Ist bei US-Importfahrzeugen das Erstzulassungsdatum unbekannt, darf die Zulassungsstelle den 1. Juli des Baujahrs als Datum der Erstzulassung in die Fahrzeugpapiere eintragen. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden.

Herstellungsmonat blieb in den Fahrzeugpapieren unerwähnt

Die Klägerin, ein Autohaus aus Essen, hat sich auf den Import gebrauchter Sportwagen aus US-Produktion spezialisiert. Sie klagte, weil die Zulassungsstelle in die Fahrzeugpapiere nicht das von dem Sachverständigen in seinem Gutachten zur Zulassung des Fahrzeugs angenommene Datum der Erstzulassung eingetragen hat, sondern den 1. Juli des Baujahrs. Dieses war das Vorjahr des gutachterlich angenommenen Zulassungsjahrs. Lediglich unter „Bemerkungen“ in den Zulassungsbescheinigungen ist der Herstellungsmonat des Fahrzeugs erwähnt, der zeitlich nach dem 1. Juli im Baujahr liegt.

Zulassungsstelle durfte von Einschätzung des Sachverständigen abweichen

Das VG wies die Klage ab. Die Zulassungsstelle durfte von der Einschätzung des Sachverständigen abweichen und auf die vom Kraftfahrtbundesamt in Abstimmung mit den Bundesländern herausgegebene Verwaltungsvorschrift „Leitfaden zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II“ abstellen. Der Leitfaden soll eine bundesweit gleichmäßige Zulassungspraxis sicherstellen. Danach trägt die Zulassungsstelle den 1. Juli des Baujahrs ein, wenn dieses bekannt ist, aber der Zeitpunkt der Erstzulassung nicht. Das Sachverständigengutachten für die Fahrzeugzulassung stellt die technische Beschreibung des Fahrzeugs fest. Das Erstzulassungsdatum ist kein Teil der technischen Beschreibung.

Zulassungsstelle hat sich an Leitfaden gehalten

Die Zulassungsstelle hat den Leitfaden bei Eintragung des fiktiven Zulassungsdatums rechtmäßig angewendet. Ist das Erstzulassungsdatum eines Importfahrzeugs unbekannt, ist das fiktive Datum nach den Vorgaben im Leitfaden einzutragen. Das Herstellungsdatum bietet keinen verlässlichen Anhaltspunkt für das Erstzulassungsdatum. Weltweit kommt es vor, dass Fahrzeuge zwischen Herstellung und Zulassung erhebliche Zeiträume im Lager des Herstellers oder des Händlers stehen.

Bei Annahme eines fiktiven Datums liegt es in der Natur der Sache, dass dieses Datum nur zufällig den tatsächlichen Tag der Zulassung treffen kann. In solchen Fällen grundsätzlich die Mitte des Baujahres als fiktives Erstzulassungsdatum zu Grunde zu legen, ist nicht zu beanstanden. Dies gewährleistet eine Gleichbehandlung in allen gleichgelagerten Sachverhalten. Zur Sicherung der verlässlich bundesweit einheitlichen Zulassungspraxis ist der Umstand hinzunehmen, dass das fiktive Datum unter Umständen in Einzelfällen aufgrund anderer Indizien als unwahrscheinlich oder sogar mit Sicherheit unzutreffend anzusehen ist.

Interessen des Autohauses treten zurück

Die zu erkennenden wirtschaftlichen Interessen der Klägerin an einem möglichst „späten“ Erstzulassungsdatum müssen hinter das mit der Verwaltungsvorschrift verfolgte Interesse der Allgemeinheit an einer rechtssicheren, gleichmäßigen und praktikablen Verwaltungspraxis zurücktreten. Die Klägerin kann Kunden, sofern ihnen der Umstand nicht ohnehin bekannt ist, auf den fiktiven Charakter des eingetragenen Erstzulassungsdatums hinweisen und dies erläutern. Hierzu kann sie auf die eingetragenen Bemerkungen der Zulassungsstelle zurückgreifen.

Nachweise über Erstzulassung doch noch nachgereicht

In zwei von drei Fällen, die Gegenstand der Klage waren, hat die Zulassungsstelle die Fahrzeugpapiere im Nachhinein problemlos geändert, als die Klägerin Nachweise über das tatsächliche Datum der Erstzulassung in den USA vorlegen konnte.

Quelle: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.6.2025, 14 K 120/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die Staatenaustauschliste 2025 bekannt gegeben. Enthalten sind die Staaten, mit denen der automatische Datenaustausch zum 30.9.2025 erfolgt. Weitere Informationen zum Informationsaustausch erhalten Sie u. a. auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern (abrufbar unter www.iww.de/s2991).

Quelle: BMF-Schreiben vom 3.6.2025, IV D 3 – S 1315/00304/070/025

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Landgericht (LG) Berlin II wies eine Klage auf Schadenersatz wegen nicht gewährtem Vaterschaftsurlaub ab.

Das war geschehen

Der Kläger nahm nach der Geburt seines Kindes Erholungsurlaub und forderte Schadenersatz, da ihm ein spezifischer Vaterschaftsurlaub verwehrt wurde. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland hielt die bestehenden Regelungen für ausreichend.

Europäisches Recht in der Bundesrepublik hinreichend umgesetzt

Das LG: Ein spezieller zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub nach der Geburt ist nicht erforderlich, da die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie (2019/1158) nationale Regelungen berücksichtigt, sofern diese einen vergleichbaren Schutz gewährleisten. Die deutschen Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld setzen diese Richtlinie hinreichend um. Ein zwischenzeitliches Vertragsverletzungsverfahren wurde im vorgerichtlichen Stadium abgeschlossen.

Quelle: LG Berlin II, Urteil vom 1.4.2025, 26 O 133/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Kann ein Wohnungseigentümer wegen unterlassener Sanierung sein Sondereigentum nicht vermieten, besteht ein Schadenersatzanspruch, so das Landgericht (LG) Berlin II.

Ein Eigentümer einer Dachgeschosswohnung in der Anlage der Wohnungseigentümergemeinschaft forderte von der Gemeinschaft Schadenersatz. Grund: Die Gemeinschaft hatte eine Sanierung des Dachs unterlassen. Dadurch konnte der Eigentümer sein Sondereigentum nicht vermieten. Das LG sah einen Anspruch des Eigentümers nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch als gegeben an (hier: § 280 BGB), da es einen Verstoß gegen das Wohnungseigentumsrecht (hier: § 18 Abs. 2 WEG) erkannte. Die Gemeinschaft habe die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums pflichtwidrig unterlassen. Beschlussanträge des Eigentümers seien abgelehnt worden, die erforderliche Beschlussfassung sei erst sieben Wochen nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils im Beschlussersetzungsklageverfahren erfolgt. Da es sich um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handele, greife § 556f BGB. Daher könne der Eigentümer/Vermieter eine Miete verlangen, die dem Marktwert nach der Modernisierung entspreche. Hinzu kämen die nutzlos aufgewandten Betriebskosten.

Quelle: LG Berlin II, Urteil vom 4.7.2024, 56 S 19/23 WEG

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München.

Das war geschehen

Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024 für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.

Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.

Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.

Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.

So sah das Amtsgericht den Sachverhalt

Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.

Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „… ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 3:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.

SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden

Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.

Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig

Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.

Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.

Quelle: AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Betreiberin des öffentlichen S-Bahn-Netzes in Berlin ist nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) nicht dazu verpflichtet, Fahrgästen eine Kopie der Videoaufnahmen über ihre Fahrt in der S-Bahn herauszugeben. So sieht es das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg.

Fahrgast verlangte Videoaufnahmen von sich heraus

Ein Fahrgast beantragte bei der Klägerin, der S-Bahn Berlin GmbH, die Herausgabe einer Kopie der Videoaufnahmen seiner Fahrt mit der S-Bahn unter Berufung auf das in der DS-GVO vorgesehene Auskunftsrecht (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO). Die Klägerin verweigerte dies mit Hinweis auf ihr Datenschutzkonzept, das sie mit der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abgestimmt hatte. Dieses sieht vor, dass die Videoaufnahmen seitens der Klägerin nicht selbst eingesehen werden können und nur bei Auskunftsanfragen der Strafverfolgungsbehörden an diese herausgegeben werden. Im Übrigen erfolgt eine Löschung durch fortlaufende Überschreibung nach 48 Stunden.

Oberverwaltungsgericht lehnt Anspruch ab

Nach Auffassung des OVG handelt es sich bei den Videoaufnahmen um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Dennoch durfte die Klägerin die Herausgabe angesichts ihres Datenschutzkonzeptes verweigern. Dieses verfolgt gerade das Ziel, den Wertungen der DS-GVO und den Persönlichkeitsrechten der Fahrgäste in größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen. Demgegenüber musste das Interesse des Beigeladenen am Erhalt gerade der Videoaufzeichnung zurücktreten, nachdem er bereits auf sein Gesuch hin von der Klägerin (gem. Art. 15 Abs. 1 DS-GVO) über die Art und Weise sowie Dauer der Datenspeicherung informiert worden war.

Quelle: OVG Berlin, Urteil vom 13.3.2025, OVG 12 B 14/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg bestätigte die Vorinstanz: Der kulturelle und familiäre Wert einer Sammlung aus Gemälden und historischen Gegenständen ist höher zu setzen als das Interesse einzelner Familienmitglieder an der Verwertung der Gegenstände. Letzteres hatte ein Teil der Familie aufgrund interner Differenzen verlangt.

Das war geschehen

Die Nachfahren einer Nürnberger Patrizierfamilie stritten in einem Zivilprozess um den Erhalt ihrer Familiensammlung – einer Sammlung von Gemälden und historischen Gegenständen, die über Jahrzehnte als ungeteiltes Familienvermögen innerhalb der Familie über die Erbfolge weitergegeben wurde. Ein Teil der Familie begehrte den Pfandverkauf der historischen Sammlungsgegenstände, die teils in privater Nutzung sind, teils im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden, um die Erben- und Bruchteilsgemeinschaft auseinanderzusetzen. Die beklagten Familienmitglieder widersetzten sich dem und beriefen sich auf ein in einem Familienvertrag aus dem Jahr 1936 festgelegtes immerwährendes Teilungsverbot für das verfahrensgegenständliche Familienvermögen. Die Kläger verwiesen auf eine spätere Aufhebung sowie Nichtigkeit dieses Familienvertrags, denn dessen Regelungen sahen unter anderem die Weitergabe der Familiensammlung nur an männliche Nachkommen vor.

So sah es die erste Instanz

Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Es sah die Aufhebung des Familienvertrags nicht durch die vorhandenen Protokolle der Familienversammlungen belegt und erachtete das von der Familie im Jahr 1936 in Bezug auf die Familiensammlung vereinbarte dauerhafte Teilungsverbot als wirksam und fortbestehend an. Die Klagepartei habe auch keine Umstände vorgebracht, die als wichtiger Grund eine Aufhebung der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die im Verfahren vorgetragenen innerfamiliären Differenzen reichten hierfür nicht aus.

Oberlandesgericht bestätigt Landgericht

Hiergegen legte ein Familienmitglied der unterlegenen Klageseite Berufung zum OLG ein. Dieses hat das Ersturteil bestätigt und die zur Begründung des Aufhebungsanspruchs vorgebrachten Gründe und Einwendungen der Berufung für nicht durchgreifend erachtet. Wie das Erstgericht bewerte der Senat die erbrechtliche Regelung im Familienvertrag zum Ausschluss der weiblichen Nachkommen als nichtig, was aber die Wirksamkeit des dauerhaften Teilungsverbots nicht berühre. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kam das OLG zu dem Ergebnis, dass das beklagtenseits eingewandte familiäre als auch öffentliche Interesse am Erhalt der Gesamtheit der Sammlung als Kulturgut dem klägerischen Interesse an einer Aufhebung der Gemeinschaft und an einer damit verbundenen Zerschlagung der Sammlung überwiege.

Quelle: OLG Nürnberg, Urteil vom 28.2.2025, 1 U 2451/23 Erb

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Wenn ein Arbeitnehmer sich beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, kann das im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden.

Nasenbeinbruch während morgendlicher Besprechung

Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustelle beschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, verlor kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.

Berufsgenossenschaft und Sozialgericht: kein Arbeitsunfall

Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht (SG), das in erster Instanz über den Fall entschieden hatte.

Landessozialgericht: auch Nahrungsaufnahme geschützt

Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt.

Arbeitgeber stellte den Kaffee zur Verfügung

Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt. Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer z.B. in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.

Quelle: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.5.2025, L 6 U 45/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig in Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 615 S. 2 BGB) anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Das war geschehen

Der Kläger war seit November 2019 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Senior Consultant gegen eine monatliche Vergütung von 6.440 Euro brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.3.2023 ordentlich zum 30.6.2023 und stellte den Kläger unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht (ArbG) am 29.6.2023 statt, die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) am 11.6.2024 zurückgewiesen.

Arbeitgeber schlug Stellenangebote vor

Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Kläger in Betracht gekommen wären.

Arbeitnehmer bewarb sich – aber erst zum Beschäftigungsende

Auf sieben davon bewarb sich der Kläger, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit einer Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Beklagten bezogenen Gehalts anrechnen lassen.

Arbeitgeber war durch einseitige Freistellung im Annahmeverzug

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet dem Kläger (nach § 615 S. 1 BGB iVm. § 611a Abs. 2 BGB) die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Kläger nicht (nach § 615 S. 2 BGB) anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (nach § 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 S. 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.

Quelle: BAG, Urteil vom 12.0.2025, 5 AZR 127/24, PM 6/2

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Derzeit wird diskutiert, ob nicht mehr öffentliche Aufträge als Gesamtlos (Planung und Bau) vergeben werden sollen. In diesen Kontext passt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern möchte die Städte und Gemeinden des Landes beim Bau von Feuerwehrhäusern für Freiwillige Feuerwehren unterstützen. Es sollen hierfür Totalunternehmerleistungen für die Planung und den Bau von Feuerwehrhäusern für Freiwillige Feuerwehren im Land Mecklenburg-Vorpommern vergeben werden.

Ein Planungsbüro klagte und gewann vor dem OLG. Fachlos- und Gesamtvergabe, so das OLG, stehen in einem Regel-/Ausnahmeverhältnis. Eine Zusammenfassung von Fachlosen setzt voraus, dass die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe nach umfassender Abwägung überwiegen. Das ist für das OLG im Feuerwehrhausbau nicht gegeben.

Das OLG gab dem Auslober auf, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu bekannt zu machen.

Quelle: OLG Rostock, Beschluss vom 10.1.2025, 17 Verg 4/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl