Die Übergabe des fertiggestellten Bauwerks ist ein rein organisatorischer Vorgang und für die Frage der Abnahme von Ingenieur- oder Architektenleistungen nicht von Bedeutung. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.

Das OLG: Es kommt nicht darauf an, ob das Bauwerk an den Bauherrn in einem formalen Akt (Stichwort: „Schlüsselfertige Übergabe“) übergeben wird, um die Abnahme der Ingenieurleistungen zu erwirken. Deren Abnahme setzt voraus, dass die Leistungen (insbesondere, wenn die Leistungsphase 8 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure [HOAI] beauftragt ist) fertiggestellt sind.

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (15.9.2021, VII ZR 107/21).

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2020, 8 U 5/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Der Mehrlingszuschlag für Mehrlingsgeburten ist nicht auf Mehrfachadoptionen übertragbar. So hat es das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden.

Die Ehefrau des klagenden Mannes brachte vier Kinder mit in die Ehe ein, die er adoptierte. Der Beklagte gewährte ihm für die Betreuung Elterngeld für den 6. bis 14. Monat ab Inobhutnahme. Der Mann begehrte gerichtlich erfolglos Mehrlingszuschläge à 300 Euro. Auch seine Berufung blieb erfolglos. Dem Mann steht kein Mehrlingszuschlag zu. Die Anspruchsgrundlage für den Mehrlingszuschlag nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (§ 2a Abs. 4 S. 1 BEEG) ist weder dem Wortlaut noch dem Regelungszusammenhang nach auf den Fall einer Mehrfachadoption unmittelbar anwendbar. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Hätte der Gesetzgeber den Mehrlingszuschlag auch bei Mehrfachadoptionen gewähren wollen, hätte er dies geregelt. Der Sachverhalt ist nicht vergleichbar.

Gemäß der Gesetzesbegründung würdigt der Mehrlingszuschlag die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern. Der Beginn des Zusammenlebens mit adoptierten Kindern erfordert zwar ebenfalls i. d. R. besondere fürsorgliche Leistungen der Eltern. Adoptierte Kinder sind aber mitunter deutlich älter als Neugeborene. Der Zeitpunkt der Adoption ist auch anders planbar. Hier hatte der Mann mit den zwischen drei und zehn Jahre alten Kindern bereits über zwei Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Zudem verfügt der Gesetzgeber im Sozialleistungsrecht über einen weiten Gestaltungsspielraum. Es verletzt daher nicht den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, nur für die besonderen Belastungen einer Mehrlingsgeburt einen Zuschlag vorzusehen. Eine Revision gegen die Entscheidung ist beim Bundessozialgericht anhängig.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.4.2021, L 13 EG 15/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Rechnet der Geschädigte, der selbst eine Kfz-Reparaturwerkstatt betreibt, den Unfallschaden am werkstatteigenen Fahrzeug fiktiv ab, scheidet ein Abzug eines Pauschalbetrags als nicht zu erstattender Unternehmergewinn aus. So entschied das Landgericht (LG) Osnabrück und bestätigte damit nun das Amtsgericht (AG) Lingen.

Das Gericht: Bei der konkreten Abrechnung kommt es darauf an, ob die Werkstatt während der Reparatur ausgelastet war. Da bei der fiktiven Abrechnung ein Reparaturzeitraum nicht bestimmbar ist, könne die Auslastungsfrage nicht geprüft werden.

Quelle: LG Osnabrück, Beschluss vom 1.12.2021, 4 S 72/21; AG Lingen, Urteil vom 23.2.2021, 4 C 164/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Bucht ein im Erwerbsleben Stehender ein berufsbezogenes und -begleitendes Seminar, für das bereits im Vorfeld bestimmte Termine angegeben worden sind, muss der Seminaranbieter auch ohne ausdrücklichen Hinweis allein nach Maßgabe dieser Umstände davon ausgehen, dass die Einhaltung der angegebenen Termine für die Teilnehmer wesentlich ist. Er muss auch davon ausgehen, dass der Teilnehmer weder in der Lage noch auch nur bereit sein wird, an dem Seminar an beliebigen anderen Terminen teilzunehmen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Der Veranstalter hatte Termine eines Fortbildungskurses mit fünf zwei- bis dreitägigen Präsenzveranstaltungen über sechs Monate verlegt. Die neuen Termine wurden einseitig vom Veranstalter festgesetzt und nicht mit den Teilnehmern abgesprochen. Den darauf von der Teilnehmerin erklärten Rücktritt wies er zurück. Zu Unrecht, wie das OLG – anders als noch das Landgericht (LG) – meinte.

Folge: Der Teilnehmer hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Seminarvergütung, weil er vom Ausbildungsvertrag wirksam zurückgetreten ist. Es handelte sich um ein sog. „relatives Fixgeschäft“.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 18.11.2021, 11 U 66/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein unentschuldigtes Fehlen eines Arbeitnehmers und eine eigenmächtige Urlaubnahme sind geeignet, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern klargestellt.

Das LAG machte dabei deutlich, dass der Arbeitnehmer sich auch nicht selbst beurlauben oder freistellen darf, wenn er möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung von Urlaub oder eine Freistellung gehabt hätte. Denn einen solchen Anspruch hätte er im Wege des gerichtlichen Rechtsschutzes, ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung, durchsetzen müssen, nicht aber durch eigenmächtiges Handeln.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.11.2021, 5 Sa 88/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Beim „echten“ Stufenvertrag werden nur die Leistungen der zunächst beauftragten Stufe(n) Vertragsbestandteil. Später beauftragte Stufen stellen einen eigenständigen Vertrag dar. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche läuft deshalb für jede Vertragsstufe separat. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg entschieden.

Laut OLG ist beim „echten“ Stufen- oder Optionsvertrag der spätere Auftrag als rechtlich eigenständiger Vertrag zu sehen. Wird der Architekt zunächst nur mit einer Leistungsphase beauftragt und werden ihm später weitere Leistungen übertragen, muss die Mangelfreiheit der zuerst beauftragten Leistung getrennt von der zuletzt beauftragten Leistung bewertet werden. Diese Rechtsauffassung vertreten auch die OLG Brandenburg und Dresden.

Quelle: OLG Naumburg, Urteil vom 18.11.2021, 2 U 155/20; OLG Brandenburg, Urteil vom 16.3.2016, 4 U 19/15; OLG Dresden, Urteil vom 17.6.2010, 10 U 1648/08

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Das Amtsgericht (AG) München hat jetzt die Klage einer Fahrzeughalterin gegen einen Autofahrer und dessen Kfz-Versicherung abgewiesen. Der zugrundeliegende Unfall auf einem Supermarktparkplatz wies einige Besonderheiten auf.

Das war geschehen
Der VW der Klägerin war in einer Parkbucht auf dem Parkplatz eines Supermarkts abgestellt. Auf dem Fahrersitz saß der Ehemann der Klägerin. Der Beklagte parkte mit einem Opel in die Parkbucht links daneben ein und stieß dabei mit der geöffnete Fahrertür des VW zusammen.

Die Klägerin macht restliche Schadenersatzansprüche unter Berücksichtigung einer teilweisen vorgerichtlichen Regulierung durch die mitbeklagte Versicherung geltend. Ihr Argument: Die Fahrertür ihres Autos sei bereits mehrere Minuten erkennbar geöffnet gewesen, sodass die Kollision für ihren Mann unvermeidbar gewesen sei.

Die Beklagten behaupten hingegen, die Tür des VW sei noch geschlossen gewesen, als der Opel ordnungsgemäß in die freie Parklücke daneben eingefahren sei. Währenddessen sei die Fahrertür des VW plötzlich und unvermittelt geöffnet und gegen das Beklagtenfahrzeug gestoßen worden; die Klagepartei würde daher allein für die Schäden haften und habe im Rahmen der vorgerichtlichen hälftigen Regulierung bereits mehr erhalten, als ihr zustehe.

Amtsgericht: alleiniges Verschulden der Klägerin
Das AG gab nach der Beweisaufnahme der Beklagtenseite Recht. Dass die Tür des VW bereits für mehrere Minuten offen gestanden hatte, konnte dabei nicht nachgewiesen werden. Nicht weiterhelfen konnte insbesondere die Aussage der unbeteiligten Zeugin, die sich zu erinnern meinte, dass die Tür insgesamt nur 5 cm aufgestanden habe – nach dem Sachverständigengutachten musste die Tür bei der Kollision hingegen 60 bis 70 cm geöffnet gewesen sein. Auch vermeintliche Erinnerungen der Zeugin zur Geschwindigkeit wurden mit dem Sachverständigengutachten widerlegt. Die Angaben des Ehemanns der Klägerin und des Beklagten widersprachen sich, ohne dass das Gericht den einen oder anderen Angaben einen höheren Erkenntniswert zumessen konnte.

Das AG hat der Entscheidung eine alleinige Haftung der Klagepartei zugrunde gelegt. Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Türöffners – hier des Fahrers des Klägerfahrzeugs – spricht der Beweis des ersten Anscheins. Wer in ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigens, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Dieser Grundsatz war hier nach dem AG zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, als auf einem Parkplatz für jeden Benutzer jederzeit mit Ein- und Aussteigevorgängen sowie mit Ein-, Auspark- und Rangiermanövern zu rechnen ist, sodass grundsätzlich erhöhtes Augenmerk auf derartige Vorgänge zu legen ist.

Ein Verschulden des Fahrers des Klägerfahrzeugs an der Kollision stand für das AG nach all dem fest. Auch ein – hier nicht nachgewiesenes – über mehrere Minuten andauerndes Offenstehenlassen einer Fahrzeugtür auf einem Parkplatzgelände ist erheblich risikobehaftet und vor dem Hintergrund der o. g. Pflichten zur wechselseitigen Rücksichtnahme sorgfaltswidrig.

Quelle: AG München, Urteil vom 27.10.2021, 343 C 106/21, PM 2/22 vom 14.1.2022

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Ein behinderter Mensch kann nicht beanspruchen, dass der Grad der Behinderung (GdB) unabhängig von möglichen künftigen Veränderungen seines Gesundheitszustandes auf Dauer unveränderbar festgestellt und ein entsprechender Ausweis ausgestellt wird. Das hat jetzt das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg klargestellt.

Das war der Sachverhalt
Die 1960 geborene Klägerin ist an der rechten Brust (nach Geschwulstbeseitigung in Heilungsbewährung) erkrankt. Daneben bestehen bei ihr u.a. eine Depression, funktionelle Organbeschwerden, Bronchialasthma und ein Herzklappenfehler. Das beklagte Land Baden-Württemberg stellte zunächst einen GdB von 30 fest. Im nachfolgenden Klageverfahren schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach bei der Klägerin ein GdB von 60 seit Juni 2020 beträgt. Mit Ausführungsbescheid vom März 2021 stellte der Beklagte einen GdB von 60 seit dem 1.6.2020 fest. Er wies zugleich auf die zu beachtende Heilungsbewährung, eine mögliche Nachuntersuchung und eine mögliche Neufeststellung bei Stabilisierung des Gesundheitszustandes hin. Der beigefügte Schwerbehindertenausweis war mit dem Aufdruck „gültig bis 1/2026“ versehen.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dem gerichtlichen Vergleich sei keine Befristung zu entnehmen. Voraussetzung für den Vergleichsschluss sei für sie gewesen, dass sie den GdB von 60 unbefristet erhalte. Der Schwerbehindertenausweis sei daher unbefristet auszustellen. Widerspruch und nachfolgende Klage vor dem Sozialgericht (SG) blieben erfolglos.

Landessozialgericht: Einschlägige Vorschrift sieht Befristung vor
Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Das Land habe die in dem Vergleich getroffene Regelung vollständig umgesetzt. Eine Befristung sei im Ausführungsbescheid auch nicht durch die Ankündigung der Nachuntersuchung getroffen worden. Hierbei handele es sich lediglich um die Mitteilung einer beabsichtigten Maßnahme. Die Klägerin habe zudem keinen Anspruch auf unbefristete Ausstellung des Schwerbehindertenausweises. Denn nach der einschlägigen Vorschrift im Sozialgesetzbuch (§ 152 Abs. 5 S. 3 SGB IX) „soll“ die Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises befristet werden. Aus dem Wort „soll“ folge, dass der Beklagte den Ausweis in der Regel befristen müsse, er jedoch in atypischen Fällen hiervon abweichen könne. Ein derartiger atypischer Fall liege hier nicht vor.

Vielmehr sei im Hinblick auf die für die Dauer von fünf Jahren nach Geschwulstbeseitigung abzuwartende Heilungsbewährung gerade mit einer möglichen Änderung der Verhältnisse zu rechnen. Der Schwerbehindertenausweis weise als öffentliche Urkunde auch lediglich die gesondert im Ausgangsbescheid getroffene Feststellung der Schwerbehinderung gegenüber Dritten nach und habe keine eigene konstitutive Bedeutung für die in ihm aufgeführten Feststellungen. Die Befristung des Ausweises bezwecke, zu gegebener Zeit prüfen zu können, ob die im Ausweis dokumentierten Merkmale bzw. Nachteilsausgleiche noch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.

Dem habe der Beklagte mit der Befristung bis Januar 2026 ausreichend Rechnung getragen. In Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Feststellung des GdB sei der Klägerin dann zu gegebener Zeit ein neuer Schwerbehindertenausweis auszustellen.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.2.2022, L 8 SB 2527/21, PM vom 8.3.2022

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: In Mietverträgen über Wohnraum darf vereinbart werden, dass der Mieter für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses an einen vom Vermieter zur Verfügung gestellten kostenpflichtigen Breitbandkabelanschluss gebunden ist.

Sachverhalt
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist Vermieterin von mehr als 120.000 Mietwohnungen, von denen etwa 108.000 an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen sind, über das Fernseh- und Hörfunkprogramme übertragen werden und das auch für andere Dienste, wie Telefonate und Internet, genutzt werden kann. Das Entgelt, das die Beklagte für die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen über das Kabelnetz zahlt, legt sie nach den Mietverträgen als Betriebskosten auf ihre Mieter um. Für die Mieter besteht nach den Mietverträgen keine Möglichkeit, während der Dauer des Mietverhältnisses die Versorgung ihrer Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.

Die Klägerin sieht einen wettbewerbswidrigen Verstoß darin, dass die Mietverträge keine Regelung enthalten, nach der die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabelanschlusses wenigstens zum Ablauf einer Laufzeit von 24 Monaten kündbar ist, und die Beklagte nicht den Abschluss von Mietverträgen anbietet, nach denen die Bereitstellung solcher Anschlüsse auf eine Laufzeit von höchstens 12 Monaten begrenzt ist. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Prozessverlauf
Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch zu. Insbesondere sei das Telekommunikationsgesetz (TKG) – und hier § 43b TKG – im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern nicht anwendbar, weil das Angebot der Beklagten nicht im Sinne dieser Vorschrift öffentlich zugänglich sei.

Entscheidung des BGH
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte hat durch die Bindung ihrer Mieter an den von ihr zur Verfügung gestellten kostenpflichtigen Kabel-TV-Anschluss nicht gegen § 43b TKG verstoßen.

Mit der Bereitstellung der Kabel-TV-Anschlüsse erbringt die Beklagte allerdings einen Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG. Sie stellt ihren Mietern damit einen Dienst zur Verfügung, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen besteht. Der von der Beklagten angebotene Telekommunikationsdienst ist angesichts der großen Anzahl der von der Beklagten vermieteten und mit einem Kabel-TV-Anschluss ausgestatteten Wohnungen – entgegen der Ansicht des OLG – öffentlich zugänglich.

In den von der Beklagten mit ihren Mietern geschlossenen Mietverträgen ist jedoch keine 24 Monate überschreitende Mindestlaufzeit vereinbart. Die Beklagte verwehrt ihren Mietern auch nicht den Abschluss von Mietverträgen mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten. Die Mietverträge werden von der Beklagten vielmehr auf unbestimmte Zeit geschlossen und können von den Mietern bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 43b TKG auf die von der Beklagten geschlossenen Mietverträge scheidet daher aus.

Eine entsprechende Anwendung von § 43b TKG im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern kommt nicht in Betracht. Der Gesetzgeber wollte große Wohnungsbaugesellschaften, die mit Kabel-TV-Anschlüssen ausgestattete Wohnungen vermieten und die Kosten des Kabelanschlusses als Betriebskosten auf die Mieter umlegen, nicht in den Geltungsbereich der Vorschrift einbeziehen. Das ergibt sich auch aus der bevorstehenden Änderung des TKG.

Quelle: BGH, Urteil vom 18.11.2021, I ZR 106/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Fahrradlieferanten, die Speisen und Getränke ausliefern und ihre Aufträge über eine Smartphone-App erhalten, haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen die für die Ausübung ihrer Tätigkeit essenziellen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Dazu gehören ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes internetfähiges Mobiltelefon. Von diesem Grundsatz können vertraglich Abweichungen vereinbart werden. Geschieht dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers, sind diese nur wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zugesagt wird. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Sachverhalt
Der Kläger ist bei der Beklagten als Fahrradlieferant beschäftigt. Er liefert Speisen und Getränke aus, die Kunden über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Er benutzt für seine Lieferfahrten sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, bei denen es sich um AGB handelt. Die Beklagte gewährt den bei ihr tätigen Fahrradlieferanten eine Reparaturgutschrift von 0,25 Euro pro gearbeiteter Stunde, die ausschließlich bei einem von ihr bestimmten Unternehmen eingelöst werden kann.

So argumentieren die Prozessbeteiligten
Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, dass die Beklagte ihm ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon für seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit zur Verfügung stellt. Er hat gemeint, die Beklagte sei hierzu verpflichtet, weil es in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers falle, die notwendigen Arbeitsmittel bereitzustellen. Dieser Grundsatz sei vertraglich nicht wirksam abbedungen worden. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Regelung sei wirksam. Da die bei ihr als Fahrradlieferanten beschäftigten Arbeitnehmer ohnehin über ein Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon verfügten, würden sie durch die Verwendung ihrer eigenen Geräte nicht bzw. nicht erheblich belastet. Darüber hinaus seien etwaige Nachteile durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Aufwendungsersatz geltend machen zu können, und – bezüglich des Fahrrads – durch das von ihr gewährte Reparaturbudget ausgeglichen.

So entschieden die Instanzen
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die in den AGB vereinbarte Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons benachteiligt den Kläger unangemessen und ist daher unwirksam. Die Beklagte wird durch diese Regelung von entsprechenden Anschaffungs- und Betriebskosten entlastet und trägt nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essenziellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Dieses liegt vielmehr beim Kläger. Das widerspricht dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel stellen und für deren Funktionsfähigkeit sorgen muss.

Eine ausreichende Kompensation dieses Nachteils ist nicht erfolgt. Die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit, Aufwendungsersatz verlangen zu können, stellt keine angemessene Kompensation dar. Es fehlt insoweit an einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Zudem würde auch eine Klausel, die nur die ohnehin geltende Rechtslage wiederholt, keinen angemessenen Ausgleich schaffen. Die Höhe des dem Kläger zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets orientiert sich nicht an der Fahrleistung, sondern an der damit nur mittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit.

Der Kläger kann über das Budget auch nicht frei verfügen, sondern es nur bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Unternehmen einlösen. In der Wahl der Werkstatt ist er nicht frei. Für die Nutzung des Mobiltelefons ist überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen.

Arbeitgeber muss Arbeitsmittel zur Verfügung stellen
Der Kläger kann deshalb von der Beklagten verlangen, dass diese ihm die für die vereinbarte Tätigkeit notwendigen essenziellen Arbeitsmittel – ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon, auf das die Lieferaufträge und -adressen mit der hierfür verwendeten App übermittelt werden – bereitstellt. Er kann nicht auf nachgelagerte Ansprüche wie Aufwendungsersatz oder Annahmeverzugslohn verwiesen werden.

Quelle: BAG, Urteil vom 10.11.2021, 5 AZR 334/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht