Häufig berufen sich ausführende Unternehmer auf das Leistungsverweigerungsrecht, um sich aus der Mängelbeseitigungspflicht herauszuwinden. Das geht nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig dann nicht, wenn die Ausführung nicht dem aktuellen Bauordnungsrecht entsprach. In dem Fall muss der ausführende Unternehmer auch dann nachbessern, wenn sich die konkrete Ausführungsart aus seinem Bauvertrag nicht ergab.

Mit anderen Worten: Ausführende Unternehmen müssen zwingend die technischen Baubestimmungen einhalten, die zum Zeitpunkt der Abnahme gelten. Haben sich zwischen der Abnahme und Mängelbeseitigung die anerkannten Regeln der Technik geändert, müssen die neuen anerkannten Regeln der Technik im Bauwerk umgesetzt werden. Davon unberührt ist die Frage der Vergütung. Der Auftraggeber ist dann ausgleichspflichtig, wenn ihm durch die Nachbesserung nach aktuellem Regelwerk ein Mehrwert entsteht.

Quelle: OLG Schleswig, Urteil vom 1.2.2019, 1 U 42/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Neue Technik bringt neue Rechtsprobleme und dann auch neue Entscheidungen. Wir stellen Ihnen dazu eine Entscheidung zur Geschwindigkeitsüberschreitung begangen mit einem Elektrofahrzeug vor.

Das Kammergericht (KG) musste entscheiden, ob ein mit dem Zusatzzeichen „Lärmschutz“ versehenes Streckenverbot (Geschwindigkeitsbegrenzung) auch vom Fahrer eines geräuscharmen Elektrofahrzeugs beachtet werden muss. Das KG hat die Frage bejaht. Begründung: Es hängt nicht davon ab, wie viele derartige Fahrzeuge zugelassen sind. Die Wirksamkeit von Verkehrsregelungen muss klar, einfach und deutlich sein. Sie von empirischen Erhebungen abhängig zu machen, würde den Normappell schwächen und die Verkehrssicherheit gefährden. Möchte der Betroffene schneller fahren dürfen als andere Verkehrsteilnehmer, muss er dies dadurch erreichen, dass dem Zeichen 274 ein Zusatzzeichen hinzugefügt wird, das Elektrofahrzeuge vom Streckenverbot ausnimmt. Ein solches Verwaltungsverfahren wäre auch der Ort, an dem die Gefährlichkeit des Mitzieheffekts erörtert werden könnte. Hier wäre gegebenenfalls auch die aufgestellte Behauptung zu wiederholen, ein Elektrofahrzeug fahre – unabhängig von der Geschwindigkeit – stets „geräuschlos“.

Quelle: KG, Beschluss vom 13.12.2018, 3 Ws (B) 296/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer ein Fahrzeug von einem in Bulgarien ansässigen Verkäufer erwirbt, kann Ansprüche wegen eines angeblichen Betrugs über Mängel des Fahrzeugs nicht vor deutschen Gerichten geltend machen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall einer Autokäuferin entschieden. Die Frau war über eine Internetplattform auf einen dort angebotenen Porsche 911 Turbo aufmerksam geworden. Die Anzeige enthielt keine Hinweise auf Unfallschäden oder Mängel des Fahrzeugs, das u. a. als „reines Schönwetterfahrzeug in makellosem Bestzustand“ beschrieben wurde. Als Verkäuferin des Fahrzeugs war eine in Bulgarien ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (EOOD) ausgewiesen. Über deren Vertreter in Deutschland nahm die Frau Kontakt auf. Sie zahlte den Kaufpreis von ca. 60.000 EUR an die Gesellschaft. Dann fuhr sie nach Bulgarien, um das Fahrzeug abzuholen. Dort unterschrieb sie – des Bulgarischen nicht mächtig – einen in bulgarischer Sprache abgefassten schriftlichen Kaufvertrag. Bei dieser Gelegenheit erfuhr sie, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einmal gestohlen worden war. Über den weiteren Inhalt der vor Ort geführten Gespräche bestand zwischen den Parteien Streit. Tatsächlich befand sich das Fahrzeug nicht „in makellosem Bestzustand“. Es wies vielmehr zahlreiche Mängel u. a. infolge eines schweren Unfalls auf.

Die Frau hat die Verkäuferin deshalb vor dem Landgericht Hannover auf Schadenersatz in Anspruch genommen und die Klage ausdrücklich (nur) auf gesetzliche Ansprüche wegen einer behaupteten Täuschung im Sinne eines Betrugs (§ 263 StGB) gestützt. Dies deshalb, weil für vertragliche Ansprüche aus dem Kaufvertrag vorliegend in jedem Fall bulgarische Gerichte zuständig wären und die Beklagte deshalb nicht in Deutschland verklagt werden kann.

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Hannover (Az. 20 O 143/16) hat seine internationale Zuständigkeit in dieser Sache bejaht und die Beklagte verurteilt. Die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten hatte allerdings Erfolg. Das OLG hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass das Landgericht tatsächlich nicht zuständig war. Die europarechtlichen Vorschriften sehen unter bestimmten Voraussetzungen zwar Möglichkeiten vor, Personen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten im eigenen Land (hier: Deutschland) zu verklagen (Art. 7 EuGVVO). Diese Voraussetzungen lägen in diesem Fall aber nicht vor.

Auch wenn die Käuferin den Schadenersatzanspruch nur auf den behaupteten Betrug stütze – für dessen Feststellung deutsche Gerichte zuständig wären, wenn die Täuschung in der Bundesrepublik stattgefunden hat – müsse hier berücksichtigt werden, dass die behauptete Täuschung über Fahrzeugmängel zugleich einen Verstoß gegen die Verpflichtung der Beklagten zur Lieferung eines vertragsgemäßen (mangelfreien) Porsches darstelle. Deshalb könne der gesetzliche Anspruch nicht festgestellt werden, ohne den Inhalt des Vertrags und die Umstände des Vertragsschlusses zugrunde zu legen. Für deren Prüfung seien aber die bulgarischen Gerichte zuständig.

Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Einer in Bulgarien zu erhebenden Klage steht das hier durchgeführte Verfahren deshalb grundsätzlich nicht entgegen.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 6.2.2019, 7 U 102/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Geschenkt oder nur geliehen? Die Frage stellt sich immer wieder, wenn zwischenmenschliche Beziehungen enden und Streit um gezahlte Gelder entsteht. Entschieden werden kann die Frage aber nur im jeweiligen Einzelfall.

Das zeigt ein Rechtsstreit vor dem Landgericht (LG) Köln. Der 75-jährige Kläger hatte seiner 37-jährigen Bekannten mehr als 80.000 EUR zukommen lassen. Als er die Rückzahlung verlangte, warf sie ihm verschmähte Liebe vor und berief sich auf Schenkungen. Die Parteien lernten sich im Jahr 2008 kennen, als die Beklagte während ihres Studiums im Betrieb des Klägers als Aushilfskraft arbeitete. Es entwickelte sich ein mindestens freundschaftliches Verhältnis. Das führte dazu, dass der Kläger zwischen Mai 2012 und Mai 2013 Bafög-Schulden und ein überzogenes Konto der Beklagten mit Zahlungen von mehr als 8.000 EUR ausglich. Im Frühjahr 2013 stellte der Kläger der Beklagten sogar rund 74.000 EUR für den Erwerb einer Wohnung in Istanbul zur Verfügung. Erstmals im Oktober 2016 forderte er sämtliche Gelder zurück und reichte schließlich Klage beim Landgericht Köln ein.

Dieses sah sich mit völlig unterschiedlichen Versionen zum Hintergrund der überlassenen Geldbeträge konfrontiert. Während der Kläger sich auf die Gewährung von Darlehen im Rahmen einer jahrelangen Freundschaft berief, behauptete die Beklagte, es habe eine Liebesbeziehung gegeben. Das hätte den Kläger dazu veranlasst, ihr die Geldbeträge zu schenken. Die Rückforderung erfolge nun aus verschmähter Liebe. Von dem Geld für die Wohnung habe sie dem Kläger zudem einen Großteil in bar zurückgegeben, als dieser sie in Istanbul besuchte. In der Folgezeit hätten sie dieses Geld bei gemeinsamen Unternehmungen ausgegeben.

Ob es sich um einen Fall verschmähter Liebe oder ausgenutzter Freundschaft handelte, konnte das LG offen lassen. Es verurteilte die Beklagte dazu, das Geld für die Wohnung zurückzuzahlen. Nach der vorgelegten WhatsApp-Korrespondenz habe die Beklagte eine Rückzahlung zugesagt. Es handelte sich also um ein Darlehen. Das Geld, welches der Kläger für den Ausgleich der Bafög-Schulden und des Kontos der Beklagten aufgewendet habe, erhält er nach der Entscheidung des Gerichts allerdings nicht zurück. Insoweit konnte die Richterin nicht feststellen, dass die Parteien eine Rückzahlung vereinbart hätten. Daher müsse man diesbezüglich von Schenkungen ausgehen.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 24.1.2019, 19 O 224/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Klausel: „Erklärungen können grundsätzlich von oder gegenüber nur einem Vermieter/Mieter abgegeben werden, wenn sie das Mietverhältnis berühren, jedoch dann nicht, wenn sie zu einer Auflösung des Mietverhältnisses führen sollen.“ ist unwirksam.

So entschied es das Amtsgericht Hamburg. Die Klausel benachteiligt den Mieter nach Ansicht des Gerichts unangemessen. Sie beinhalte nicht nur eine Vollmacht zum Empfang von Willenserklärungen, sondern auch zur Abgabe solcher. Hierfür sei kein berechtigtes Interesse des Vermieters als Verwender ersichtlich. Vielmehr erhöhe dies die Missbrauchsgefahr zulasten der Mieter. Überdies ist die Klausel auch unwirksam, weil die Vollmacht auch Erklärungen umfasst, die die Beendigung des Mietverhältnisses zur Folge haben kann, diese aber zumindest nicht eindeutig ausschließt.

Quelle: Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 18.10.2018, 48 C 60/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Oft führen private Aktivitäten von Arbeitnehmern während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu Unmut beim Arbeitgeber. Dies kann den Besuch von Sportveranstaltungen, die Teilnahme an solchen oder Arbeiten im privaten Umfeld betreffen. Aber nicht jedes solche Verhalten ist per se genesungswidrig.

1. Tatsächliche Genesungswidrigkeit eines Verhaltens
Ob der Besuch von bestimmten Veranstaltungen während der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich genesungswidrig ist, hängt vor allem von Art und Schwere der jeweiligen Erkrankung ab. Allein das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit verpflichtet den Arbeitnehmer noch nicht, im Bett oder in seiner Wohnung zu bleiben. Andererseits hat ein arbeitsunfähig krankgeschriebener Arbeitnehmer die Pflicht, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird. Er muss alle Aktivitäten unterlassen, die die Genesung verzögern könnten.

Will der Arbeitgeber etwa eine Kündigung auf die aus seiner Sicht genesungswidrige Ordnertätigkeit einer Arbeitnehmers, der wegen Rückenbeschwerden krankgeschrieben war, während eines Fussballspiels stützen, muss er darlegen und beweisen, dass diese Tätigkeit die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit tatsächlich beeinträchtigt hat. Dies wird meist nur gelingen, wenn ein Verstoß gegen ärztliche Verhaltensmaßregeln nachweisbar ist.

2. Welche Sanktionen des Arbeitgebers sind angemessen?
In der Regel rechtfertigen geringfügige Verletzungen der Pflicht zu genesungswidrigem Verhalten ohne einschlägige Abmahnung weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung. Es ist allenfalls möglich, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung erteilt. In der arbeitsgerichtlichen Praxis wird daher oft die (mögliche) Genesungswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens, wie der Besuch einer Sportveranstaltung während der Arbeitsunfähigkeit, zugunsten des Arbeitgebers unterstellt. Dann wird geprüft, ob der Grad der Schwere der Pflichtverletzung für eine Kündigung ausreicht. Das ist aber oft gerade nicht der Fall).

Allein in schweren Fällen genesungswidrigen Verhaltens, wie etwa einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eines Arbeitnehmers während der Arbeitsunfähigkeit, kommt auch ohne vorherige Abmahnung der Ausspruch einer außerordent­lichen oder ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber als verhältnismäßige Sanktion in Betracht. In allen anderen Fallkonstellationen ist zunächst der Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung erforderlich.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Nachbarn können sich gegen eine Baugenehmigung mit dem Argument wenden, das genehmigte Vorhaben rufe Verkehrslärmreflexionen hervor.

So entschied es das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen. In dem Verfahren hatten sich die Eigentümer eines an einer Eisenbahnstrecke stehenden Wohngebäudes gegen Bahnlärm gewährt, der von einem hinzutretenden Gebäudekomplex auf die bahnabgewandte Rückseite ihres Hauses bricht. Sie befürchten eine Zunahme der Lärmbelastung auf ihrem Grundstück durch die Reflexionswirkungen des Gebäuderiegels. Das Verwaltungsgericht Hannover hatte ihren Eilantrag abgelehnt.

Das OVG hat der Beschwerde der Antragsteller stattgegeben. Anders als das Verwaltungsgericht bejaht es die Möglichkeit eines Nachbarn, sich gegen eine Baugenehmigung mit dem Argument zu wenden, das genehmigte Vorhaben rufe Verkehrslärmreflexionen hervor. Zwar sei nach den Gutachten nicht ganz geklärt, ob die Reflexionswirkungen sogar zu einer Lärmgesamt-Dauerbelastung von nachts mehr als 60 dB führen würden. Allerdings markiere das die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung. Selbst wenn das zu verneinen wäre, hätte der Bauherr auf die Belange der Nachbarn Rücksicht nehmen müssen, denn mit dem Vorhaben würde die letzte halbwegs lärmfreie Seite des Wohnhauses in Mitleidenschaft gezogen. Es käme in Betracht, einen schallschluckenden offenporigen Putz anzubringen. Auch könnte eine Holzlattung verwendet werden, die mit lärmdämmenden Materialien hinterfüttert sei. Solche Maßnahmen habe der Bauherr jedoch nicht vorgesehen.

Quelle: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.2.2019, 1 ME 135/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gerät ein Schiff während einer Pauschalreise in Seenot, haben die Reisenden Anspruch auf Schmerzensgeld und Reisepreisminderung. Voraussetzung ist, dass der Reiseveranstalter die Gefahrensituation zu vertreten hat.

Das folgt aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln im Fall eines Ehepaars, das bei dem beklagten Reiseveranstalter eine 12-tägige Pauschalreise auf die Malediven gebucht hatte. Rund 4.500 EUR gaben sie hierfür aus. Die Rückreise von der Ferieninsel zum Flughafen sollte mit einem Fährboot erfolgen. Dieses geriet in Seenot. Der Ehemann schilderte im Rahmen des Verfahrens eine äußerst dramatische Fährfahrt. Das bereits wegen schlechten Wetters verspätete Fährboot habe trotz einer Sturmwarnung und des Umstands, dass der Rückflug ohnehin nicht mehr habe erreicht werden können, abgelegt. Das Boot habe wegen des nach wenigen Minuten einsetzenden Unwetters Schlagseite erlitten. Große Wellen seien über das Boot gerauscht und das gesamte Gepäck sei durchnässt worden. Die Schiffsmotoren und das Navigationssystem seien ausgefallen. Das Schiff habe manövrierunfähig auf dem Meer getrieben und der Kapitän habe einen Notruf abgesetzt. Die Passagiere seien aufgefordert worden, Schwimmwesten anzulegen. Zahlreiche Mitreisende hätten sich übergeben müssen. Das reisende Ehepaar habe Todesängste ausgestanden, zumal ein sich näherndes Boot der Küstenwache gegen das Fährboot gekracht sei. Erst ein Schiff der Marine habe das Fährboot abschleppen und an Land verbringen können.

Neben dem Reisepreis verlangte der Ehemann für sich und seine Ehefrau, die seitdem wegen einer posttraumatischen Behandlungsstörung in stationärer und ambulanter psychiatrischer Behandlung sei, 2.000 bzw. 2.500 EUR Schmerzensgeld. Der beklagte Reiseveranstalter lehnte dies mit der Begründung ab, es handele sich um höhere Gewalt. Zum Zeitpunkt des Ablegens habe nur eine Wetterwarnung auf niedrigster Stufe vorgelegen. Zudem habe es sich bei dem eingesetzten Fährboot um ein hochmodernes Schiff mit einer erfahrenen Crew gehandelt. Todesgefahr habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Das LG sah indes die Reise als mangelhaft an. Die Eheleute seien auf der Rückreise in eine nicht beherrschbare Gefahrensituation gebracht worden, die der Reiseveranstalter auch zu vertreten habe. Die insoweit gegen ihn sprechende Verschuldensvermutung habe er nicht widerlegt. Insbesondere erschließe sich der Kammer nicht, aus welchem Grund die Reisenden in das Fährboot geschickt wurden und nicht etwa die Rückreise verschoben oder zumindest eine qualifizierte Wettervorhersage eingeholt wurde, bevor über den Transport per Boot entschieden wurde. Eine Erklärung darüber, welche Maßnahmen der beklagte Reiseveranstalter getroffen haben will, um die Reisenden auf dem Transport zum Flughafen keinen vermeidbaren Gesundheitsgefahren auszusetzen, sei dieser schuldig geblieben. Sein Verschulden liege dabei nicht in der Auswahl des Bootsunternehmens, sondern in dem Umstand, dass trotz schon im Zeitpunkt des Ablegens erkennbar widrigster Witterungsverhältnisse der Transport nicht abgebrochen wurde.

Die mangelbehaftete Rückreise wirke so erheblich, dass sie den Erholungswert des gesamten Urlaubs entfallen ließe. Daher sei der gesamte Reisepreis zu erstatten. Dem Kläger selbst billigte das LG ein Schmerzensgeld von 500 EUR zu, der Ehefrau wegen der aus dem traumatischen Erlebnis folgenden psychischen Schäden sogar 5.500 EUR.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 15.1.2019, 3 O 305/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Es kann sittenwidrig sein, wenn der Erblasser die Erbschaft von der Bedingung abhängig macht, dass der Erbe ihn in näher festgelegten Abständen besucht.

Das zeigt ein Rechtsstreit zweier Enkel vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. Ihr Großvater hatte in seinem Testament verfügt, dass eine Hälfte seines Vermögens an seine Ehefrau sowie den Sohn aus erster Ehe gehen solle. Die restlichen 50 Prozent sollten die beiden Enkel – Kinder eines anderen Sohnes – zu gleichen Teilen bekommen, „aber nur, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens sechsmal im Jahr besuchen. Anderenfalls solle das Geld auch an meine Frau und meinen Sohn gehen“. Diese Erbregelung war der Familie zu Lebzeiten des Erblassers bekannt. Die damals minderjährigen Enkel erfüllten die jährliche Besuchszahl nicht.

Die Ehefrau des Erblassers sowie der Sohn beantragten die Erteilung eines Erbscheins, der sie als hälftige Miterben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hatte diesem Antrag entsprochen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der beiden Enkel, die vor dem OLG Erfolg hatte. „Die von dem Erblasser … aufgestellte aufschiebende Bedingung, die die Erbenstellung der Beschwerdeführer von der Erfüllung einer ihnen auferlegten Besuchspflicht bei dem Erblasser abhängig macht, ist vielmehr sittenwidrig und damit nichtig“, führte das OLG aus.

Grundsätzlich gelte zwar die im Grundgesetz geschützte Testierfreiheit. Es müsse möglich sein, die Erbfolge nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Eine Bedingung könne nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen sittenwidrig sein. Eine solche Ausnahme liege vor, „wenn die Bedingung unter Berücksichtigung der höchstpersönlichen oder wirtschaftlichen Umstände die Entschlussfreiheit der Erben unzumutbar unter Druck setzt und durch das Inaussichtstellen von Vermögensvorteilen Verhaltensweisen bewirkt werden sollen, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen.“ Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls. Diese müssten erkennen lassen, „ob der Erblasser durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu „erkaufen“ sucht“, betont das OLG.

Hier waren die eingeforderten regelmäßigen Besuche der Enkelkinder als Voraussetzung der Erbschaft sittenwidrig. Der Großvater habe faktisch seine Enkelkinder durch Inaussichtstellen der Erbenstellung im Falle regelmäßiger Besuche dem Druck ausgesetzt, zur Erlangung eines Vermögensvorteils zwingend die im Testament genannten Besuchsbedingungen zu erfüllen. Die Erbschaft sei auch erheblich gewesen. Der Erblasser habe über dieses Druckmittel gerade ein Verhalten seine Enkelkinder erreichen wollen, das regelmäßig deren innere, freie Überzeugung voraussetze. „Eine derartige Einflussnahme des Erblassers auf die Entschließungsfreiheit seiner Enkelkinder ist von der Rechtsordnung auch im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers nicht hinzunehmen und damit sittenwidrig und somit nichtig, resümiert das OLG.

Die Nichtigkeit der Besuchsbedingung führe jedoch nicht zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Hätte der Erblasser gewusst, dass die von ihm testierte Besuchsbedingung unwirksam wäre, sei davon auszugehen, dass er seine beiden Enkelkinder trotzdem als Miterben eingesetzt hätte. Dafür spreche gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 5.2.2019, 20 W 98/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kollidiert ein Fahrradfahrer mit der geöffneten Fahrertür eines Pkw, stellt sich die Frage des Verschuldens. Geschieht der Unfall im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Tür, spricht gegen den Pkw-Fahrer der Beweis des ersten Anscheins, den Unfall verschuldet zu haben.

Auf diese prozessuale Regel wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle hin. Allerdings kann auch dem Radfahrer ein Mitverschulden anzurechnen sein, sodass der Pkw-Fahrer nicht alleine haftet. Ein solches Mitverschulden kann in einem zu geringen seitlichen Abstand des Fahrradfahrers zum geparkten PKW liegen. Der Abstand sollte – je nach den örtlichen Verhältnissen – mindestens 50 cm betragen. Ob der Radfahrer den Seitenabstand tatsächlich unterschritten hat, muss der Pkw-Fahrer darlegen und beweisen. Kann er den Beweis nicht erbringen, muss er den Schaden alleine tragen.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 6.11.2018, 14 U 61/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl