Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat entschieden: Die Besonderheiten der Arbeitsleistung eines Profifußballtrainers können zwar die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Im konkreten Fall scheiterte dies jedoch an dem Schriftformerfordernis. Die Kündigung des Fußballtrainers wegen der fehlenden erforderlichen Lizenz für die nächsthöhere Liga war hingegen gerechtfertigt.

Das war geschehen

Die Beklagte ist für den Spielbetrieb der 1. Fußballmannschaft zuständig. Der Kläger war zunächst ab Anfang 2022 bei der Beklagten als Sportdirektor beschäftigt. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz (Trainerberechtigung für die Fußball-Regionalliga); über eine „Pro-Lizenz“ (Trainerberechtigung für die 3. Liga) verfügt der Kläger nicht. Seit Ende 2022 trainierte er die 1. Fußballmannschaft, die in der Regionalliga spielte. Ende Januar 2023 schlossen die Parteien einen ab 1.1.2023 geltenden, zunächst bis zum 30.6.2024 befristeten, Arbeitsvertrag ab. Der Vertrag enthielt je nach Platzierung eine Verlängerung und verschiedene Prämien.

Die Beklagte stellte den Kläger im August 2023 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Grundvergütung frei. Mit Abschluss der Saison 2023/2024 stieg die 1. Fußballmannschaft der Beklagten in die 3. Liga auf und gewann den Mittelrheinpokal. Im Juni und Juli 2024 sprach die Beklagte drei ordentliche fristgerechte Kündigungen aus.

Sachgrundbefristung gerechtfertigt

Das ArbG entschied, dass die Sachgrundbefristung eines Profifußballtrainers wegen der Eigenart der Arbeitsleistung grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) gerechtfertigt ist. Es sei Aufgabe des Cheftrainers, dafür zu sorgen, dass die Spieler die von ihnen geforderte Spitzenleistungen abrufen. Hierfür sei er als zentraler, prägender Leiter der Mannschaft zuständig. Das Erfordernis, dass die Spieler als Individuum und im Kollektiv Spitzenleistungen erbringen müssten, gebiete es, kurzfristig reagieren zu können, wenn diese Spitzenleistungen nachlassen oder ausbleiben. Ein kurzfristiger Austausch wesentlicher Teile der Mannschaft sei nicht möglich.

Formelle Mängel der Befristung…

Die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall sei aus formellen Gründen gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam, da die Leistung der Unterschriften nach Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger erfolgte.

… aber Kündigung wirksam

Demgegenüber sei die Kündigung des Profifußballtrainers wegen des Fehlens der erforderlichen „Pro-Lizenz“ für die 3. Liga wirksam. Der Erwerb der erforderlichen Lizenz liege im Verantwortungsbereich des Trainers. Bis zum Zeitpunkt des Aufstiegs in die 3. Liga habe der Kläger trotz Freistellung einen Anspruch auf Vergütung und die Zahlung der Prämien. Nach Aufstieg in die 3. Liga habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung oder Prämien, da er die Voraussetzung für die Tätigkeit als Cheftrainer nicht erfüllt habe.

Quelle: ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024, 8 Ca 3230/23, PM 1/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u.a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg.

Komplexe Verletzung beim Ligaspiel

Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel der früheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.

Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.

Landessozialgericht gab Spieler Recht

Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.

Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben

Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.

Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Objektüberwachung und Bauleitung sind inhaltlich „zwei Paar Schuhe“. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt festgestellt.

Architekt verlangte Honorar für Bauleitung

Ein Architekt rechnete Honorar für „Bauleitung“ ab. Er bezog sich auf die Leistungsphase 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er konnte aber nicht nachweisen, entsprechende Objektüberwachungsleistungen erbracht zu haben.

So sahen es die Gerichte

Die Gerichte kamen dagegen zu der Auffassung, dass er als Bauleiter nach der Hessischen Bauordnung (hier: § 59 HBO) tätig sein sollte. Diese Person muss u. a. darüber wachen, dass die Baumaßnahme nach den genehmigten Bauvorlagen bzw. – soweit eine bauaufsichtliche Prüfung entfällt – nach den eingereichten Bauvorlagen ausgeführt wird.

Bei der Überwachungstätigkeit muss der Bauleiter auf den sicheren Betrieb der Baustelle achten. Dazu zählt, dass die Arbeiten der Unternehmen ohne gegenseitige Gefährdung und ohne Gefährdung Dritter durchgeführt werden können. Über die HOAI können diese Leistungen – so sie denn erbracht wurden – nicht abgerechnet werden.

Der Bauleiter, so das OLG, sei nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird. Der Objektüberwacher dagegen schuldet eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn.

Der Architekt ging also leer aus. Da der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hatte, ist die Entscheidung des OLG nun auch rechtskräftig.

Quelle: OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten.

Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass

Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.

Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.

Erfolgloser Widerspruch

Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.

Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung – zu Wohnzwecken – zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz – was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird – dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.

Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Therapiewahl ist grundsätzlich Aufgabe des behandelnden Tierarztes. Ein vom Hundebesitzer wahrgenommenes Hinken des linken Hinterlaufs bedeutet nicht, dass die Operation am rechten Hinterlauf behandlungsfehlerhaft erfolgte. Ein Laie kann nicht sicher auf die Ursache eines etwaigen Hinkens schließen; häufig ist gerade die kollaterale Seite betroffen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Rückzahlung von Behandlungskosten gerichtete Berufung des klagenden Tierbesitzers zurückgewiesen.

Es ging um die Erstattung von Behandlungskosten

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Erstattung von Behandlungskosten für seinen Hund in Anspruch. Er wollte seinen Rhodesian Ridgeback wegen Lähmungserscheinungen an einem hinteren Bein behandeln lassen. Nach Gangbeobachtungen und Röntgenaufnahmen (des rechten Hinterlaufs) vereinbarte der Kläger einen OP-Termin. Der Hund wurde dann am rechten Kniegelenk operiert.

Der Kläger verlangt nun die beglichenen Arztkosten in Höhe von rund 7.500 Euro zurück und behauptet, der Hund sei am falschen Bein operiert worden. Beauftragt worden sei die Behandlung des linken hinteren Beins. Der rechte Hinterlauf sei dagegen kerngesund gewesen.

Schon das Landgericht hatte die Klage abgewiesen

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das LG sei nach Ausschöpfung der maßgeblichen Erkenntnisquellen zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass kein Behandlungsfehler vorliege, bestätigte das OLG. Insbesondere habe der Sachverständige schlüssig hergeleitet, „dass durchaus – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – die korrekte Gliedmaße operiert worden sei“. Er habe die anhand der Befunderhebung gesicherte Pathologie im rechten Kniegelenk nachvollziehbar als Indikation für die Operation bestätigt. Zu Recht habe er auch darauf hingewiesen, dass die „Entscheidung über das Ausmaß der Operation – und hierbei das Bein, welches operiert werden soll – letztlich der Tierarzt zu treffen hat“.

Therapiewahl ist Sache des Tierarztes

Die Therapiewahl sei grundsätzlich Domäne des behandelnden Arztes, „der jedenfalls durch den Behandlungsauftrag hier auch nicht ohne Weiteres im Vertragssinne etwa auf die Behandlung einer bestimmten Gliedmaße festgelegt, sondern vielmehr zur standardmäßigen Behandlung angehalten ist“, führte das OLG weiter aus.

Soweit der Kläger behaupte, dass vor der Operation beim Gangbild ein Hinken am linken Bein zu sehen gewesen sei, habe der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, „dass eine solche Beobachtung – zumal für den Laien – keinen Rückschluss auf eine Verortung als Ursache auch in dieser Gliedmaße erlaubt; vielmehr sei häufig die kollaterale Seite betroffen“. Auch der Nachbefund habe ergeben, dass das linke Bein befundlos gewesen sei.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 19.8.2024 i.V.m. dem Beschluss vom 23.9.2024, 29 U 33/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus.

Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden

Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.

Keine Leistungsklage erforderlich

Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.

Quelle: LG Halle, Urteil vom 10.10.2024, 4 O 224/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Ein Angeklagter hatte behauptet, seine Fahruntüchtigkeit versehentlich herbeigeführt zu haben. Seine Erklärung: der Verzehr von Schnaps-Pralinen. Den alkoholischen Gehalt der Pralinen habe er nicht bemerkt. Das glaubte ihm das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. nicht.

Mit 1,32 Promille Auto gefahren

Nach den Feststellungen des Gerichts fuhr der Angeklagte im Januar 2024 gegen drei Uhr morgens mit seinen Pkw durch Hofheim am Taunus. Er hatte dabei eine Blutalkoholkonzentration von 1,32 ‰. Dadurch war er nicht mehr in der Lage, sein Fahrzeug mit der im Straßenverkehr erforderlichen Sicherheit zu führen. Seine Fahruntüchtigkeit, so das AG, habe der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.

Das AG belegte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr mit einer Geldstrafe und ordnete die Entziehung der Fahrerlaubnis an. Der Angeklagte hatte angegeben, dass er nach einem Saunabesuch unterzuckert in seinem Fahrzeug auf dem Parkplatz eingeschlafen sei. Er habe von einem unbekannten Pärchen einen Beutel mit annähernd tischtennisball-großen, vermutlich mit Vodka gefüllten Pralinen angeboten bekommen. Von diesen habe er acht oder neun Stück gegessen. Dass diese Pralinen mit Alkohol gefüllt waren, habe er beim Verzehr nicht bemerkt.

Angaben nicht glaubhaft: Schutzbehauptung

Diese Angaben hielt das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme für nicht glaubhaft. Nach Einschätzung der Sachverständigen hätte der Angeklagte zum Erreichen der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,32 ‰ ca. 0,2 bis 0,3 Liter eines hochprozentigen Getränks (40 bis 60 %) trinken müssen. Dies entspräche mindestens 132 Pralinen der Marke „Mon Chéri“. Auch wenn man zugunsten des Angeklagten davon ausgehe, dass dieser nicht neun, sondern sogar zwölf tischtennisball-große Pralinen verzehrt habe, hätte jede dieser Pralinen immer noch mehr als 2 cl, also jeweils einen „Shot“, eines 40 %-igen alkoholischen Getränks enthalten müssen. Ob man ein solches Produkt überhaupt noch als „Praline“ bezeichnen und käuflich erwerben könne, sei zweifelhaft. Jedenfalls sei es bei dieser Menge „absolut fernliegend“, dass der Angeklagte die Alkoholfüllung nicht wahrgenommen haben wolle. Es handele sich um eine nicht glaubhafte Schutzbehauptung.

Quelle: AG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.8.2024, 907 Cs 515 Js 19563/24

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich.

Das war geschehen

Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).

Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.

Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.

Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.

Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.

Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.

Quelle: BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

In einem Eilverfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat die antragstellende Ehefrau verlangt, dass eine Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres bereits verstorbenen Ehemanns zur Verfügung stellt. Sie möchte damit eine In-Vitro-Fertilisation in Spanien durchführen lassen. Das LG hat ihrem Eilantrag stattgegeben.

Das war geschehen

Das Krankenhaus hatte die Herausgabe verweigert, weil der mit dem Ehemann zu dessen Lebzeiten geschlossene Vertrag vorsah, dass das Sperma nach seinem Tod zu vernichten sei. Das Embryonenschutzgesetz untersage es, eine künstliche Befruchtung mit dem Samen eines verstorbenen Mannes durchzuführen. Nach Ansicht der Klinik drohe ihren Mitarbeitern im Fall einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas außerdem strafrechtliche Verfolgung.

So argumentierte das Landgericht

Das LG hat festgestellt, dass der seinerzeit mit dem Ehemann geschlossene Vertrag die Klinik nicht verpflichte, das kryokonservierte Keimmaterial zu vernichten. Diese „Vernichtungsklausel“ fuße nach dem Wortlaut des Vertrags allein auf § 4 Embryonenschutzgesetz. Darin werde zwar strafrechtlich verboten, eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu befruchten. Der Schutzzweck der Vorschrift sei im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt. Insbesondere das Grundrecht des verstorbenen Ehemanns auf reproduktive Autonomie werde nicht beeinträchtigt, denn er habe vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas eingewilligt. Dies habe seine Ehefrau hinreichend dargelegt.

Entgegen der Befürchtung der Klinik bestünden vorliegend bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas keine Strafbarkeitsrisiken für die Mitarbeiter. Da der Schutzzweck des § 4 Embryonenschutzgesetz im konkreten Fall schon nicht verletzt sei, fehle es bei einer künstlichen Befruchtung mit dem Sperma des verstorbenen Ehemanns an einer rechtswidrigen Haupttat. Eine Beihilfehandlung dazu scheide aus.

Das LG betonte, dass es verfassungsrechtlich zwingend geboten erscheine, dass zur Ausübung einer Handlung, die Ausdruck einer nach dem Grundgesetz verfassungsrechtlich besonders geschützten Selbstbestimmung ist, derjenige auch Hilfe in Anspruch nehmen kann, der diese Handlung realisieren will. Die künstliche Befruchtung in einer spanischen Klinik sei vorliegend – unabhängig von konkreten medizinischen Erfolgsaussichten und ethischen oder moralischen Bewertungen – nach spanischem Recht möglich. Eine In-Vitro-Fertilisation sei dort im konkreten Fall nicht mit Strafe bedroht.

Quelle: LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4.2.2025, 2-04 O 29/25

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage befassen, wann die mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz neu gestaltete Auskunftspflicht von Angehörigen gegenüber dem Sozialamt greift.

Vater lebte im Seniorenwohnheim und erhielt Hilfe zur Pflege

Der Vater des Klägers lebt in einem Seniorenwohnheim und erhält vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege. Er ist geschieden und hat neben dem Kläger noch einen weiteren Sohn, der im Jahr 2020 Student war.

Der Sozialhilfeträger erlangte im Internet Informationen über die Arbeitgeberin des Klägers, eine Digitalagentur mit über 100 Mitarbeitern und einem Honorarumsatz im hohen siebenstelligen Bereich, und seine dortige Position als Chief Technology Officer (CTO). Er teilte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass sein Bruttoeinkommen die Grenze von 100 000 Euro jährlich überschreite und verlangte Auskunft über sein Einkommen und sein Vermögen.

Hiergegen wandte sich der Kläger. Denn mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Es bestehe deshalb keine Auskunftspflicht.

So sah es das Landessozialgericht

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat den Auskunftsbescheid aufgehoben. Zwar sei die o. g. Vermutungsregel mit den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem Internet widerlegt. Im sich anschließenden Auskunftsverfahren sei aber ein gestuftes Vorgehen erforderlich: In einem ersten Schritt sei der Sozialhilfeträger lediglich berechtigt, Auskünfte über das Bruttojahreseinkommen des potenziell Unterhaltsverpflichteten einzuholen.

Erst, wenn auf dieser Grundlage die 100 000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten sei, bestehe in einem zweiten Schritt ein umfassendes Auskunftsrecht, das sich auch auf Vermögen beziehe.

Mit seiner Revision rügt der beklagte Sozialhilfeträger, dass das vom LSG geforderte gestufte Auskunftsverfahren im Gesetz keine Stütze finde. Wenn zu vermuten sei, dass die Einkommensgrenze überschritten werde, bestehe auch eine Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen, damit der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch umfassend prüfen könne.

So sah es das Bundessozialgericht

Das BSG gab dem Kläger ebenfalls recht: Vermögensauskünfte können nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erst dann verlangt werden, wenn die Einkommensgrenze von 100.000 Euro tatsächlich überschritten wird.

Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber zum 1.1.20 u. a. unterhaltsverpflichtete Kinder entlastet. Ein Unterhaltsrückgriff durch den Sozialhilfeträger auf ein erwachsenes Kind, dessen Eltern vom Sozialamt Leistungen erhalten, ist mit dem neu eingeführten § 94 Abs. 1a SGB XII gegenüber dem früheren Recht beschränkt worden: Ein möglicher Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre erwachsenen Kinder geht erst auf den Sozialhilfeträger über, wenn das Einkommen des Kindes einen Jahresbetrag von 100 000 Euro übersteigt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass diese Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn die Vermutung widerlegt ist, kann Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Dabei ist ggf. auch vorhandenes Vermögen zu berücksichtigen.

Legitim: Informationen aus dem Internet eingeholt

Auch das BSG ging davon aus, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Mann ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro habe. Dass der Sozialhilfeträger diese Anhaltspunkte aus dem Internet habe, sei nicht zu beanstanden. Die Auskunftspflicht sei aber zunächst auf das Einholen von Auskünften zu den Einkommensarten beschränkt. So habe es der Gesetzgeber gewollt. Denn er beabsichtigte, in erster Linie erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten. Dem widerspräche es, die Auskunftspflicht auszuweiten.

Quelle: BSG, Urteil vom 21.11.2024, B 8 SO 5/23 R

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl