalt der Jahresabrechnung ist in § 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) nicht geregelt. Die Abrechnungspflicht bestimmt sich daher nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Danach muss die Abrechnung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr enthalten. Sie muss für einen Eigentümer verständlich sein, ohne dass er einen Buchprüfer oder sonstigen Sachverständigen hinzuzieht. An die Stelle der im Wirtschaftsplan geschätzten Daten treten die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben.

Zur Verständlichkeit der Jahresabrechnung hat auch das LG Dortmund klargestellt: Sie muss sich „aus sich heraus“ ergeben. Eine „aus sich heraus“ verständliche Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben liegt nicht vor, wenn erst aus anderweitigen Unterlagen, die nicht Bestandteil der Abrechnung und Gegenstand des Beschlusses sind, Einnahme- oder Ausgabekosten ersichtlich werden. Dies gelte sogar, wenn diese Unterlagen zur Einsicht bereitgehalten werden oder bei Beschlussfassung vorliegen.

Quelle: LG Rostock, Urteil vom 17.1.2020, 1 S 41/17; LG Dortmund, Urteil vom 13.12.2019, 17 S 140/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart hat jetzt entschieden: Eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, das Einführen von Kurzarbeit zu ermöglichen, kann im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung gerechtfertigt sein. Es hat aber auch darauf hingewiesen: Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kündigung sind insbesondere eine entsprechende Ankündigungsfrist und eine Begrenzung der Dauer der (möglichen) Kurzarbeit von Bedeutung sowie der Umstand, dass Kurzarbeit nur eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers vorliegen.

Die Klägerin, Personaldisponentin einer Leiharbeitsfirma, koordinierte den Einsatz von Leiharbeitnehmern in Kindergärten und Kitas. Da aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch Kindergärten zeitweise geschlossen wurden, wurden dort Leiharbeitnehmer nicht mehr benötigt.

Der Beklagte, Arbeitgeber der Klägerin, beantragte daher Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit genehmigte diese. Hiervon fühlte sich die Klägerin zunächst nicht betroffen. Denn sie wurde vier Tage später für längere Zeit krankgeschrieben. Der Kläger bat sie um die vorgeschriebene Zustimmung zur Kurzarbeit. Dies lehnte sie ab. Daraufhin sprach der Kläger eine fristlose Änderungskündigung aus (Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und gleichzeitiges Anbieten eines neuen Arbeitsverhältnisses). Nach diesem neuen Arbeitsverhältnis durfte der Kläger bis Ende Dezember 2020 Kurzarbeit anordnen.

Die Klägerin hielt die fristlose Änderungskündigung für unwirksam. Ihr Arbeitgeber sei keiner wirtschaftlich schwierigen Situation ausgesetzt. Das sah das ArbG komplett anders. Die Änderungskündigung sei wirksam. Sie sei insbesondere verhältnismäßig: Denn es sei zu einem unbestreitbaren, erheblichen Arbeitsausfall gekommen. Ein notwendiger „wichtiger Grund“ für eine fristlose Änderungskündigung habe also vorgelegen. Ein milderes Mittel als Alternative habe dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden. Die fristlose Änderungskündigung habe bezweckt, eine Grundlage für Kurzarbeit und damit für den Erhalt von Kurzarbeitergeld zu schaffen.

Das ArbG betont: Würde man dies anders sehen, wäre bei Verweigerung einzelner Arbeitnehmer die Einführungsmöglichkeit von Kurzarbeit gerade bei längeren Kündigungsfristen (sinnvoll) ausgeschlossen.

Quelle: ArbG Stuttgart, Urteil vom 22.10.2020, 11 Ca 2950/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

In Zeiten niedriger Zinsen liebäugeln viele mit dem Erwerb eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung. Was aber ist, wenn der Bau nicht rechtzeitig fertiggestellt wird? Mit einem solchen Fall hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg beschäftigt.

Der Kläger hatte bei einem Unternehmer für 140.000 Euro eine Eigentumswohnung erworben, die sich noch im Bau befand. Im notariellen Kaufvertrag war eine Frist festgehalten, bis zu der das Objekt hergestellt werden sollte. Aber was heißt „Herstellung“? Der Kläger meinte, es müsse das gesamte Objekt inklusive Außenanlagen fertiggestellt sein. Der Beklagte meinte, es reiche aus, wenn der Kläger einziehen könne.

Das OLG betonte, dass es immer auf den individuellen Vertrag ankomme. Im vorliegenden Fall ergab die Vertragsauslegung, dass es bei dem verabredeten Datum auf die Bezugsfertigkeit der Wohnung ankomme und nicht auf die vollständige Fertigstellung des gesamten Objekts. Die Wohnung müsse dazu mit Ausnahme von Mängeln, die nicht die Sicherheit des Wohnens beeinträchtigten, und mit Ausnahme der Außenanlagen fertiggestellt sein. Denn die Vereinbarung einer Frist habe insbesondere den Sinn, dass sich der Bauherr auf einen Einzugstermin einstellen könne.

Der Kläger könne daher Schadenersatz – z. B. Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung oder Fahrtkosten – für die Zeit zwischen dem verabredeten Termin und der Bezugsfertigkeit verlangen. Dafür, dass nach der Bezugsfertigung der Wohnung an dem Gesamtobjekt noch Arbeiten vorzunehmen wären, könne er keinen Schadenersatz verlangen. Er könne aber einen gewissen Betrag wegen der noch offenen Mängel und Restarbeiten zurückbehalten. Im konkreten Fall stehe dem Kläger daher ein sog. Leistungsverweigerungsrecht in Höhe von 10.000 Euro einschließlich eines „Druckzuschlags“ von 5.000 Euro zu. In dieser Höhe müsse er den Kaufpreis noch nicht zahlen, sondern erst nach vollständiger Fertigstellung des Gesamtobjekts.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 21.7.2020, 13 U 28/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht