In einem aktuellen Streitfall hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen der Wohnung und der Fernuniversität in Hagen nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten geltend machen kann.

Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu zählen auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen bzw. bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.

Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem (vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer) zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.

Im Streitfall war der Steuerpflichtige nur als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, war im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.

Somit waren die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen (Ansatz einer Pauschale i. H. von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer oder Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen) abzugsfähig.

Quelle: BFH, Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Eine im Wohnungseigentumsgesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehene Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst sowohl die erste Beschlussfassung als auch erneute Beschlussfassungen über die bereits geregelte Angelegenheit. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.

Folge: Die Frage, ob die Wohnungseigentümer einmal oder mehrfach über dieselbe Angelegenheit entscheiden dürfen, betrifft nicht die Beschlusskompetenz, sondern die ordnungsmäßige Verwaltung. Der BGH weiter: Die Wohnungseigentümer können nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht (WEG) auch nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs einen Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans fassen. Die hierfür erforderliche Beschlusskompetenz folgt aus § 28 Abs. 1 WEG. Ein zwischenzeitlicher Eigentumswechsel lässt die Kompetenz der Wohnungseigentümer für einen Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans nicht entfallen.

Schließlich werde ein Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans regelmäßig nur ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit des Erstbeschlusses bestehen und schutzwürdige Belange einzelner Wohnungseigentümer hinreichend berücksichtigt werden.

Quelle: BGH, Urteil vom 20.9.2024, V ZR 235/23

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Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat die ordentliche Kündigung eines Straßenbahnfahrers, der in einer privaten Facebook-Gruppe einen von ihm verfassten Beitrag mit einer Fotomontage versehen hatte, für wirksam angesehen. Hierin liege eine Bedrohung von Kollegen, die sich bei der Gewerkschaft Verdi engagieren. Zugleich werde der Betriebsfrieden konkret und nachhaltig gestört. Bei der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin handelt es sich um den bundesweit größten Betreiber öffentlichen Personennahverkehrs.

Das war geschehen

Der Straßenbahnfahrer ist Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich nach ihrer Bezeichnung an Fahrpersonal der Arbeitgeberin richtet und rund 1.000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasste er dort einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar zum Ergebnis einer ver.di-Mitgliederbefragung und schloss diesen mit einer Fotomontage ab. Auf dieser ist ein auf dem Boden kniender Mann abgebildet, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist. Neben ihm befindet sich der Schriftzug von Verdi. Die Fotomontage trägt den Titel „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“ Sie weist auch das Logo der Arbeitgeberin aus. Über diesen Beitrag beschwerten sich sieben Beschäftigte der Arbeitgeberin, die zugleich Gewerkschaftsfunktionäre sind und sich durch den Beitrag bedroht fühlten.

Arbeitgeberin kündigte

Nach Anhörung des Fahrers und des Personalrats sprach die Arbeitgeberin eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Arbeitsgericht: Kündigung wirksam

Das Arbeitsgericht hat die hilfsweise fristgemäße Kündigung für wirksam erachtet. Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens.

Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Arbeitgeberin und verfüge mit rund 1.000 Mitgliedern nicht mehr über einen überschaubaren Adressatenkreis. Der Beitrag sei auch auf eine Außenwirkung angelegt gewesen. Die Fotomontage sei als Drohung an Beschäftigte, die sich für Verdi aktiv einsetzten, zu verstehen und, wie sich an den Beschwerden zeige, auch verstanden worden. Dies ergebe sich vor allem aus der Zielrichtung des Pistolenlaufs auf den Kopf des abgebildeten Mannes. Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Auch liege hierin eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, von der klar erkennbar sei, dass sie von der Arbeitgeberin nicht hingenommen werde. Daher sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.

Zu berücksichtigende Umstände des Einzelfalls

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das ArbG angenommen, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei der Arbeitgeberin noch zuzumuten. Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen benötige als alleinerziehender Vater dreier Kinder einen größeren zeitlichen Vorlauf, um eine neue hiermit vereinbare Stelle zu finden. Dieser Umstand wie auch die 15jährige Betriebszugehörigkeit überwögen bezogen auf die ordentliche Kündigung hingegen nicht die Interessen der Arbeitgeberin. Diese müsse für den Schutz ihrer Beschäftigten sowohl bei der Ausübung deren arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten wie auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte aus Artikel 9 Grundgesetz (GG) sorgen.

Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 7.10.2024, 59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650q, 650h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt.

Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.

Quelle: OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, Abruf-Nr. 244905 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für einen Fahrzeugschaden entschieden.

Das war geschehen

Der Kläger verlangt Schadenersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet: „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen: Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…). Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“ Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: „Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“

Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeugausstattung gehörende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschädigt wurde. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 3.219,31 Euro, eine Nutzungsausfallentschädigung (119 Euro) für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.

Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht (LG) die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Sie führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH: Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schadenersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Geschuldet sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Hierbei trägt grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Abweichend davon muss sich allerdings der Schädiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens entlasten, sondern auch darlegen und ggf. beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.

Ursache der Beschädigung liegt bei Autowaschanlage

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Es kam zu der Beschädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug, wie dasjenige des Klägers, mit einer serienmäßigen Ausstattung, wie dem betroffenen Heckspoiler, konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.

Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht. Das Fahrzeug des Klägers war vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.

Heckspoiler gehörte zur Serienausstattung

Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler…)“ erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört und ordnungsgemäß befestigt war, sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“ einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Waschanlagennutzer schon nicht hinreichend klar, dass – gegebenenfalls – von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.

Quelle: BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 39/24

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