Ein Umgangsrecht kann dem leiblichen Vater auch im Fall der sogenannten privaten Samenspende zustehen, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Sachverhalt

Die Mutter des mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Antragstellers gezeugten und im August 2013 geborenen Kindes lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft mit einer Lebenspartnerin. Die Lebenspartnerin adoptierte das Kind 2014 mit Einwilligung des Antragstellers im Wege der sog. Stiefkindadoption.

Der Antragsteller hatte zunächst bis 2018 Umgangskontakte mit dem Kind, die entweder im Haushalt der (rechtlichen) Eltern stattfanden oder die außerhalb von einer von ihnen begleitet wurden. Das Kind hat Kenntnis von der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers. Im Sommer 2018 äußerte er gegenüber den Eltern den Wunsch, Umgang mit dem Kind in seiner häuslichen Umgebung und für einen längeren Zeitraum zu haben, was diese ablehnten. Nach zwei weiteren Treffen brach der persönliche Kontakt des Antragstellers zu dem Kind ab.

Leiblicher Vater möchte Umgangsrecht

Der Antragsteller hat eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass er das Kind 14-tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kindertageseinrichtung abholt und es um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt.

Prozessverlauf

Das Amtsgericht (AG) hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden, weil für ein Umgangsrecht keine Rechtsgrundlage bestehe.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der BGH den Beschluss des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Sozial-familiäre Beziehung muss vorliegen

Zwar ist ein direktes Umgangsrecht nicht gegeben, weil dieses nur rechtlichen Eltern zusteht und damit für den Antragsteller als nur leiblichem Vater ausscheidet. Auch ein Anspruch aus dem sog. Umgangsrecht von engen Bezugspersonen besteht nicht. Hierfür ist erforderlich, dass eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet wurde, welche im vorliegenden Fall aber aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte nicht gegeben war.

Kindeswohl im Mittelpunkt

Dagegen ist ein Anspruch nach dem sog. Umgangsrecht des leiblichen Vaters grundsätzlich möglich. Danach hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Dass das Kind mithilfe einer sogenannten privaten Samenspende gezeugt worden ist, hindert die Anspruchsberechtigung des Erzeugers und die Zulässigkeit des Antrags nicht, zumal dem privaten Samenspender im Unterschied zur „offiziellen Samenspende“ bei ärztlich unterstützter Befruchtung auch die Feststellung seiner Vaterschaft nicht kraft Gesetzes versperrt wäre.

Adoption schließt Umgangsrecht nicht aus

Auch die Adoption schließt das Umgangsrecht nicht aus. Insofern besteht kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der – vom Gesetz nicht ausdrücklich berücksichtigten – durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter. Dass der Antragsteller in die Adoption eingewilligt hatte, steht dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließt das Umgangsrecht vielmehr nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehlt es jedenfalls, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte.

Kindeswohl entscheidend

Dies steht auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. Denn das Adoptionsrecht sieht für die sog. offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor. Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, beurteilt sich daher vornehmlich danach, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei muss der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.

Kind darf sich äußern

Das Beschwerdegericht muss nach Zurückverweisung des Verfahrens jetzt prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl dient, und hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anhören.

Quelle: BGH, Beschluss vom 16.6.2021, XII ZB 58/20, Abruf-Nr. 223671 unter www.iww.de

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat jetzt entschieden: Die elterliche Sorge kann gegen den ausdrücklich erklärten Willen eines 13-jährigen Kindes aufrechtzuerhalten sein, wenn eine ausreichende Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern im Übrigen gegeben ist.

Was war geschehen?
Die Beteiligten sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern eines 13-jährigen Kindes. Zwischen dem Kind und dem Antragsgegner bestand seit geraumer Zeit kein Kontakt mehr; jedenfalls seit ungefähr zwei Jahren ist der Kontakt gänzlich abgebrochen. Die Eltern kommunizieren ebenfalls kaum miteinander, die Mutter hat die wesentlichen Entscheidungen für das bei ihr wohnende Kind in der Vergangenheit alleine getroffen. Die Kommunikation beschränkte sich im genannten Zeitraum auf Whatsapp-Chats. Der Vater zahlt für das Kind Kindesunterhalt. Die Mutter beantragte die Übertragung der alleinigen Sorge auf sich. Zum einen entspreche dies dem Wunsch des Kindes, zum anderen sei der Antragsgegner an dem Kind nicht interessiert und übe daher die elterliche Sorge faktisch nicht aus. Der Vater hat sich dem Antrag widersetzt. Er hat anerkannt, dass er sich zuletzt wenig um das Kind gekümmert hat, möchte aber an der elterlichen Sorge festhalten.

Das sagt das Amtsgericht
Das AG hat den Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge zurückgewiesen. Grundsätzlich gilt: Jeder Elternteil kann, wenn Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben und ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge alleine überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Doch was, wenn einem Elternteil Gleichgültigkeit vorgeworfen wird? Dies kann nur Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung der elterlichen Sorge werden, wenn der betreffende Elternteil sich überhaupt nicht um das Kind kümmert. Mangelndes Engagement muss aber nicht zur alleinigen Sorge führen, wenn die Eltern sonst zusammenarbeiten können und das gebotene Maß an Gemeinsamkeiten und wenigstens ein gewisses Interesse für das Kind vorhanden ist. Ein Elternteil kann für die Entwicklung des Kindes zurücktreten und damit weniger wichtig bleiben, während der andere für die tägliche Erziehungsarbeit zuständig ist, ohne dass sich weitere Auswirkungen für die Entwicklung des Kindes ergeben. Oft haben sich die Eltern für dieses Modell schon vor der Trennung entschieden – dann treten ohnehin keine Änderungen ein.

Zurückhaltung ist nicht immer Verantwortungslosigkeit
Motivlage und tatsächliche Hintergründe entziehen sich einer Bewertung von außen fast zwingend. Erkennbare Zurückhaltung ist kein Zeichen von Verantwortungslosigkeit. Verzicht für sich kann wohlbedacht sein, auch um gerade das Kind belastenden Streit zu vermeiden. Maßstab ist wie immer das Wohl des Kindes.

Zeigt ein Elternteil aber nachhaltig kein Interesse an der Entwicklung des Kindes und pflegt keinerlei Kontakt zum Kind, sondern überlässt dem anderen Elternteil die Sorge mit allen Entscheidungen alleine, dann stellt sich berechtigt die Frage, welche gemeinsame Sorge hier noch ausgeübt wird, sodass auf Antrag die Sorge auf den diese tatsächlich ausübenden Elternteil ggf. zu übertragen ist.

Kooperationsbereitschaft war vorhanden
Vor diesem Maßstab sei die gemeinsame elterliche Sorge im vorliegenden Fall nicht aufzuheben. Zwar sei der Antragstellerin zuzugestehen, dass sich die Kommunikation auf ein Mindestmaß beschränke. Allerdings hätten sich auch keine Umstände ergeben, zu denen etwa der Antragsgegner für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht zur Verfügung gestanden hätte. Eine gewisse aktive Grundverantwortung übe der Antragsgegner zudem dadurch aus, dass er den Kindesunterhalt regelmäßig bezahle. Schließlich ergebe sich aus den vorgelegten Chatverlaufsprotokollen, dass der Antragsgegner grundsätzlich an dem Kind Interesse gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund könne von einer gänzlichen Gleichgültigkeit nicht ausgegangen werden, wenngleich die Tatsache, dass sich der Antragsgegner etwa zu den letzten Geburtstagen des Kindes nicht gemeldet habe, nachvollziehbar den Anschein einer Interessenlosigkeit erweckte.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass sich keine zu entscheidenden Konflikte der Eltern in wesentlichen Belangen abzeichneten, der Vater sich in jeder Hinsicht kooperationsbereit erklärt habe und Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung, die das Einvernehmen beider Eltern voraussetzen würden, nicht bevorstünden. In der Vergangenheit hätten die Eltern eine kindeswohldienliche Entscheidung praktizieren können.

Kindeswohl entscheidend
Die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei auch vor dem Hintergrund geboten, dass sich das Kind in der persönlichen Anhörung ausdrücklich für die Alleinsorge der Mutter ausgesprochen habe. Zwar sei der Wunsch des nun 13-jährigen Kindes grundsätzlich anzuerkennen. Indes komme ihm nicht die alleinige oder entscheidende Bedeutung zu. Denn es sei im Rahmen der persönlichen Anhörung offenbar geworden, dass das Kind aufgrund der Erfahrungen der letzten beiden Jahre von dem Antragsgegner enttäuscht sei, diesen indes jedoch nicht gänzlich und dauerhaft ausschließen möchte. Eine Auseinandersetzung mit dem Vater und der Vater-Sohn-Beziehung entspreche auch entwicklungspsychologisch der weiteren persönlichen Entwicklung des Kindes am besten, sodass das Gericht die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch vor diesem Hintergrund als kindeswohldienlicher ansehe.

Quelle: AG Frankenthal, Urteil vom 1.6.2021, 71 F 108/21, PM vom 17.6.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Hält ein Erbe den Nachlass für überschuldet, kann er die Erbschaft ausschlagen. Doch dabei ist Vorsicht geboten, wie ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf zeigt. Hier hatte der Erbe allerdings Glück. Der Erbe war vor allem aufgrund des verwahrlosten Zustands der Wohnung des Erblassers davon ausgegangen, dass dessen Nachlass überschuldet ist. Das aber war ein Irrtum, den das OLG Düsseldorf beachtlich fand.

Sachverhalt
Was war geschehen? Die Polizei hatte den Erblasser tot in seiner völlig vermüllten und verdreckten Wohnung aufgefunden. Nachdem schließlich ein Erbe ermittelt und von der Polizei über den Zustand der Wohnung sowie den Umstand informiert worden war, dass umherliegende Rechnungen und Mahnungen auf erhebliche Nachlassverbindlichkeiten hindeuten würden und sich werthaltige Gegenstände nicht in der Wohnung befänden, hat der Erbe davon abgesehen, sich um die Wohnung zu kümmern.

Nachlassgericht zeigt sich unnachgiebig
Anschließend hat er Kontakt mit dem Nachlassgericht aufgenommen und mit der zuständigen Rechtspflegerin über die Frage der Annahme der Erbschaft bzw. der Ausschlagung gesprochen. Das Nachlassgericht hatte ihn darüber informiert, dass die Bestattung des Erblassers mit öffentlichen Mitteln bezahlt worden sei. Daraufhin hatte der Erbe die Erbschaft schließlich ausgeschlagen.

Später stellte sich heraus, dass der Nachlass ein erhebliches Vermögen umfasst. Der Erbe erklärte nun die Anfechtung der Ausschlagung und beantragte einen Erbschein. Das Nachlassgericht wies diesen Antrag aufgrund der Ausschlagung zurück. Eine dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg und wurde dem OLG vorgelegt.

Oberlandesgericht sieht Anfechtungsgrund
Das OLG gab dem Erben jedoch Recht. Er habe seine Ausschlagungserklärung wirksam angefochten. Entgegen dem Nachlassgericht liege ein Anfechtungsgrund in der Form eines sog. Eigenschaftsirrtums vor. Er sei aufgrund der von ihm in Erfahrung gebrachten Umstände und der aus seiner Sicht abschließend erfolgten Klärung der Vermögensverhältnisse ohne Anhaltspunkte für weitere taugliche Informationsquellen zu der Vorstellung gelangt, dass sich im Nachlass ausschließlich Verbindlichkeiten des Erblassers befinden. Damit hat er sich bei der Erklärung der Erbausschlagung nicht lediglich von einer Befürchtung leiten lassen, sondern von seiner Überzeugung einer bestehenden Überschuldung.

Verfahrenspfleger erforderlich
Das OLG hat die Sache an das Ausgangsgericht zurückverwiesen, da hier die Hinzuziehung eines zu beteiligenden Verfahrenspflegers fehlerhaft unterblieben ist.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2020, I-3 Wx 166/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hält die gesetzliche Regelung des Abstammungsrechts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1592 BGB) für verfassungswidrig. Danach kann die gleichgeschlechtliche Partnerin einer Mutter die Rechte und Pflichten des zweiten Elternteils nicht von Gesetzes wegen mit der Geburt des Kindes, sondern allenfalls über eine Adoption erlangen. Das OLG legt das Verfahren daher dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung dieser verfassungsrechtlichen Frage vor.

Sachverhalt
Die Antragstellerinnen dieses Verfahrens leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und sind inzwischen verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzellenspende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, „Mit-Mutter“ zu sein. Sie bekräftigte dort, „dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind (…) übernehmen“ wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.

„Mit-Mutterschaft“
Nach der Geburt lehnten das zuständige Standesamt und das Amtsgericht (AG) Hildesheim es unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese „Mit-Mutterschaft“ festzustellen. Hiergegen haben sich die Antragstellerinnen mit der Beschwerde an das OLG gewandt. Sie wollen damit erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als „Mit-Mutter“ rechtlich anerkannt wird.

Das OLG hat zunächst darauf hingewiesen, dass diese begehrte Feststellung nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden kann. Mutter eines Kindes ist die Frau, die das Kind geboren hat. Vater eines Kindes ist der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

Gesetzgeber hat abstammungsrechtliche Fragen nicht geregelt
Auf die Ehefrau der Mutter können diese Grundsätze trotz der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiere gemeinsam mit der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehlt der „Mit-Mutter“. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln. An diese Entscheidung seien die Gerichte gebunden und dürften sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen. Insoweit stimmt das OLG mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) überein, der kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird.

Rechte und Pflichten von Eltern
Im Gegensatz zu der Auffassung des BGH geht das OLG Celle aber davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer „Mit-Mutterschaft“ die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht verletzt. Denn nach dem Grundgesetz ist „die Pflege und Erziehung der Kinder (…) das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Diese Verpflichtung beruht nach der Rechtsprechung des BVerfG darauf, dass die Eltern dem Kind das Leben gegeben haben und ihm sozial und familiär verbunden sind.

Nach Auffassung des OLG folgen aus diesen Gesichtspunkten nicht nur die Rechte und Pflichten leiblicher Eltern, sondern – in Fällen der Zeugung des Kindes im Wege einer anonymen Keimzellenspende – auch die Berechtigung und Verpflichtung der Partnerin der Mutter. Auch diese wolle im Einverständnis mit der Mutter für das aus der künstlichen Befruchtung hervorgehende Kind dauerhaft und unauflöslich Verantwortung übernehmen. Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen sei in diesen Fällen die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entstehe. Der hierdurch gegenüber dem Kind begründeten Verpflichtung folge zugleich das Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle brächten durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen.

Grundrecht des Kindes
Aus denselben Gründen ist nach Auffassung des OLG u.a. auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt. Das OLG sah hiernach eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche „Mit-Eltern“ gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Er weist abschließend darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern stellen, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten sind.

Bundesverfassungsgericht wird entscheiden
Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung war das OLG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorzulegen.

Quelle: OLG Celle, Beschluss und PM vom 24.3.2021, 21 UF 146/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Sozialgericht (SG) Dresden hat entschieden, dass eine dauerhaft kahlköpfige Frau von der Krankenkasse auch die Versorgung mit einer Echthaarperücke verlangen darf, wenn sich dies langfristig als die kostengünstigste Variante darstellt.

Im konkreten Fall leidet die Klägerin an einem kompletten Haarverlust am Kopf (Alopezia totalis). Seit Jahren entscheidet sich die Klägerin jeweils für die Versorgung mit einer kurzen bis mittellangen Echthaarperücke, während die Krankenkasse nur den Vertragspreis für eine günstigere Kunsthaarperücke erstattet. Die Krankenkasse vertritt insoweit die Meinung, dass Kunsthaarperücken ausreichend seien und insbesondere auch auf den ersten Blick nicht von einer Echthaarversorgung unterschieden werden könnten. Die Vertragspreise werden mit den Hilfsmittellieferanten für eine Standardversorgung ausgehandelt.

Dies sah das Gericht im Ergebnis und nach Anhörung eines auf Perücken spezialisierten Friseurmeisters anders: Es könne letztlich offenbleiben, ob Kunsthaarperücken immer optisch ausreichend seien, um den Verlust des natürlichen Haupthaares für eine unbefangene Beobachterin zu kaschieren. Jedenfalls sei die Versorgung hier wirtschaftlich gewesen, denn die gewählten Echthaarperücken könnten deutlich länger genutzt werden, bevor sie unansehnlich würden und ausgetauscht werden müssten. Im Fall der Klägerin sei die Echthaarperücke zwar knapp 50 Prozent teurer gewesen, habe jedoch auch doppelt so lange gehalten, bevor eine Neuversorgung erfolgen musste.

Das SG Dresden hat sich allerdings ausdrücklich nicht zu den weitaus häufigeren Fällen der vorübergehenden Haarlosigkeit bei Frauen (z. B. durch die Folgen einer Chemotherapie) positioniert. Hier werden von den SG in Deutschland unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.

Quelle: SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 18.2.2021, S 18 KR 304/18, PM vom 29.3.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wann erhält der mutmaßliche (leibliche) Vater die für den Beginn der Frist zur Anfechtung einer Vaterschaft entscheidende Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat jetzt entschieden: Er erhält sie bereits dadurch, dass er in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter hatte und das Kind eine ihm zum Zeitpunkt der Geburt bekannte Fehlbildung infolge eines Erbdefekts aufweist, die auch er hat.

Der leibliche Vater hatte die Vaterschaft bis zur Einleitung des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nicht anerkannt. Nun verlangte er vergeblich, dass seine Vaterschaft festgestellt wird. Hierzu war er zwar berechtigt. Aber die zweijährige Anfechtungsfrist war schon abgelaufen, was einer gerichtlichen Anfechtung entgegenstand.

Maßgeblich für den Fristbeginn, so das OLG, ist der Zeitpunkt, zu dem der biologische Vater von den Umständen erfährt, die gegen die (rechtliche) Vaterschaft des Ehemanns der Mutter sprechen. Hier hätten sich Zweifel an dessen Vaterschaft schon zum Zeitpunkt der Geburt ergeben müssen. Damit war die zweijährige Anfechtungsfrist bereits abgelaufen.

Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 25.2.2020, 12 UF 12/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Beim Besuch eines Reitturniers müssen Eltern ihr drei Jahre altes Kleinkind so beaufsichtigen, dass es nicht aus dem Blick gelassen wird und ggf. sofort an die Hand genommen werden kann. Erst ab einem Alter von vier Jahren gibt es einen Freiraum, wobei aber eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen für erforderlich gehalten wird. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall, in dem ein kleines Kind in einen Pferdetransporter geklettert und vom Huf eines Pferdes am Kopf getroffen worden war.

Der BGH: Eltern müssen bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber zwar nur für die Sorgfalt einstehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Für grobe Fahrlässigkeit haften sie aber stets. Der Umfang der Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter. Die Grenze richtet sich danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern.

Bei einem Reitturnier darf Kindern ohne ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein kein Freiraum gewährt werden, der es ihnen ermöglicht, in einen Pferdetransporter oder -anhänger von Turnierteilnehmern zu gelangen. Klettert ein nicht beaufsichtigtes dreijähriges Kind in einen Pferdetransporter und wird dort von einem Pferd getreten, haften Eltern und Pferdehalter als Gesamtschuldner, d.h. gemeinsam. Im Innenverhältnis, also zwischen Eltern und Pferdehalter, hafteten die Eltern in diesem Fall allein. Denn die Pferdehalter durften sich auf eine hinreichende Beaufsichtigung von Kindern verlassen.

Quelle: BGH, Urteil vom 19.1.2021, VI ZR 210/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste jetzt die Frage beantworten, wie lange nach Rechtskraft der Scheidung ein Ehegatte vom anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen kann, wenn diese im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht.

Die Beteiligten bewohnten während ihrer Ehe gemeinsam eine Wohnung, die im Alleineigentum des Antragstellers steht. Seit der Trennung im Jahr 2014 und auch über die seit Dezember 2015 rechtskräftige Scheidung hinaus nutzt die Antragsgegnerin die Wohnung allein. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung, die sie im Jahr 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertrug. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie sein Herausgabeverlangen. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht (AG) einen Räumungs- und Herausgabeantrag gestellt. Diesem hat das AG mit einer Räumungsfrist entsprochen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der BGH hat auch die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zwar ist der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht durchsetzbar, solange das Ehewohnungsverfahren eröffnet ist. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung handelt, ist dabei nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen. Das Ehewohnungsverfahren ist jedoch immer eröffnet, wenn es sich bei den Räumen auch während des Getrenntlebens in rechtlicher Hinsicht um die Ehewohnung gehandelt hat.

Diese Sperrwirkung ist im Ergebnis aber zeitlich begrenzt. Denn ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung erlöschen nicht nur die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung, sondern auch diejenigen auf Überlassung der Ehewohnung, wenn sie nicht vorher rechtshängig gemacht worden sind.

Im Fall des BGH war die Jahresfrist längst abgelaufen, ohne dass die Antragsgegnerin Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung gerichtlich geltend gemacht hat. Da ihr auch nicht aus anderen Gründen, etwa einer sonstigen Vereinbarung zwischen den Beteiligten, ein Recht zum Besitz an der Wohnung zusteht, war sie verpflichtet, die Wohnung herauszugeben.

Quelle: BGH, Beschluss vom 10.3.2021, XII ZB 243/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Kunsthistorikerin aus Düsseldorf muss 980.000 Euro Schadenersatz an eine Erbengemeinschaft aus Essen zahlen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden.

Die beklagte Kunsthistorikerin hatte dem Erblasser im Jahr 2009 vier Skulpturen eines spanischen Künstlers für insgesamt 1.000.000 Euro verkauft. Wie das OLG feststellte, handelte es sich dabei jedoch um ungenehmigte Nachgüsse, die lediglich einen (Material-)Wert von 20.000 Euro haben. Im Prozess hatte die Kunstberaterin geltend gemacht, die Skulpturen von ihrem damaligen Ehemann geschenkt bekommen, jedoch jahrelang nicht ausgepackt zu haben und über ihre genaue Herkunft nichts zu wissen. Bei dem damaligen Ehemann handelt es sich um einen später wegen Betruges verurteilten Kunstberater. Der Künstler hatte 22 Originalskulpturen geschaffen, umarbeiten lassen und die hier in Rede stehende Vierergruppe aus dem Originalguss bereits veräußert, als er mit dem Ehemann Abreden zur Verwendung der restlichen Skulpturen traf. Von diesem Gespräch wusste die Kunsthistorikerin.

Nach Auffassung des Gerichts hätte sie Anlass gehabt, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu erkundigen, ob es sich bei den ihr geschenkten Figuren tatsächlich um Originale oder autorisierte Exemplare handelte. Weil sie diese Erkundigungspflicht verletzte und dies nicht offenlegte, muss sie für den Sachmangel der Skulpturen einstehen und der Erbengemeinschaft die Differenz zwischen Kaufpreis und Wert als Schaden ersetzen.

Damit bestätigt das OLG im Wesentlichen ein vorhergehendes Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf. Dieses richtete sich auch gegen den früheren Ehemann, der jedoch seine Berufung zurückgenommen hat. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Beklagte eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 2.2.2021, 3 U 22/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Mit einer zurückverlangten Schenkung hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg befasst. Kann eine Schwiegermutter von einem „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ ausgehen, wenn die Ehe scheitert, und daraufhin ihren ehemaligen Schwiegersohn zur Kasse bitten?

Das war der Sachverhalt
Die Klägerin, die Schwiegermutter des Ehemanns, verlangte von diesem 37.600 Euro zurück. Sie argumentierte, es liege ein sogenannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vor: Der Grund für die Schenkung sei die Förderung der Ehe zwischen ihrer Tochter und dem Ehemann gewesen. Ihre Erwartung, dass die Ehe Bestand haben werde, habe sich nicht erfüllt. Sie könne daher den Wert der Schenkung abzüglich eines Abschlags für die Zeit, die die Ehe noch bestanden habe, herausverlangen.

So argumentierte der Ex-Ehemann
Der Ehemann wies den Anspruch zurück. Er trug vor, die Klägerin habe die Wohnung ohnehin nicht mehr haben wollen, weil sie sich mit den Mietern gestritten habe und Renovierungsarbeiten angestanden hätten. Er und seine ehemalige Frau hätten viel Geld in die Wohnung gesteckt.

Schenkung: Keine Gegenleistung erforderlich
Das OLG Oldenburg bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts (AG) Osnabrück, nach der kein sogenannter „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vorliege und der Ehemann daher keine Rückzahlung schulde.

Es habe sich um eine Schenkung gehandelt, deren Rechtsnatur es nun einmal sei, dass keine Gegenleistung geschuldet sei und dass sie grundsätzlich nur bei einer schweren Verfehlung des Beschenkten gegen den Schenker zurückgefordert werden könne.

Beachten Sie Etwas anderes könne bei der Übertragung einer Immobilie an das Kind und Schwiegerkind als Familienheim gelten. In einem solchen Fall einer zur Selbstnutzung geschenkten Immobilie bestehe ein direkter Zusammenhang mit der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sodass unter Umständen beim Scheitern der Ehe eine Rückforderung in Frage komme.

Begründung des Oberlandesgerichts
Hier sei aber die Immobilie als Renditeobjekt geschenkt und genutzt worden. Die Klägerin habe daher nicht damit rechnen können, dass die Immobilie langfristig für die Lebens- und Beziehungsgestaltung der Ehegatten genutzt werde. Hinzu komme, dass Motiv für die Schenkung nicht nur die Ehe der Tochter, sondern auch das Ersparen weiteren Ärgers mit den Mietern und der Renovierungsaufwendungen gewesen sei. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass allein der Fortbestand der Ehe die Geschäftsgrundlage für die Übertragung gewesen sei. Eine Rückforderung komme daher nicht in Betracht.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.10.2020, 11 UF 100/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl