Wird ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzter Beamter wieder dienstfähig und beantragt er seine Reaktivierung (erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis), muss der Dienstherr dem Antrag entsprechen, sofern dem nicht ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. In diesem Rahmen muss der Dienstherr nur prüfen, ob es an jeglicher zumutbaren Verwendungsmöglichkeit fehlt. Dagegen darf er die Reaktivierung nicht so lange hinausschieben, bis er tatsächlich einen dem Statusamt des Beamten entsprechenden Dienstposten gefunden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Das war geschehen
Der Kläger, ein Studiendirektor, wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im darauffolgenden Jahr stellte der Dienstherr im Anschluss an eine amtsärztliche Untersuchung die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fest. Knapp sieben Monate später – nachdem für ihn eine Einsatzschule gefunden war – wurde der Studiendirektor reaktiviert. Er begehrt Schadenersatz in Höhe der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und der Besoldung für den Zeitraum zwischen der Feststellung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und der Reaktivierung. Sein Begehren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Bundesverwaltungsgericht: Voraussetzungen für Reaktivierung des Ruhestandsbeamten
Das BVerwG hat seine Revision zurückgewiesen. Die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten setzt einen – nicht notwendig schriftlichen – Antrag des Beamten sowie die auf einem ärztlichen Gutachten basierende Feststellung voraus, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. In diesem Verfahren ist ferner nur noch zu prüfen, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellen wird, für den zu reaktivierenden Beamten durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen. Dagegen hängt die Reaktivierung nicht davon ab, dass für den Beamten auch ein seinem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird.

Kein Verschulden beim Land
Dass im vorliegenden Fall das beklagte Land hiervon nicht ausgegangen ist, kann ihm im Rahmen eines beamtenrechtlichen Schadenersatzanspruchs nicht als schuldhaft angelastet werden. Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur überhaupt Ausführungen zum Prüfprogramm in derartigen Fällen gemacht worden waren, ergaben sich hieraus keine eindeutigen und zugleich dem dargestellten Maßstab entsprechende Anforderungen.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 15.11.2022, 2 C 4.21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Der Architekt kann den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Auftraggeber trotz Mahnung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung einen erheblichen Teil des geschuldeten Honorars nicht zahlt oder sich kategorisch weigert. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits lag eine Leistungsvereinbarung über die Objektüberwachung für pauschal 157.560 Euro vor. Nach einer Bauzeitverzögerung gab es Streit über die Herleitung des Honorars für Mehraufwendungen des Architekten. Der Streitwert betrug ca. 107.000 Euro.

Der Architekt setzte dem Bauherrn eine Nachfrist, um die Abschlagsrechnung zu zahlen. Im Fall der Nichtzahlung kündigte er an, zu kündigen. Das tat er dann auch, als die Zahlung ausblieb.

Im Gerichtsverfahren verteidigte sich der Bauherr u. a. damit, dass es sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt habe, die ihm eine schnellere Entscheidung unmöglich gemacht habe. Das ließ das OLG nicht gelten. Schwierige rechtliche Verhältnisse haben keinen Einfluss darauf, ob eine Kündigung berechtigt ist. Liegen schwierige Rechtsfragen an, sind auch diese vom Auftraggeber zügig zu klären.

Quelle: OLG Köln, Urteil vom 15.1.2021, 19 U 15/20; rechtskräftig jetzt durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 4.5.2022, VII ZR 87/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Fährt der Schädiger mit seinem Pkw einem anderen absichtlich in dessen Fahrzeug, ist sein Haftpflichtversicherer dafür aufgrund der vorsätzlichen Begehung nicht eintrittspflichtig. Doch wie ist die Rechtslage, wenn er auch ein in direkter Nähe ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug beschädigt? Das hat das Amtsgericht (AG) Bielefeld geklärt.

Der Schädiger gab an, er habe weder beabsichtigt noch damit gerechnet, dass außer an seinem Zielobjekt Schaden an anderen Fahrzeugen entstehe. Es half ihm nicht: Das AG entschied, dass sich der haftungsausschließende Vorsatz nach dem Versicherungsvertragsgesetz (hier: § 103 VVG) nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf die Verletzungsfolgen beziehen muss. Das heißt: Schäden durch einen von den Vorstellungen des Schädigers abweichenden Geschehensablauf sind davon nicht umfasst. Folge: Der Haftpflichtversicherer muss zahlen.

Quelle: AG Bielefeld, Urteil vom 9.12.2022, 417 C 130/22

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein im Eifelkreis Bitburg-Prüm lebender Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Anlage eines privaten Bestattungsplatzes für zwei Urnenbestattungen in der auf seinem Grundstück gelegenen Hofkapelle. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz.

Das war geschehen
Der Kläger begründete seinen Wunsch, dass er und seine Ehefrau nach ihrem Tod in der ihnen gehörenden Hofkapelle, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihres Wohnhauses auf einem ihm gehörenden Grundstück befindet, im Rahmen einer Urnenbestattung beigesetzt zu werden, im Wesentlichen damit, dass die Kinder sich nicht um die Grabpflege auf dem örtlichen Friedhof kümmern könnten. Sie seien alle verzogen. Zudem laufe das Nutzungsrecht an der dort vorhandenen eigenen Grabstelle im Jahre 2030 aus. Zu der Hofkapelle bestehe ein besonderer persönlicher Bezug, weil der Patenonkel des Klägers diese erbaut habe. Seine Ehefrau und er lehnten eine Bestattung in der Grabstelle auf dem kommunalen Friedhof ab, da sich die Zeiten geändert hätten und sie über eine eigene Hofkapelle verfügten.

Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt und verpflichtete den beklagten Kreis, dem Kläger die begehrte Genehmigung zur Anlage eines privaten Bestattungsplatzes für zwei Urnenbestattungen in der auf seinem Grundstück gelegenen Hofkapelle zu erteilen. Auf die Berufung des Beklagten hob das OVG das Urteil des VG auf und wies die Klage ab.

So argumentierte das Oberverwaltungsgericht
Die Anlage eines privaten Bestattungsplatzes bedürfe nach dem rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetz – BestG – einer schriftlichen Genehmigung. Danach könnten private Bestattungsplätze nur angelegt werden, wenn ein berechtigtes Bedürfnis oder Interesse bestehe und öffentliche Interessen oder schutzwürdige Belange Dritter nicht beeinträchtigt würden. Hier erkannte das OVG kein solches berechtigtes Bedürfnis oder Interesse des Klägers.

Bei der Anerkennung einer Ausnahme im Einzelfall sei keine großzügige Handhabung geboten, um nicht einem Zustand Vorschub zu leisten, der zu einer Umkehrung des im Gesetz angelegten Regel-/Ausnahmeverhältnisses führte. Die vom Gesetzgeber angestrebte Wahrung der Totenruhe und die Wahrung des Wohls der Allgemeinheit ließen es nicht zu, im Fall des angestrebten privaten Bestattungsplatzes ein berechtigtes Bedürfnis oder Interesse schon anzuerkennen, wenn dies dem privaten Wunsch des Betroffenen entspreche. Mit dem grundsätzlichen Verbot von Bestattungen außerhalb von Friedhöfen werde der dem Gesetzgeber zustehende weite Ermessensspielraum aufgrund gewandelter Vorstellungen in der Bevölkerung nicht überschritten. Dies gelte auch dafür, dass die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen bei restriktiver Handhabung der Ausnahmevoraussetzungen, also der Genehmigungserteilung zwecks Aufrechterhaltung des im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Regel-/Ausnahmeverhältnisses nur in besonders begründeten Einzelfällen, mittlerweile in nicht mehr vertretbarer Weise eingeschränkt werden könnte.

Wenngleich in einzelnen Bundesländern, wie etwa Nordrhein-Westfalen und Bremen, der Friedhofszwang für die Beisetzung von Aschenresten bereits vor geraumer Zeit gelockert worden sei, erachte es der weit überwiegende Teil offensichtlich weiterhin als geboten, sich insbesondere aus Gründen der Totenruhe und des sittlichen Gefühls weiter Bevölkerungskreise grundsätzlich für den Friedhofszwang zu entscheiden.

Persönliche Verbundenheit ist kein berechtigtes Interesse
Die persönliche Verbundenheit des Klägers zu der auf seinem Grundstück gelegenen und seit mehreren Jahrzehnten in seinem Eigentum stehenden Hofkapelle – hier aufgrund der seinerzeitigen Errichtung durch seinen Patenonkel – könne kein berechtigtes Interesse begründen, da ein gleichgelagerter Wunsch aufgrund einer besonderen persönlichen bzw. familiären Verbundenheit zu einem in seinem Eigentum stehenden Gebäude bei jedem anderen Grundstückseigentümer ebenso vorliegen könnte.

Soweit das VG hervorgehoben habe, der Kläger verfüge mit seiner Hofkapelle über einen Ort, der für eine Urnenbeisetzung besonders geeignet sei und in der die Beisetzung in angemessener und pietätvoller Weise durchgeführt werden könne, sei dem in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6.10.2022, 7 A 10437/22.OVG, PM 15/22

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jetzt klargestellt: Eine von einem Standesbeamten des Ursprungsmitgliedstaats errichtete Scheidungsurkunde, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, die sie vor dem Standesbeamten getreu den in den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen bestätigt haben, stellt eine „Entscheidung“ im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung dar. Sie ist damit (auch) in Deutschland anzuerkennen.

Das war geschehen
Im Jahr 2013 heirateten eine deutsche und italienische Staatsangehörige und ein italienischer Staatsangehöriger in Deutschland. Im Anschluss an ein außergerichtliches Scheidungsverfahren nach italienischem Recht stellte ihnen im Jahr 2018 der italienische Standesbeamte eine Bescheinigung über die Ehescheidung aus. Die deutschen Standesamtsbehörden verweigerten die Beurkundung dieser Scheidung wegen fehlender vorheriger Anerkennung durch die zuständige deutsche Landesjustizverwaltung. Der mit der Sache befasste deutsche Bundesgerichtshof (BGH) sah sich vor die Frage gestellt, ob der Entscheidungsbegriff der Brüssel-IIa-Verordnung über die Anerkennung von Entscheidungen über Ehescheidungen den Fall einer außergerichtlichen Scheidung erfasst, die durch eine von den Ehegatten geschlossene Vereinbarung bewirkt und von einem Standesbeamten eines Mitgliedstaats nach dessen Rechtsvorschriften ausgesprochen wurde.

So sieht es der Europäische Gerichtshof
Der EuGH: In Ehescheidungssachen umfasst der Begriff „Entscheidung“ im Sinne dieser Verordnung jede Entscheidung über eine Ehescheidung in einem gerichtlichen oder aber außergerichtlichen Verfahren, sofern das Recht der Mitgliedstaaten auch nicht-gerichtlichen Behörden Zuständigkeiten in Ehescheidungssachen zuweist. Somit muss jede Entscheidung solcher nichtgerichtlichen Behörden, die in einem Mitgliedstaat in Ehescheidungssachen zuständig sind, automatisch anerkannt werden, sofern die in der Brüssel-IIa-Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Darüber hinaus verweist der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung, wonach von der Brüssel-IIa-Verordnung nur Ehescheidungen erfasst werden, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde oder unter deren Kontrolle ausgesprochen werden, was reine Privatscheidungen ausschließt.

Scheidungsvoraussetzungen nach nationalem Recht sind zu prüfen
Daraus leitet der EuGH ab, dass jede Behörde, die eine „Entscheidung“ treffen muss, die Kontrolle über den Ausspruch der Ehescheidung behalten muss, was bei einvernehmlichen Ehescheidungen impliziert, dass sie eine Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen anhand des nationalen Rechts vornehmen und prüfen muss, ob das Einvernehmen der Ehegatten über die Scheidung tatsächlich gegeben und gültig ist.

Der EuGH erläutert, dass dieses Prüfungserfordernis das Kriterium zur Abgrenzung des Begriffs „Entscheidung“ von den ebenfalls in der Brüssel-IIa-Verordnung vorkommenden Begriffen „öffentliche Urkunde“ und „Vereinbarung zwischen den Parteien“ ist. Dabei stellt er klar, dass dieses Kriterium ebenso wie die Regelung für öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien im Rahmen der Brüssel-IIb-Verordnung, die die Brüssel-IIa-Verordnung seit dem 1.8.2022 ersetzt hat, übernommen und präzisiert wurde.

Standesbeamter in Italien vergewissert sich über Inhalt der Scheidungsvereinbarung
In Bezug auf die vorliegende Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass der Standesbeamte in Italien als gesetzlich eingesetzte Behörde dafür zuständig ist, die Ehescheidung rechtsverbindlich auszusprechen, indem er die von den Ehegatten aufgesetzte Scheidungsvereinbarung nach einer Prüfung in Schriftform beurkundet. Der Standesbeamte vergewissert sich nämlich, dass das Einvernehmen der Ehegatten zur Scheidung gültig, aus freien Stücken und in Kenntnis der Sachlage erteilt wird. Er prüft auch den Inhalt der Ehescheidungsvereinbarung anhand der geltenden Rechtsvorschriften, indem er sich vergewissert, dass sich die Vereinbarung nur auf die Auflösung der Ehe oder die Beendigung der zivilen Wirkungen der Ehe bezieht und weder Vermögenswerte übertragen werden noch andere als volljährige wirtschaftlich unabhängige Kinder betroffen sind. Im Ergebnis handelt es sich somit um eine von den deutschen Standesamtsbehörden automatisch anzuerkennende „Entscheidung“ im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung.

Quelle: EuGH, Urteil vom 15.11.2022, C-646/20, PM 183/22 vom 15.11.2022

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eigenbedarfskündigung: Schon vor ersten körperlichen Einschränkungen dürfen Vermieter die Wohnung altersgerecht umbauen

Der Eigentümer einer Immobilie muss sich nicht darauf verweisen lassen, die Wohnverhältnisse erst anpassen zu dürfen, wenn bereits körperliche Einschränkungen eingetreten sind. Gerade Umbau- und Umzugsarbeiten werden sich nach Eintritt körperlicher Einschränkungen besonders schwierig gestalten. So sieht es das Amtsgericht (AG) Wetzlar.

Ein Vermieter-Ehepaar (59 bzw. 60 Jahre alt) kündigte dem langjährigen Mieter wegen Eigenbedarf, um die ebenerdige Wohnung für ein altersgerechtes Wohnen umzugestalten und dann dort einzuziehen. Der Mieter meinte, es handle sich um eine unzulässige Vorratskündigung, da die Vermieter bei Ausspruch der Kündigung noch nicht körperlich beeinträchtigt waren.

Die Räumungsklage war erfolgreich. Der geltend gemachte Nutzungswunsch werde auf nachvollziehbare Gründe gestützt, so das AG. Es sei vernünftig, die künftigen Wohnverhältnisse im Hinblick auf das Alter rechtzeitig zu planen und frühzeitig umzusetzen. Es komme nicht darauf an, ob die Vermieter im Zeitpunkt der Kündigung bereits körperlich beeinträchtigt seien.

Quelle: AG Wetzlar, Urteil vom 13.1.2022, 35 C 118/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Wird eine abhängige Beschäftigung zwecks Wiederaufnahme einer pandemiebedingt aufgegebenen Selbstständigkeit gekündigt, liegt zumindest ein Härtefall vor. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen jetzt entschieden.

Der Antragsteller war seit 2000 mit einer Eventagentur selbstständig. Er stellte diese Tätigkeit aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen im Veranstaltungssektor 2020 ein. Am 31.01. kündigte er das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis als Berufskraftfahrer zum 28.2.2022 und meldete sich arbeitslos. Die Bundesagentur für Arbeit als Antragsgegnerin stellte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum (1.3. bis 23.5.2022) fest. Hiergegend erhob der Antragsteller Klage.

In zweiter Instanz hat das LSG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller bis zum 23.5.2022 Arbeitslosengeld zu zahlen. Hinsichtlich der ersten sechs Wochen der Sperrzeit hat es seine Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Es bestünden zu große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids für die Zeit ab dem 13.4.2022. Zwar habe der Antragsteller durch seine Kündigung die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Fraglich sei aber bereits, ob dies grob fahrlässig gewesen sei. Der Antragsteller habe im Januar 2022 noch davon ausgehen dürfen, dass er ab März 2022 wieder mit der Eventagentur tätig werden könne.

Aber auch, wenn angesichts der unsicheren Pandemielage Anfang des Jahres 2022 von einer grob fahrlässigen Herbeiführung ausgegangen werden sollte, sei die Annahme einer besonderen Härte mit der Folge einer Verkürzung der Sperrzeit auf sechs Wochen geboten. Es sei mindestens unverhältnismäßig hart, den Versuch eines vor der pandemiebedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbstständig Tätigen, diese Tätigkeit wiederaufzunehmen, mit der Regelsperrzeit von zwölf Wochen zu sanktionieren, wenn – wie hier – ein berechtigter Grund zu der Annahme vorliege, dass die selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen werden könne.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1.9.2022, L 9 AL 106/22 B ER

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Auch ausführende Unternehmen müssen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zum Werkvertragsrecht dafür sorgen, dass möglichst wenig Ausführungsmängel eintreten. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg aktuell noch einmal bekräftigt.

Das OLG: Der ausführende Bauunternehmer muss die ihm übergebene Planung daraufhin prüfen, ob die ihm beauftragte Leistung im Ergebnis zum geschuldeten Werkerfolg führt. Erkennt er bzw. ist es für ihn erkennbar, dass die Planung des beauftragten Planers unzureichend ist, muss er diesen darauf hinweisen.

Im vorliegenden Fall ging es um die Tragfähigkeit eines Carportdachs. Das OLG stellte klar, dass der ausführende Unternehmer hätte rechtzeitig vor Bauausführung erkennen müssen, dass die Planung nicht zu einer tragfähigen Konstruktion führt. Die Prüfungs- und Hinweispflichten des Auftragnehmers umfassen jedoch nicht die Pflicht, auch die nachfolgenden Leistungen eines weiteren Bauunternehmers auf Machbarkeit zu prüfen. Er ist lediglich seinem Auftraggeber gegenüber verpflichtet.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 24.3.2022, 14 U 50/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Ob Desinfektionskosten zu den erstattungsfähigen Reparaturkosten gehören, war umstritten. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) Klartext gesprochen.

Es ging um eine Desinfektion im Rahmen der Begutachtung durch den Schadengutachter. Der Kern der Entscheidung lautet: Ebenso, wie die Wahl seines individuellen Hygienekonzepts selbst, steht auch die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die hierfür anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten der Arbeitssicherung in die Kalkulation des Grundhonorars „eingepreist“ werden, grundsätzlich dem Sachverständigen als Unternehmer zu. Angesichts der nur vorübergehenden Natur jedenfalls der verschiedenen Phasen der Corona-Pandemie mag es sogar ein Ausdruck des Bemühens um Kostentransparenz sein, die Pauschale für die Dauer ihres Anfallens gesondert auszuweisen. Es ist daher nicht bedenklich, dass der Sachverständige die Corona-Desinfektionspauschale gesondert berechnet hat.

Quelle: BGH, Urteil vom 13.12.2022, VI ZR 324/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Mit einem besonderen Fall einer Schenkung hat das Landgericht (LG) Frankenthal befasst: Ein Mann hatte gegenüber seiner Versicherung bestimmt, dass der nach seinem Tod fällige Auszahlungsbetrag der Lebens- oder Riester-Rentenversicherung nicht an seine Erben, sondern an eine Bekannte ausgezahlt werden sollte. Erzählt hatte er seiner Bekannten davon nichts. In einem solchen Fall bestehe nach Darstellung des LG für die beschenkte Person ein Risiko, was sich hier realisiert habe: Nach dem Tod des Schenkers hatten die Erben das Schenkungsangebot an die bedachte Bekannte nämlich noch widerrufen, bevor die Versicherung es an Letztere übermitteln konnte. Die Bekannte ging deshalb leer aus.

Da die Bekannte von der geplanten Zuwendung zu Lebzeiten des Mannes keine Kenntnis hatte, konnte ein Schenkungsvertrag allenfalls noch nach seinem Tod zustande kommen, so das LG. In dem Auftrag des Erblassers an die Versicherung, im Todesfall die Leistung an seine Bekannte auszuzahlen, liege in solchen Fällen gleichzeitig auch der Auftrag an den Versicherer, das Schenkungsangebot an die Beschenkte zu übermitteln. Diese müsse es dann noch annehmen. Bis zur Überbringung des Schenkungsangebots könne dieses von den Erben jedoch noch widerrufen werden, was hier auch erfolgt war. Die Schenkung scheiterte. Damit hatte die Frau keinen Rechtsgrund mehr, das Geld zu behalten und musste es den klagenden Erben überlassen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht (OLG) eingelegt worden.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 12.10.2022, 8 O 165/22

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl