In einem Eilverfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat die antragstellende Ehefrau verlangt, dass eine Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres bereits verstorbenen Ehemanns zur Verfügung stellt. Sie möchte damit eine In-Vitro-Fertilisation in Spanien durchführen lassen. Das LG gab ihr Recht.

Krankenhaus verweigerte Herausgabe von Keimmaterial

Das Krankenhaus hatte die Herausgabe verweigert, weil der mit dem Ehemann zu dessen Lebzeiten geschlossene Vertrag vorsah, dass das Sperma nach seinem Tod zu vernichten sei. Das Embryonenschutzgesetz untersage es, eine künstliche Befruchtung mit dem Samen eines verstorbenen Mannes durchzuführen. Nach Ansicht der Klinik drohe ihren Mitarbeitern im Fall einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas außerdem strafrechtliche Verfolgung.

Landgericht gab Eilantrag der Witwe auf Herausgabe statt

Das LG hat dem Eilantrag der Witwe jedoch stattgegeben. Der seinerzeit mit dem Ehemann geschlossene Vertrag verpflichte die Klinik nicht, das kryokonservierte Keimmaterial zu vernichten. Diese „Vernichtungsklausel“ fuße nach dem Wortlaut des Vertrags allein auf § 4 Embryonenschutzgesetz (EschG). Darin werde zwar strafrechtlich verboten, eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu befruchten. Der Schutzzweck des § 4 ESchG sei im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt.

Insbesondere das Grundrecht des verstorbenen Ehemanns auf reproduktive Autonomie gemäß Grundgesetz (hier: Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) werde nicht beeinträchtigt, denn er habe vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas eingewilligt. Dies habe seine Ehefrau hinreichend dargelegt.

Gemeinsamer Kinderwunsch über den Tod hinaus

Aus der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei die paarbezogene, individuelle Entwicklung des Kinderwunsches. Sie lege dar, dass es den gemeinsamen Kinderwunsch gab, jedoch der frühe Tod dessen Verwirklichung zu Lebzeiten verhinderte und der verstorbene Ehemann zuletzt seinen Willen auf ein gemeinsames Kind nach seinem Tod richtete.

Auch sei keine Verletzung der Grundrechte des noch nicht gezeugten Kindes zu besorgen.

Klinik sah eigene Strafbarkeitsrisiken

Entgegen der Befürchtung der Klinik bestünden vorliegend bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas keine Strafbarkeitsrisiken für die Mitarbeiter. Da der Schutzzweck des § 4 ESchG im konkreten Fall schon nicht verletzt sei, fehle es bei einer künstlichen Befruchtung mit dem Sperma des verstorbenen Ehemanns an einer rechtswidrigen Haupttat. Eine Beihilfehandlung dazu scheide aus.

Quelle: LG Frankfurt, Beschluss vom 4.2.2025, 2-04 O 29/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Arbeitsgericht (ArbG) hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass ein Leiharbeitnehmer nicht ohne Weiteres eine Inflationsausgleichsprämie erhält, die im Entleiherbetrieb den dort Beschäftigten gezahlt wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat dies nun bestätigt.

So sah es die Arbeitnehmerin

Die Klägerin wurde von ihrer Arbeitgeberin, einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie („Entleiherin“) eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.7.2023. Der Arbeitsvertrag der Parteien verwies u. a. auf die für Leiharbeitnehmer geltenden Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Metall- und Elektroindustrie („TV BZ ME“) sowie Inflationsausgleichsprämie („TV IAP ME“). Die Entleiherin füllte der Beklagten einen „Fragebogen zur Ermittlung von Equal Pay sowie des Branchenzuschlags ab dem 16. Einsatzmonat“ aus.

Die Mitarbeiter im Betrieb der Entleiherin erhielten im Juni 2023 eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 Euro, die Klägerin dagegen nicht. Sie macht nun gerichtlich diese 1.000 Euro sowie weitere 1.200 Euro geltend.

Für die erste Zahlung bestehe durch den Fragebogen eine Equal-Pay-Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beklagten. Im Übrigen sei die Gleichstellung nicht per Tarifvertrag ausgeschlossen worden.

Hinsichtlich der zweiten Zahlung könne die Inflationsausgleichsprämie nach dem TV IAP ME bereits verlangt werden, wenn deren Voraussetzungen nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, aber vor dem ersten Auszahlungszeitpunkt im Januar 2024 erfüllt gewesen seien. Damit sei die Prämie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen.

Landesarbeitsgericht: keine Equal-Pay-Vereinbarung und fehlender Vortrag

Das LAG entschied, dass der o. g. ausgefüllte Fragenbogen keine Equal-Pay-Vereinbarung mit deren Arbeitnehmern darstellt. Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Entleiherin vorgetragen.

Dazu muss sie als darlegungs- und beweisbelaste Klägerin einen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum vornehmen. Dem wird sie nicht gerecht: Der Verweis, der Klägerin müsse die Inflationsausgleichsprämie schon deshalb gezahlt werden, weil die Stammarbeitnehmer der Entleiherin diese erhalten hätten, reicht dafür nicht aus.

Die Klägerin kann die Inflationsausgleichsprämien auch nicht aus dem TV IAP ME beanspruchen: Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass im jeweiligen Auszahlungsmonat (Januar bis November 2024) der tariflichen Inflationsausgleichsprämien – anders als die Klägerin meint – noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben muss. Hier endete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aber bereits im Jahr 2023.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.3.2025, 5 Sa 222 d/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden.

Das war geschehen

Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht, wie auf Verkäuferseite.

Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab.

Klagen zunächst erfolgreich

Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.

So sah es das Bundesverwaltungsgericht

Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten.

Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden.

Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Kommt es zur Kollision zwischen einem Linienbus, der bei Rot mit leicht erhöhter Geschwindigkeit in einen Kreuzungsbereich einfährt, und einem PKW, der eine Linksabbiegespur zu einem Wendemanöver nach einem Gelblichtverstoß nutzt, ist eine Haftungsverteilung von 4/5 zulasten des Busfahrers und 1/5 zulasten des PKW angemessen. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Es ging um Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall

Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. Bei dem Unfall wurde die Mutter des Klägers tödlich verletzt.

Der Kläger fuhr mit dem PKW seines Vaters in südliche Fahrtrichtung in die vom Beklagten in nördliche Richtung genutzte Straße. Der Kläger ordnete sich im Kreuzungsbereich auf der Linksabbiegerspur hinter vier weiteren Fahrzeugen ein. Nach dem Umschalten des Linksabbiegerpfeils auf „Grün“ fuhr der Kläger als fünftes und letztes Fahrzeug in die Abzweigung ein. Der aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung kommende Beklagte steuerte einen Linienbus und kollidierte bei seiner Geradeausfahrt mit dem Fahrzeug des Klägers. Er behauptet, seine Ampel habe „Grün“ gezeigt.

Mithaftung des Pkw-Fahrers

Das Landgericht (LG) hatte der Schadenersatzklage bei Annahme einer alleinigen Haftung des Beklagten ganz überwiegend stattgegeben. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten entschied das OLG, dass den Kläger eine Mithaftung in Höhe von 1/5 treffe.

Kein unabwendbares Ereignis

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass für keinen der Beteiligten der Unfall ein unabwendbares Ereignis gewesen sei, führte das OLG aus. Zulasten des Beklagten wirke, dass die Ampel für den Bus unmittelbar vor der Kollision bereits seit mindestens 22 Sekunden „Rot“ gezeigt habe. Dass eine Fehlschaltung in Form eines sog. „feindlichen Grüns“ vorgelegen habe, sei auszuschließen. Die Ampelanlage sei auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüft worden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Busfahrer mit 58 km/h und damit mit leicht überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei.

Zulasten des Klägers wirke, dass dieser sich ungewöhnlich lange im Kreuzungsbereich aufgehalten habe. Er habe unter Nutzung der Linksabbiegespur ein Wendemanöver beabsichtigt. Dadurch habe er sich infolge der geringeren Geschwindigkeit länger (9 Sekunden) als üblich (4-4,5 Sekunden) im Kreuzungsbereich aufgehalten. Er habe die Kollision mit dem für ihn sichtbaren Bus bei rechtzeitiger Bremsung vermeiden können. Zudem sei von einem Gelblichtverstoß des Klägers auszugehen.

So verteilt das Oberlandesgericht die Haftung

Die Abwägung der Verursachungsbeiträge aufseiten des Beklagten (Rotlichtverstoß, überhöhte Geschwindigkeit und erhöhte Betriebsgefahr des Busses) und des Klägers (Gelblichtverstoß, längeres Aufhalten im Kreuzungsbereich infolge Wendemanövers) führe zu einer Haftungsverteilung von 4/5 zulasten des Beklagten und 1/5 zulasten des Klägers.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.9.2025, 10 U 213/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Jäger, der im betrunkenen Zustand seine Jagdwaffe im Pkw transportiert, besitzt nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit zur (Wieder-)Erteilung eines Jagdscheins – unabhängig davon, ob die mitgeführte Waffe geladen war oder nicht. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster entschieden.

Jäger verursachte hohen Schaden

Der Jäger aus dem Kreis Coesfeld war im Jahr 2020 in Rheinland-Pfalz auf dem Rückweg von einer Jagdveranstaltung und transportierte seine Langwaffe im Fahrzeug. Dabei kam er von der Fahrbahn ab, fuhr zwei Verkehrsschilder um und in eine Hauswand. Es entstand ein Fremdschaden in Höhe von etwa 50.000 Euro. Ein Atemalkoholtest nach dem Unfall ergab einen Wert von 1,69 Promille, zwei Blutentnahmen Werte von 1,48 und 1,39 Promille. Nach dem Unfall nahm der Kläger seine in einem Futteral befindliche Langwaffe aus dem Fahrzeug und stellte sie in ein nahes Wartehäuschen, wo sie von der Polizei sichergestellt wurde.

Antrag auf erneutes Ausstellen eines Jagdscheins

Es kam zu einem Strafverfahren. Zudem wurde die Waffenbesitzkarte des Mannes widerrufen, sodass er seine Schusswaffen abgeben musste. In der Zwischenzeit lief die Gültigkeit seines Jagdscheins aus. Im Jahr 2022 beantragte der Kläger dann die erneute Ausstellung eines Jagdscheins, blieb damit bei der Behörde jedoch ohne Erfolg.

Die Klage hiergegen wies das Gericht nun ab, denn der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. Bei der zu treffenden Prognose genüge es, wenn bei Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen bestehe. Im Bereich des Waffenrechts müsse kein Restrisiko hingenommen werden. Ob, wie zuletzt zwischen den Beteiligten streitig, die Waffe im Auto des Klägers bei der Trunkenheitsfahrt geladen war, und ob er sie nach dem Unfall genügend beaufsichtigt hat, könne offenbleiben. Genügende Anhaltspunkte für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang des Klägers mit Waffen ergäben sich bereits daraus, dass er seine Jagdwaffe bei einer Autofahrt mitgeführt hat, obwohl er eine Atemalkoholkonzentration von 1,69 Promille bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 Promille aufwies und sich damit in einem Zustand befand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können und vorliegend – in Form der zu dem Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden führenden Unaufmerksamkeit – auch aufgetreten sind.

Als Waffenbesitzer unzuverlässig

Die Blutalkoholkonzentration übersteige den Grenzwert absoluter Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern (1,1 Promille). Mit einer Schusswaffe gehe nicht vorsichtig und sachgemäß um, wer diese in einem Zustand gebrauche, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können – unabhängig davon, ob solche auch tatsächlich aufträten. Das gelte auch für das Mitführen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe bei einer Autofahrt in alkoholisiertem Zustand, das waffenrechtlich als „Führen der Schusswaffe“ einzuordnen sei.

Es bestehe zum einen die Gefahr, dass der Waffenbesitzer in einer Konfliktsituation mit anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund alkoholbedingter Ausfallerscheinungen inadäquat reagieren und zur Konfliktlösung auf die von ihm mitgeführte Schusswaffe zurückgreifen könnte. Zum anderen bestehe beim Transport einer Schusswaffe im Straßenverkehr bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Waffenbesitzers die reale Möglichkeit des Abhandenkommens der Schusswaffe. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – zu einem Unfall kommt, bestehe das Risiko, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Zugriff Dritter auf die Waffe auszuschließen. Dass der Kläger zwischenzeitlich seinen Führerschein wiedererlangt habe, ändere an dem Ergebnis nichts.

Quelle: VG Münster, Urteil vom 1.4.2025, 1 K 2756/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Universität Duisburg-Essen hat einer Studentin zu Recht diejenigen „Prüfungsleistungen“ aberkannt, die in dem System der Universität als bestanden ausgewiesen waren, weil die Studentin für diese Eintragung einer ehemaligen Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität Geld gezahlt hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden.

Nicht zur Prüfung erschienen – Geldzahlungen an ehemalige Mitarbeiterin

Die Studentin war zu fünf Prüfungsterminen ihres Studiengangs Bachelor Wirtschaftswissenschaft, Katholische Religion und Bildungswissenschaften mit der Lehramtsoption Berufskolleg nicht erschienen. Dies war in den internen Notenlisten der Prüfer vermerkt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts der Universität vermerkte gegen Geldzahlung in dem System der Universität, die Studentin habe die Prüfungen bestanden und trug dazu Noten ein. Im Masterstudiengang wiederholte sich dies bei vier Prüfungen. Der Prüfungsausschuss der Fakultät Wirtschaftswissenschaften beschloss, die Prüfungsleistungen jeweils als nicht bestanden (Note 5,0) zu bewerten, die von der Fakultät Bildungswissenschaften verliehenen Universitätsabschlüsse (Bachelor und Master) abzuerkennen, und forderte die Abschlusszeugnisse zurück.

Klagen gegen Aufhebung der Prüfungsleistungen

Die Klage gegen die Aufhebung der Prüfungsleistungen und ihre Bewertung als nicht bestanden hat das VG abgewiesen. Die Studentin hat die Prüfungsleistungen nicht bestanden, weil sie nicht an den Prüfungen teilgenommen hat. Die Aberkennung der Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Anordnungen hob die Universität in der mündlichen Verhandlung auf, weil hierüber der unzuständige Prüfungsausschuss entschieden hatte. Zuständig ist der Prüfungsausschuss für Bildungswissenschaften, der die Abschlüsse verliehen hat.

Eine weitere Klage einer anderen Studentin im Studiengang Bachelor für das Lehramt Berufskolleg gegen die Bewertung von vier Prüfungsleistungen als nicht bestanden (Note 5,0) durch den Prüfungsausschuss hat das VG ebenfalls abgewiesen. Die Studentin hatte eine Prüfung nicht bestanden und war zu drei weiteren nicht erschienen. Gegen Geldzahlung an eine ehemalige Mitarbeiterin des Prüfungsamts wurden diese Prüfungen als bestanden in das System der Universität eingetragen.

Quelle: VG Gelsenkirchen, Urteile vom 28.4.2025, 4 K 1226/22 und 4 K 1227/22, PM vom 29.4.2025

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Landgericht (LG) Berlin II hat in einem Urteil die Klage eines Vaters gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadenersatz wegen einer aus seiner Sicht fehlenden Umsetzung der EU-Richtlinie zur Familienstartzeit (Richtlinie EU 2019/1158 – Vereinbarkeitsrichtlinie) abgewiesen.

Erholungsurlaub nach Geburt des Kindes genommen

Der klagende Vater hatte nach der Geburt seines Kindes Erholungsurlaub genommen. Seiner Auffassung nach hätte ihm aber ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub bzw. wegen der aus seiner Sicht fehlenden Umsetzung der Richtlinie ein entsprechender Anspruch auf Schadenersatz zugestanden. Die bereits geregelte Elternzeit habe eine andere Zweckbestimmung und sei daher kein Ersatz für den Vaterschaftsurlaub. Die Beklagte hatte auf die bestehenden Regelungen verwiesen und hält diese für ausreichend.

Landgericht: Bestehende Regeln reichen aus

Die bestehenden Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld seien ausreichend, um der Umsetzungspflicht in deutsches Recht nachzukommen, so das LG. Die Vereinbarkeitsrichtlinie sehe vor, dass bereits bestehende Regelungen zu Elternurlaub etc. bei der Frage der Umsetzung berücksichtigt werden könnten (vgl. Art. 20 Abs. 6). Auch könne eine nationale Regelung weitergeführt werden, soweit während eines Elternurlaubs von mindestens sechs Monaten Dauer für jeden Elternteil eine Bezahlung oder Vergütung in Höhe von mindestens 65% des Nettoeinkommens des Arbeitnehmers gewährt wird (vgl. Art. 20 Abs. 7).

Dies sei in Deutschland der Fall. Väter könnten bereits nach jetziger Rechtslage für bis zu sieben Monate Elterngeld beziehen und auch für nur zwei Wochen Elternzeit beantragen. Ein spezieller zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub nach der Geburt mit Anspruch auf Bezahlung sei daher zur Erfüllung der Umsetzungspflicht nicht erforderlich.

Quelle: LG Berlin II, Urteil vom 1.4.2025, 26 O 133/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers ist nicht unwirksam, weil sie gegen ein den Hausarzt treffendes berufsständisches Zuwendungsverbot verstößt.

Das war geschehen

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten. Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.

Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Pflegerin (Beklagte) nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.

So sah es der Bundesgerichtshof

Die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses ist wirksam. Selbst, wenn der Arzt gegen seine Berufsordnung verstoßen hätte, indem er die Zuwendung annahm, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses.

Die Berufsordnung für Ärzte (hier: § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä) regelt als berufsständische Vorschrift das Verhältnis zwischen dem Arzt und der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Die Vorschrift verbietet deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot wird hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.

Patient hatte Testierfreiheit

Auch die Testierfreiheit des Patienten verbietet es, ein zugunsten des behandelnden Arztes angeordnetes Vermächtnis wegen Verstoßes gegen eine Berufsordnung für unwirksam zu halten. Für eine Beschränkung der Testierfreiheit des Patienten fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage.

Berufungsgericht muss erneut prüfen

Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das den Parteien noch Gelegenheit geben muss, zu einem von ihm bislang nicht geprüften Verstoß der Vereinbarung des Vermächtnisses in dem Erbvertrag gegen die guten Sitten vorzutragen.

Quelle: BGH, Urteil vom 2.7.2025, IV ZR 93/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart – etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² – ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab

Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.

Quadratmetermiete vereinbart

Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.

Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.

Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.

Quelle: OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.

Das war geschehen

Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.

Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum

Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass das beklagte Land in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.

Arbeitgeber hat Ermessensspielraum

Es sei Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.

Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.

Betriebsfrieden war gefährdet

Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24, Abruf-Nr. 247500 unter www.iww.de

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl