Die Beschwerde einer Arbeitnehmerin über eine Abmahnung rechtfertigt es nicht, eine Einigungsstelle einzusetzen. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg.

Arbeitnehmerin fühlt sich zu Unrecht abgemahnt

Eine Arbeitnehmerin fühlte sich durch eine Abmahnung ungerecht behandelt. Der Betriebsrat sah das ebenso, konnte aber mit dem Arbeitgeber keine Einigung erzielen. Er beantragte daher, eine Einigungsstelle einzusetzen.

Landesarbeitsgericht: Einigungsstelle nicht zuständig

Das LAG erteilte ihm jedoch eine Absage. Es stellte klar, dass die Einrichtung einer Einigungsstelle vorliegend nicht in Betracht kommt, da diese offensichtlich unzuständig ist. Nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (hier: § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG) ist der Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle zurückzuweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Frage kommt.

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (hier: § 85 Abs. 2 S. 1 BetrVG) kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn zwischen ihm und dem Arbeitgeber eine Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung einer Beschwerde besteht. Deren Spruch ersetzt gemäß § 85 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Einigung zwischen ArbG und Betriebsrat. Dies gilt jedoch gemäß § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG nicht, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers ist. Zur Durchsetzung solcher Rechtsansprüche dient allein der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Aus dieser Einschränkung folgt zugleich, dass die Einigungsstelle für die Behandlung von Beschwerden, die einen Rechtsanspruch betreffen, nicht zuständig ist.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.2.2025, 10 TaBV 29/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Trotz erfolgreich absolviertem ersten juristischen Staatsexamen hat ein Antragsteller, der erwiesenermaßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, keinen Anspruch darauf, den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) zu durchlaufen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz.

Fehlende Verfassungstreue

Der Antragsteller wollte nach erfolgreichem Jurastudium als Rechtsreferendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten. Dies lehnte das Oberlandesgericht (OLG) wegen fehlender Verfassungstreue des Antragstellers ab. Dieser suchte daraufhin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nach, ihn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses einzustellen.

Eindeutige Publikationen

Der Antrag blieb ohne Erfolg. Dem Antragsteller, so das VG, fehle der notwendige sog. Anordnungsanspruch. Aus den einschlägigen Vorschriften des Landesgesetzes über die juristische Ausbildung sowie des Landesbeamtengesetzes folge, dass die juristische Ausbildung am Leitbild einer dem Rechtsstaat verpflichteten Person zu orientieren sei. Rechtsreferendare müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Der Antragsteller werde dem nicht gerecht, wie von ihm verfasste und publizierte Texte belegten.

In einem von ihm geschriebenen Roman würden beispielsweise schwarze Menschen durch die Verwendung menschenverachtender Bezeichnungen pauschal herabgewürdigt. Es werde hierin behauptet, ein – namentlich genannter – österreichischer Fußballspieler, der dunkelhäutig sei, könne kein Deutscher oder Österreicher sein. In einem anderen Text attestierte er dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Demontage des Volksbegriffs. Der von dem Antragsteller vertretene Volksbegriff mit der Forderung nach einer „positiven Erneuerung Deutschlands“ könne nur als Forderung nach einer Umkehrung eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs“ verstanden werden. Zudem sei der Antragsteller Mitglied bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ und dem Verein „Ein Prozent e. V.“ gewesen. Er habe in beiden Organisationen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Frühjahr 2023 als gesichert rechtsextremistisch einstufe, zumindest zeitweise herausgehobene Funktionen übernommen.

Die Entscheidung ist bestandskräftig.

Quelle: VG Koblenz, Beschluss vom 9.5.2025, 5 L 416/25.KO

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden.

Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung

Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustelle beschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.

Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall

Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.

Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt

Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.

Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung

Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z.B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.

Quelle: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Das war geschehen

Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.

Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor

Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.

Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende

Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.

Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.

Quelle: BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Verwendung eines abstrakt gefährlichen Gegenstands – hier eines Klappmessers – zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch – hier Reparaturversuch an einer Uhr – läuft den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider und steht deshalb der Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Mit dem Messer versucht, Klemmfeder zu richten

Der mittlerweile pensionierte Kläger war Polizeivollzugsbeamter im saarländischen Landesdienst. Im April 2019 erstattete er bei seiner Dienststelle eine Dienstunfallanzeige. Danach habe er zu Dienstbeginn festgestellt, dass die sonst über der Tür hängende Wanduhr auf der Fensterbank gelegen habe. Es sei ihm aufgefallen, dass die Batterie der Uhr unsachgemäß im Batteriefach gesteckt habe und die Klemmfeder verbogen gewesen sei. Er habe mit seinem Klappmesser die verbogene Feder wieder richten wollen. Hierbei sei das Messer zugeschnappt und er habe sich einen tiefen Schnitt am kleinen Finger der rechten Hand zugezogen.

Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls

Sein Antrag auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall ist behördlich und in den beiden gerichtlichen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwiderlaufe, wenn ein Beamter sich ohne Not einem Verletzungsrisiko durch Hantieren mit einem privaten, abstrakt gefährlichen Gegenstand aussetze, dessen Funktionstauglichkeit der Dienstherr nicht prüfen könne.

Keine dienstliche Aufgabe

Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall. Zwar hat sich der Unfall in einem Dienstgebäude zur Dienstzeit ereignet und ist damit grundsätzlich als „in Ausübung des Dienstes eingetreten“ vom Dienstunfallschutz erfasst. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparatur der Uhr nicht zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers als Polizeibeamter gehörte. Dienstunfallschutz wird jedoch nicht gewährt, wenn die Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft. Das ist hier der Fall.

Entgegen den Interessen des Dienstherrn

Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne des Waffengesetzes handelte und das Führen des Messers bereits deshalb verboten war. Jedenfalls lief die Benutzung dieses Messers zum Zweck einer Uhrreparatur den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn zuwider. Das verwendete Messer ist ein abstrakt gefährlicher Gegenstand, der für den Zweck der Reparatur ersichtlich nicht bestimmt und nicht geeignet war.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 13.3.2025, 2 C 8.24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Bewerber um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugdienst kann verlangen, nicht wegen eines genetisch bedingten erhöhten Thromboserisikos vom Bewerbungsverfahren der Bundespolizei ausgeschlossen zu werden. Bei der beim Kläger diagnostizierten sog. Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt, bei dem es zu Störungen der Blutgerinnung kommt und der mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergeht. Die Entscheidung der Bundespolizeiakademie, die Bewerbung des Klägers um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst im Jahr 2023 aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung nicht zu berücksichtigen, hatte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Aachen keinen Bestand. Über die Bewerbung des Klägers muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden werden.

Geringe Risiken

Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass es bereits in erheblichem Maße zweifelhaft ist, ob hinreichende sachliche Gründe für den Ausschluss von Beamten mit einem solchen Gendefekt bestehen. Denn das durch eine solche Mutation bedingte Thromboserisiko ist verhältnismäßig gering. In der beim Kläger vorliegenden Form ist es zwar gegenüber gesunden Menschen erhöht, entspricht jedoch ungefähr dem Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille bei Frauen und damit einem Risiko, das der Dienstherr als hinnehmbar ansieht.

Ergebnisse der genetischen Untersuchung durften nicht mitgeteilt werden

Unabhängig davon durfte der Gendefekt nicht zulasten des Klägers im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden, weil er aufgrund einer genetischen Untersuchung diagnostiziert wurde. Die Mitteilung des diesbezüglichen Ergebnisses durfte die Bundespolizei aus Rechtsgründen nicht verlangen.

Quelle: VG Aachen, Urteil vom 10.3.2025, 1 K 1304/23, PM vom 10.3.2025

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, muss er ihm in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Das LAG: Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 23.8.2024, 6 Sa 663/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Der professionelle Einsatz eines vollautomatischen Wanddruckers stellt kein zulassungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk dar. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Laut Handwerkskammer bestand Meisterzwang

Die Antragstellerin stellt sog. Wanddrucker her, mit denen sich individuell vom Verwender programmierte Motive großflächig auf eine in der Regel vertikale Fläche auftragen lassen. Einer Käuferin des Wanddruckers wurde auf Nachfrage von der Handwerkskammer Berlin mitgeteilt, dass die gewerbliche Nutzung des Geräts zulassungspflichtig im Maler- und Lackierer-Handwerk sei und daher nur mit Fachkundenachweis und Eintrag in der Handwerksrolle gewerblich ausgeführt werden dürfe. Die Käuferin veröffentlichte die Auskunft auf ihrer Internetseite und erklärte, wegen des „Meisterzwangs“ keine Aufträge mehr für den Wanddrucker annehmen zu können.

Die Antragstellerin verlangte daraufhin von der Handwerkskammer insbesondere, diese – aus ihrer Sicht falsche – Auskunft zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen. Die Veröffentlichung der Auskunft im Internet verursache ihr einen immensen wirtschaftlichen Schaden, weil die meisten ihrer Kunden über keinen entsprechenden Fähigkeitsnachweis verfügten. Nachdem die Handwerkskammer eine gesetzte Frist verstreichen ließ, hat die Antragstellerin bei Gericht einen Eilantrag und Klage eingereicht.

Verwaltungsgericht widersprach

Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben. Begründung: Die Nutzung eines (vollautomatischen) Wanddruckers stelle für sich genommen regelmäßig keinen handwerklichen Betrieb eines Maler- und Lackierer-Handwerks dar. Sie sei vielmehr ohne Nachweis eines Fachkundenachweises oder einer Eintragung in die Handwerksrolle zulässig.

Weder Fachkundenachweis noch Eintragung in die Handwerksrolle notwendig

Die händischen Arbeitsschritte beim Bedienen des Wanddruckers beschränkten sich auf die Vorbereitung des Druckers und des Motivs sowie das Farbmanagement. Das Verbringen der Farbe auf die Oberfläche – als Kernbereich des Malerhandwerks – erfolge indes automatisiert. Angesichts der überschaubaren Komplexität und Schwierigkeit der Bedienung des Druckers genüge nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin eine zweitägige Schulung in aller Regel, um zufriedenstellende Ergebnisse mit dem Wanddrucker zu erzeugen. Die nötigen Vorbereitungshandlungen und das Mischen von Farben seien keine wesentlichen Tätigkeiten bei der Benutzung des Druckers, weil sie jedenfalls in unter drei Monaten erlernt werden könnten.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle: VG Berlin, Beschluss vom 19.2.2025, VG 4 L 847/24, PM vom 24.2.2025

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Sichtbare Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht, wenn sie inhaltlich unbedenklich sind. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Tätowierungen auf den Handrücken

Die Antragstellerin begehrt die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei. Sie trägt unter anderem auf beiden Handrücken Tätowierungen. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder. Die Tattoos bedecken jeweils einen Großteil ihrer Handrücken. Die Berliner Polizei lehnte ihre Bewerbung deshalb ab. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag eingereicht.

Das VG hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben und das Land Berlin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt sie aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich könne einer Einstellung nur entgegenstehen, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen.

Rosenblüten und Namen der Kinder: unkritischer Inhalt

Dies sei hier nicht der Fall. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet. Jedenfalls seien die Tattoos der Antragstellerin trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen. Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren.

Quelle: VG Berlin, Beschluss vom 27.2.2025, VG 26 L 288/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die gesundheitliche Eignung für den Polizeidienst ist anzunehmen, wenn die Bewerber den besonderen Anforderungen dieses Dienstes genügen. Dies gilt nicht nur für den aktuellen Gesundheitszustand, sondern auch für künftige Entwicklungen, die angesichts einer bekannten Vorerkrankung zu erwarten sind. Bei einem gegenwärtig voll polizeidienstfähigen Bewerber kann die gesundheitliche Eignung aber nur verneint werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Schlaganfall während der Ausbildung

Der Kläger erlitt während seiner Ausbildung zum Polizeikommissar im Beamtenverhältnis auf Widerruf einen Schlaganfall, konnte aber ohne weitere fortdauernde gesundheitliche Beeinträchtigungen sein Studium an der Hochschule der Polizei einschließlich der geforderten Sportleistungen erfolgreich abschließen. Die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe lehnte das Land u.a. mit der Begründung ab, der Kläger sei wegen der erhöhten Gefahr eines weiteren Schlaganfalls nicht mehr uneingeschränkt polizeidienstfähig.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Verwaltungsgericht (VG) hat das Land verpflichtet, den Kläger unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Polizeidienst einzustellen. Nach den medizinischen Feststellungen des Sachverständigen betrage das Risiko eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen der Altersgrenze rund 35 %. Auf die Berufung des Landes hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) die Klage abgewiesen. Bei Polizeibeamten seien wegen der besonderen Einsatzlagen besondere Anforderungen zu stellen. Bewerber für den Polizeidienst seien auch dann wegen fehlender Polizeidienstfähigkeit abzulehnen, wenn bei ihnen das gegenüber der Normalbevölkerung deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt einer solchen Erkrankung bestehe, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für den Beamten selbst oder für Dritte darstellen könne. Dies sei beim Kläger wegen der im Vergleich zur Normalbevölkerung 380-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres der Fall.

Bundesverwaltungsgericht: Anforderungen nicht überdehnen

Das BVerwG hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Berufung des Landes gegen das Urteil des VG zurückgewiesen. Für die Beurteilung der Frage, ob aktuell gesundheitlich geeignete Bewerber voraussichtlich wegen einer Vorerkrankung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze polizeidienstunfähig werden, ist kein anderer Prognosemaßstab anzuwenden als bei Bewerbern für den allgemeinen Verwaltungsdienst. In beiden Fallgruppen gilt der Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d. h. eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 %. Diese Voraussetzung ist ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erfüllt. Auch die Annahme einer bereits gegenwärtig eingeschränkten Polizeidienstfähigkeit im Hinblick auf die möglichen Folgen eines „Rückfalls“ während eines Polizeieinsatzes überdehnt die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern. Ein strengerer Maßstab für den Polizeidienst kann ohne gesetzgeberische Vorgabe nicht angelegt werden.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 13.2.2025, 2 C 4.24, PM 8/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl