In einem Eilverfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat die antragstellende Ehefrau verlangt, dass eine Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres bereits verstorbenen Ehemanns zur Verfügung stellt. Sie möchte damit eine In-Vitro-Fertilisation in Spanien durchführen lassen. Das LG gab ihr Recht.
Krankenhaus verweigerte Herausgabe von Keimmaterial
Das Krankenhaus hatte die Herausgabe verweigert, weil der mit dem Ehemann zu dessen Lebzeiten geschlossene Vertrag vorsah, dass das Sperma nach seinem Tod zu vernichten sei. Das Embryonenschutzgesetz untersage es, eine künstliche Befruchtung mit dem Samen eines verstorbenen Mannes durchzuführen. Nach Ansicht der Klinik drohe ihren Mitarbeitern im Fall einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas außerdem strafrechtliche Verfolgung.
Landgericht gab Eilantrag der Witwe auf Herausgabe statt
Das LG hat dem Eilantrag der Witwe jedoch stattgegeben. Der seinerzeit mit dem Ehemann geschlossene Vertrag verpflichte die Klinik nicht, das kryokonservierte Keimmaterial zu vernichten. Diese „Vernichtungsklausel“ fuße nach dem Wortlaut des Vertrags allein auf § 4 Embryonenschutzgesetz (EschG). Darin werde zwar strafrechtlich verboten, eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu befruchten. Der Schutzzweck des § 4 ESchG sei im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt.
Insbesondere das Grundrecht des verstorbenen Ehemanns auf reproduktive Autonomie gemäß Grundgesetz (hier: Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) werde nicht beeinträchtigt, denn er habe vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas eingewilligt. Dies habe seine Ehefrau hinreichend dargelegt.
Gemeinsamer Kinderwunsch über den Tod hinaus
Aus der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei die paarbezogene, individuelle Entwicklung des Kinderwunsches. Sie lege dar, dass es den gemeinsamen Kinderwunsch gab, jedoch der frühe Tod dessen Verwirklichung zu Lebzeiten verhinderte und der verstorbene Ehemann zuletzt seinen Willen auf ein gemeinsames Kind nach seinem Tod richtete.
Auch sei keine Verletzung der Grundrechte des noch nicht gezeugten Kindes zu besorgen.
Klinik sah eigene Strafbarkeitsrisiken
Entgegen der Befürchtung der Klinik bestünden vorliegend bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas keine Strafbarkeitsrisiken für die Mitarbeiter. Da der Schutzzweck des § 4 ESchG im konkreten Fall schon nicht verletzt sei, fehle es bei einer künstlichen Befruchtung mit dem Sperma des verstorbenen Ehemanns an einer rechtswidrigen Haupttat. Eine Beihilfehandlung dazu scheide aus.
Quelle: LG Frankfurt, Beschluss vom 4.2.2025, 2-04 O 29/25
Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl
