Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden.

Nachteilsverbot beachten

Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.

Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung

Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte“ Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.

Quelle: LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Auch wenn der Fahrer des nicht vorfahrtsberechtigten Einsatzfahrzeugs Sondersignale nutzt, muss er sich in einen Kreuzungsbereich langsam hineintasten. So sieht es das Landgericht (LG) Köln.

Besonderheiten des Falls

Im konkreten Fall war streitig und blieb nach der Beweisaufnahme offen, ob Blaulicht und Martinshorn des Polizeifahrzeugs schon vor der Kreuzung oder erst nach Einfahrt in die Kreuzung eingeschaltet wurden. Wer das Sonderrecht der Straßenverkehrsordnung (hier: § 38 Abs. 1 StVO) für sich in Anspruch nimmt (hier das beklagte Land), muss jedoch beweisen, dass er neben dem blauen Blinklicht auch das Einsatzhorn verwendet hat. Dennoch war das Land nur bereit, 60% des Schadens zu tragen.

Sorgfaltspflichten beachten

Wer ein Sondersignal nutzt, muss sorgfältig beobachten, ob sein Signal von allen anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wird. Bei einer Kollisionsgeschwindigkeit des Polizeifahrzeugs von 25 bis 32 km/h beim Zusammenstoß mit dem Querverkehr ist es ausgeschlossen, dass dieser Pflicht Genüge getan wurde, entschied das LG. Dementsprechend musste das Land 100 % des Schadens tragen.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 5.12.2024, 5 O 204/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt.

Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein

Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.

Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt

Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.

Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht – wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe – zuvor schriftlich androhen müssen.

Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.

Quelle: VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll.

Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung

Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.

Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an

Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.

Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).

Quelle: OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Aufrechnung des Vermieters mit verjährten Schadenersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters im Rahmen der Kautionsabrechnung ist regelmäßig auch möglich, wenn der Vermieter die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis (Verlangen von Schadensersatz in Geld statt einer Wiederherstellung der beschädigten Sache) nicht in unverjährter Zeit ausgeübt hat.

Das war geschehen

Die Klägerin begehrt nach Beendigung des Wohnungsmietvertrags und Rückgabe der Wohnung am 8.11.2019 die Rückzahlung der von ihr geleisteten Barkaution in Höhe von rund 780 Euro. Der beklagte Vermieter rechnete mit Schreiben vom 20.5.2020 über die Kaution ab und erklärte die Aufrechnung mit – streitigen – Schadenersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache in einer das Kautionsguthaben übersteigenden Höhe. Die Klägerin hat sich insoweit auf Verjährung berufen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Die Klage hatte zwar in den Vorinstanzen Erfolg, doch die Revision des Beklagten beim BGH letztlich ebenfalls. Der BGH hat nämlich entschieden, dass eine von den Parteien im Wohnraummietverhältnis getroffene Barkautionsabrede typischerweise dahingehend auszulegen ist, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.

Das Berufungsgericht hatte bei seiner Beurteilung maßgeblich auf die für Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache gesetzlich vorgesehene kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten abgestellt, innerhalb derer eine Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen noch nicht bestanden hat. Dabei hat es nach Auffassung des BGH jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Fall der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Eine vom Mieter gestellte Barkaution dient gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können.

Soweit die Aufrechnung im Hinblick auf das bestehende Erfordernis der Gleichartigkeit der beiden Forderungen voraussetzt, dass der Vermieter die ihm bezüglich etwaiger Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache zustehende Ersetzungsbefugnis ausübt, um Schadenersatz in Form eines Geldbetrags verlangen zu können, hat der Mieter regelmäßig kein Interesse daran, dass dies noch in unverjährter Zeit erfolgt. Die isolierte Ausübung der Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist wäre insofern ein lediglich formaler Schritt im Vorfeld zu der für beide Parteien letztlich maßgeblichen Abrechnung des Vermieters über die Barkaution, die ihrerseits nach der Rechtsprechung des BGH nicht in jedem Fall innerhalb der kurzen Verjährungsfrist zu erfolgen hat.

Erneute gerichtliche Entscheidung erforderlich

Da die Aufrechnung des Vermieters hiernach nicht an der Verjährung scheitert, hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun Feststellungen dazu treffen, ob die von dem beklagten Vermieter behaupteten Schadenersatzansprüche bestehen.

Quelle: BGH, Urteil vom 10.7.2024, VIII ZR 184/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Bautrupp hielt mit einem Transporter in einer Kurve am Straßenrand und lud als Erstes eine Kabeltrommel aus dem Fahrzeug auf die Straße. Eine Minute danach kollidierte ein vorbeifahrendes Fahrzeug mit der Trommel, dessen Fahrer auf den Transporter achtete. Der Fahrer des Transporters und sein Versicherer meinen, für das Absichern der Baustelle mit Pylonen sei noch keine Zeit gewesen. Zudem sei die Kabeltrommel sichtbar gewesen. Das sah das Amtsgericht (AG) Pforzheim allerdings ganz anders.

Falsche Reihenfolge

Das AG: Erst ist abzusichern, dann die Kabeltrommel auszuladen. War der Zugriff zum Absicherungsmaterial durch die Kabeltrommel versperrt, entlastet das nicht. Denn das müsse man von vornherein anders laden.

So verteilte das Gericht die Haftung

Allerdings kam das AG zum Ergebnis, dass die Haftung auf jeweils 50 Prozent zu verteilen war. Denn der Unfallbeteiligte hätte bei mehr Aufmerksamkeit die Kabeltrommel sehen können.

Quelle: AG Pforzheim, Urteil vom 19.9.2024, 2 C 1790/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Vermieten Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Eigentumswohnung, müssen sie an die Hausverwaltung auch Zahlungen leisten, die diese der Instandhaltungs- bzw. Erhaltungsrücklage zuführt. Bis dato sind diese Zahlungen nicht zum Zahlungszeitpunkt als Werbungskosten zu berücksichtigen, sondern erst, wenn sie für Instandhaltungen verausgabt worden sind. Ob dies (immer noch) zutreffend ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) klären.

Seit dem 20.8.2024 ist beim BFH ein Verfahren mit folgender Fragestellung anhängig: Stellen Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage (vormals Instandhaltungsrücklage) nach der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (BGBl I 2020, S. 2187) mit einhergehender Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits in diesem Zeitpunkt des Abflusses sofort abzugsfähige Werbungskosten dar, unabhängig von der späteren Mittelverwendung und der steuerlichen Einordnung?

Beachten Sie Die Vorinstanz, das Finanzgericht (FG) Nürnberg, hat das übrigens verneint.

Nach aktuellem Rechtsstand sind die Zahlungen erst dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn sie der Verwalter verausgabt hat. Dass die Beiträge zur Erhaltungsrücklage mit der Zahlung aus dem frei verfügbaren Vermögen abgeflossen sind, ändert daran nichts.

Beispiel

A ist Vermieter einer Eigentumswohnung. Er hat an die Hausverwaltung ein monatliches Hausgeld von 200 Euro für laufende Kosten (z. B. Versicherungen, Gas und Wasser) und daneben weitere 125 Euro als Zuführung zur Erhaltungsrücklage zu zahlen.

Bisherige Lösung: Die monatlichen Zahlungen sind in Höhe von 200 Euro sofort als Werbungskosten abzugsfähig. In Höhe von 125 Euro ergeben sich allein durch die Einzahlung in die Erhaltungsrücklage (noch) keine Werbungskosten.

Angestrebte Lösung: Durch das Revisionsverfahren soll erreicht werden, dass auch die Zahlung in die Erhaltungsrücklage sofort im Zahlungsjahr als Werbungskosten abzugsfähig ist.

Quelle: FG Nürnberg, Urteil vom 12.3.2024, K 866/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein leitender Oberarzt, der seinen 16-jährigen Sohn Tätigkeiten während der OP durchführen lässt, kann dafür auch ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Paderborn.

Das war geschehen

Die Parteien streiten über eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer war seit 2011 als leitender Oberarzt in der Klinik für Orthopädie/Unfallchirurgie tätig. Er nahm bei einer von ihm durchgeführten Operation seinen 16-jährigen Sohn mit in den Operationssaal. Er ließ ihn während der OP „Haken-Halten“, während sich die 76-jährige Patientin in Vollnarkose befand. Hierbei handelt es sich um das Offenhalten des Operationsbereichs nach dem Schnitt, um sicherzustellen, dass der Operateur während der Operation Zugang zum Operationsgebiet hat. Bevor er den Operationssaal verließ, bot er seinem Sohn an, dass dieser das „Tackern“ durchführen könne. Der Sohn lehnt das Angebot ab. Nachdem der Arzt den Operationssaal verlassen hatte, nähte ein Facharzt zunächst subkutan. Er begann dann die Haut zu tackern. Die letzten zwei bis drei Tackervorgänge führte der Sohn des Arbeitnehmers aus.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellte den Arbeitnehmer frei. Dieser behauptet, den Chefarzt über die beabsichtigte Mitnahme seines Sohnes in den Operationssaal vorher informiert zu haben. Hiergegen habe es keine Einwände gegeben. Zudem seien in der Vergangenheit in der Klinik andere Personen während Operationen im OP anwesend gewesen und diese hätten auch teilweise Tätigkeiten übernommen. Dies entspräche der üblichen Praxis beim Arbeitgeber. Zudem wäre eine Abmahnung ausreichend. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass bereits die Mitnahme des Sohnes eine so schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.

Mehrere Pflichtverstöße des Arztes

Das ArbG kam zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorlag, die eine Abmahnung entbehrlich gemacht habe.

Der Arzt habe seine Aufklärungspflicht gegenüber der Patientin verletzt. Er habe diese nicht über die Anwesenheit seines Sohnes informiert und ihr Einverständnis hierzu nicht eingeholt. Die Würde der Patientin sei missachtet worden.

Es sei irrelevant, ob die Hygienevorgaben durch den Sohn eingehalten worden seien. Die Gegenwart jeder weiteren Person im Operationssaal erhöhe die Gefahr einer Übertragung von Krankheitserregern.

Sohn ohne medizinische Ausbildung und Vorerfahrung

Es beständen Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Anwesenheit des Sohnes die OP konkret hätte verzögern und es zu Ablaufstörungen hätte kommen können. Die Gefahr sei latent vorhanden gewesen. Der Sohn habe keine medizinische Ausbildung und ebenso wenig Vorerfahrung im medizinischen Bereich.

Es habe die Gefahr bestanden, dass der Sohn Schwierigkeiten bei der Ausführung der anspruchsvollen Tätigkeit habe, die üblicherweise von einem Assistenzarzt durchgeführt werde. Der Arzt habe damit rechnen müssen, dass dem Sohn Fehler unterlaufen und er einschreiten müsse. Das sei ihm bewusst gewesen. Selbst, wenn der Arbeitnehmer den Chefarzt über die Mitnahme seines Sohnes in den OP in Kenntnis gesetzt haben sollte und dieser keine Einwände erhoben habe, führe die Assistenz des Sohnes während der OP zu einem so schwerwiegenden Pflichtverstoß, dass dies die Kündigung – auch ohne Abmahnung – rechtfertige.

Ärztliche Schweigepflicht verletzt und fehlende Sensibilität

Das Verhalten führe auch zu einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Patientin. Es wurde eine narkotisierte und weibliche Patientin operiert. Hier zeigt sich fehlendes Verantwortungsbewusstsein und fehlende Sensibilität des Arztes in Bezug auf die Intimsphäre der Patientin.

Quelle: ArbG Paderborn, Urteil vom 20.8.2024, 3 Ca 339/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hat entschieden: Ein Unternehmer kann eine Bauhandwerkersicherung auch verlangen, wenn er nur noch Mängel beseitigen muss. Wird die Sicherheit nicht gestellt, darf er die Mängelbeseitigung verweigern.

Auftrag mit Mängeln ausgeführt
Der Unternehmer sollte Betonflächen im Außenbereich herstellen. Dies geschah nur mangelhaft. Um die Kosten für die Mängelbeseitigung abzusichern, hat der Unternehmer eine Sicherheit nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 650f BGB) gefordert. Doch der Auftraggeber stellte die Sicherheit nicht. Deswegen kündigte der Unternehmer den Vertrag. Er meinte, dadurch sei ein Abrechnungsverhältnis eingetreten. Der Auftraggeber erhob Widerklage, mit der er einen Vorschuss verlangte, um die Mängel zu beseitigen.

Klage und Widerklage erfolglos
Keine der Parteien war vor dem OLG erfolgreich. Zwar war der Unternehmer, so das OLG, berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, da der Auftraggeber die Sicherheit nicht innerhalb der hierfür gesetzten Frist gestellt hatte.

Aber durch die Kündigung sei das Nacherfüllungsstadium des Vertrags beendet gewesen. In solchen Fällen bestehe der Vergütungsanspruch nur, soweit die Leistungen mangelfrei erbracht wurden. Folge: Der Unternehmer müsse sich den mangelbedingten Minderwert anrechnen lassen. Hier schätzte das OLG diesen auf mindestens die Höhe der geltend gemachten Werklohnforderung. Es wies die Klage daher ab.

Wegen der Beendigung des Nacherfüllungsstadiums hatte der Auftraggeber laut OLG auch keinen Anspruch mehr auf den Vorschuss zur Mängelbeseitigung. Die Mängel würden allenfalls durch die Minderung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt.

Quelle: OLG Schleswig, Urteil vom 24.7.2024, 12 U 75/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

„Plündert“ eine Ehefrau alle gemeinschaftlichen Konten, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein, während ihr Ehemann nach einem schweren Schlaganfall arg- und wehrlos in einer Reha-Klinik liegt, können Ansprüche des plündernden Ehegatten auf Versorgungsausgleich ausgeschlossen sein. So entschied es das Kammergericht (KG) Berlin.

So argumentierte die Ehefrau
Die Ehefrau hatte gemeint, sie werde doppelt bestraft, weil sie zivilrechtlich die vom Konto erlangten Gelder zurückzahlen müsse und gleichzeitig keinen Versorgungsausgleich erhalte.

Das Kammergericht blieb hart
Das ließ das KG nicht gelten. Die Ansprüche stünden nebeneinander und würden nicht miteinander verrechnet.

Nach dem Versorgungsausgleichsgesetz (hier: § 27 VersAusglG) findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt dabei vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in unerträglicher Weise widerspricht. Das bejahte das KH hier. Denn die Ehefrau hatte das Vermögen für sich, statt – wie verabredet – für die gemeinsame Alterssicherung verwandt.

Quelle: KG Berlin, Beschluss vom 7.3.2024, 16 UF 112/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl