Pressemitteilung zum Urteil vom 28. Januar 2010

Ist ein Arbeitnehmer nicht in der Lage, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen
zu lesen, so kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Es
stellt keine nach § 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der
ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis
der deutschen Schriftsprache verlangt, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich
ist. Der Arbeitgeber verfolgt ein im Sinne des Gesetzes legitimes, nicht diskriminierendes
Ziel, wenn er – zB aus Gründen der Qualitätssicherung – schriftliche
Arbeitsanweisungen einführt.

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Befindet sich ein Arbeitnehmer in der Elternzeit, kann ihm gleichwohl gekündigt werden, wenn der Betrieb stillgelegt wird.

Diese Entscheidung traf das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Fall einer schwangeren Arbeitnehmerin, die drei Jahre Elternzeit in Anspruch nehmen wollte. Wegen Insolvenz des Arbeitgebers stellte dieser seinen Betrieb ein. Die zuständige Behörde genehmigte die Kündigung der Arbeitnehmerin unter der Bedingung, dass sie erst zum Ende der Elternzeit wirksam werde. Die Richter hielten diese Einschränkung jedoch nicht für erforderlich. Die dauerhafte Stilllegung eines Betriebs stelle einen besonderen Fall dar. Sie ermächtige die Behörden, einer Kündigung während der Elternzeit zuzustimmen. Durch das Kündigungsverbot solle die Arbeitnehmerin nur vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschützt werden. Ihr Interesse an einer beitragsfreien Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung sei dagegen nicht schützenswert (BVerwG, 5 C 32/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Legt der Arbeitnehmer trotz einschlägiger mehrfacher Abmahnung an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Raucherpause ohne Ausstempeln ein, kann dies ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung sein.

Das musste sich ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Duisburg sagen lassen. Er war im Laufe des Jahres mehrfach abgemahnt worden, weil er Raucherpausen genommen hatte, ohne vorher auszustempeln. Im Betrieb des Arbeitgebers galt die Regelung, dass bei einer sogenannten Raucherpause vorher auszustempeln ist. Als der Arbeitgeber feststellte, dass der Arbeitnehmer erneut an drei aufeinanderfolgenden Tagen ohne vorherige Bedienung des Zeiterfassungsautomaten Raucherpausen genommen hatte, sprach er die fristlose Kündigung aus.

Zu Recht entschied das Arbeitsgericht. Angesichts des wiederholten Verstoßes, für den der Arbeitnehmer auch keine nachvollziehbare Begründung liefern konnte, sei die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen. Auch der kurzzeitige Entzug der Arbeitsleistung sei eine gravierende Vertragsverletzung, die das für die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zerstöre (Arbeitsgericht Duisburg, 3 Ca 1336/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die körperliche Erholung gehört nicht zum geschützten Urlaubszweck.

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln könne dem Arbeitnehmer daher nicht verboten werden, während seines Urlaubs im Betrieb des Ehepartners mitzuarbeiten. Derartige Tätigkeiten seien zudem regelmäßig als Familienmithilfe zu qualifizieren, die dem Urlaubszweck nicht widersprechen. Die Richter erklärten daher eine Kündigung für unwirksam, die der Arbeitgeber ausgesprochen hatte, weil die Arbeitnehmerin während ihres Urlaubs den Weihnachtsmarktstand ihres Ehemannes betreute (LAG Köln, 2 Sa 674/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Klagt der Arbeitnehmer erfolgreich gegen eine sozialwidrige Kündigung, kann er die gerichtliche Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn das Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung je nach den Umständen geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu begründen.

Dies kann nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein der Fall sein, wenn der Arbeitgeber durch Aufstellung völlig haltloser Kündigungsgründe einer Pflegekraft jegliches Verantwortungsbewusstsein abspricht. Betroffen war eine langjährig beschäftigte Altenpflegehelferin in einer Seniorenwohnanlage. Der Arbeitgeber warf ihr vor, eine an Parkinson leidende Bewohnerin leichtfertig angerempelt und so zu Fall gebracht und anschließend nicht versorgt zu haben. Er kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristgerecht. In der vorangegangenen Betriebsratsanhörung berief er sich auf diese Vorwürfe und stellte abschließend fest, dass die Pflegerin aufgrund des gezeigten Verhaltens auf einer Pflegestation zur Betreuung auch sehr kranker Bewohner nicht tragbar sei. Das Arbeitsgericht Lübeck hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und auf Antrag der Altenpflegerin das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Die hiergegen eingelegte Berufung des Arbeitgebers blieb erfolglos.

Das LAG stellte fest, dass die Kündigung wegen fehlender vorheriger Abmahnung sozialwidrig sei. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Altenpflegerin über 10 Jahre beanstandungsfrei gearbeitet habe. Der Auflösungsantrag sei ebenfalls begründet. Auch wenn der Arbeitgeber die Behauptung, die Pflegerin habe die Bewohnerin „angerempelt“ oder „umgerannt“ inzwischen in „gestreift“ modifiziert habe und nunmehr vortrage, die Pflegerin habe sich nicht „ausreichend“ um die Bewohnerin gekümmert, stünden die zuvor erhobenen Vorwürfe im Raum. Der Arbeitgeber habe die Pflegerin der Verantwortungslosigkeit bezichtigt, welches gerade für Mitarbeiter im Pflegebereich einen schweren Vorwurf darstelle. Bei derart extremen Vorwürfen, die in ihrer Intensität nicht aufrechterhalten werden könnten, sei zu befürchten, dass der Arbeitgeber in anderen Fällen ähnliche Verhaltensweisen zeigen werde. Vor diesem Hintergrund sei der Altenpflegerin vorliegend nicht zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (LAG Schleswig-Holstein, 2 Sa 105/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein illegales Beschäftigungsverhältnis liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, ohne dass ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können.

Das musste der Inhaber einer Baggerbetriebs vor dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz erfahren. Er hatte einen Mitarbeiter auf der Grundlage eines sogenannten „Subunternehmervertrags“ beschäftigt. Der Rentenversicherungsträger stufte diesen Vertrag nach einer Betriebsprüfung hingegen als abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein. Entsprechend forderte er von dem Arbeitgeber Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen und Umlagebeiträgen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz in Höhe von über 10.000 EUR nach. Dabei legte er die Zahlungsbeträge, die in den anlässlich der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellten Rechnungen ausgewiesen waren, als Nettoentgelt zugrunde und errechnete hieraus die jeweiligen Bruttobeträge. Der Arbeitgeber räumte zwar ein, dass die Einstufung des Mitarbeiters als Arbeitnehmer wohl zu Recht erfolgt sei. Es habe sich jedoch nicht um ein illegales Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Er sei von einem Subunternehmensvertrag ausgegangen und habe den Vertrag auch entsprechend durchgeführt. Seine Klage blieb jedoch ohne Erfolg.

Die Richter wiesen darauf hin, dass nach dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei einem illegal beschäftigten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen im Rahmen der Berechnung der nachzufordernden Sozialversicherungsbeiträge als Nettoarbeitsentgelt gelten. Eine illegale Beschäftigung im Sinne des Gesetzes läge bereits vor, wenn gegen für das Beschäftigungsverhältnis geltende gesetzliche Vorschriften verstoßen werde. Es genüge etwa, wenn der Arbeitgeber seiner Meldepflicht oder seiner Pflicht zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht nachgekommen sei. Unerheblich sei hingegen, ob den Beteiligten überhaupt bewusst gewesen sei, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Selbst wenn den Beteiligten weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, könne ein illegales Beschäftigungsverhältnis vorliegen (LSG Rheinland-Pfalz, L 6 R 105/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das – zumindest stillschweigend – erklärte Einverständnis eines Arbeitnehmers damit, dass der Arbeitgeber auf seiner Homepage ein am Arbeitsplatz aufgenommenes Foto des Arbeitnehmers veröffentlicht, erlischt nicht ohne Weiteres automatisch im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich Gegenteiliges erklärt hat.

So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Rechtsstreit eines Arbeitnehmers. Dieser hatte nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Änderung von dessen Homepage verlangt. Er verlangte die Löschung eines Fotos der Betriebsräume, auf denen er zu sehen war. Das LAG wies seine Klage jedoch ab. Die Richter sahen keine Anspruchsgrundlage für das Löschungsverlangen. Das Foto auf der Homepage diene reinen Illustrationszwecken. Es habe keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt. Der Arbeitnehmer sei auf dem Foto quasi nur „Beiwerk“ (LAG Köln, 7 Ta 126/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nimmt ein Systemadministrator unerlaubt Einsicht in fremde E-Mails, stellt dies einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß dar, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) München im Fall eines Systemadministrators. In dieser Eigenschaft hatte er auf die E-Mails eines Geschäftsführers zugegriffen. Die Richter sahen darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten, da er unter Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse und technischen Möglichkeiten auf interne Korrespondenz zugegriffen habe. Seine fristlose Kündigung sei daher gerechtfertigt (LAG München, 11 Sa 54/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Allein die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einer mit einem kw-Vermerk (kann wegfallen) versehenen Stelle rechtfertigt keine Befristung des Arbeitsverhältnisses.

Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Arbeitnehmerin, die vom 1. April 2003 bis zum 31. Dezember 2006 befristet bei der beklagten Körperschaft und ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt war. Die Parteien schlossen am 15. September 2006 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007. Die Arbeitnehmerin erhielt Vergütung nach Entgeltgruppe 5. In dem vom Vorstand der Beklagten aufgestellten, von der Vertreterversammlung festgestellten und der Bundesregierung genehmigten Haushaltsplan der Beklagten für das Jahr 2007 waren 67 Stellen der Entgeltgruppe 5 mit dem Vermerk „kw 31.12.2007“ versehen.

Die gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2007 gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags sachlich gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet werde, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt seien, und er entsprechend beschäftigt werde. Eine solche Befristung erfordere die Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln, die vom Haushaltsgeber im Haushaltsplan für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen seien. Diesen Anforderungen genüge die Ausbringung eines kw-Vermerks nicht. Aus einem kw-Vermerk allein ergebe sich auch nicht, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nur ein vorübergehender betrieblicher Bedarf bestehe (BAG, 7 AZR 162/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr kann eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) hin. Die Richter erläuterten, dass Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren typischerweise gegenüber Arbeitnehmern im ersten Berufsjahr ein höheres Lebensalter aufweisen würden. Eine solche Beschränkung könne gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber mit ihr ein rechtmäßiges Ziel verfolge und sie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sei. Seien die hierfür vom Arbeitgeber angeführten Gründe offensichtlich ungeeignet, verstoße er grob gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung nach dem AGG.

Im vorliegenden Fall gab das BAG daher dem Antrag eines Betriebsrats statt, der von dem Arbeitgeber verlangt hatte, in internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten Berufsjahres zu verzichten. Der Arbeitgeber hatte sich hierfür auf das von ihm vorgegebene Personalbudget berufen. Diese Begründung war nach Ansicht der Richter offensichtlich ungeeignet, den Bewerberkreis von vornherein auf jüngere Beschäftigte zu begrenzen (BAG, 1 ABR 47/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl