Der Vermieter ist berechtigt, innerhalb eines Mieterhöhungsverfahrens sein formell ordnungsgemäßes vorprozessuales Erhöhungsverlangen nachträglich zu ermäßigen – etwa mit Erhebung der Zustimmungsklage. Das hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.

Im Fall des BGH hatte die Vermieterin zunächst eine Erhöhung von 65 Euro monatlich verlangt, im Rahmen der Klage auf Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen aber nur noch rund 45 Euro begehrt. Sie hatte auf werterhöhende Wohnmerkmale im Prozess verzichtet. Die Mieter waren der Meinung, die Vermieterin hätte erst vorgerichtlich ein neues Mieterhöhungsverlangen zustellen müssen.

Das sah der BGH nicht so. Einer nochmaligen – den Lauf der im Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 558b Abs. 1, 2 BGB) geregelten Fristen von Neuem auslösenden – Erklärung und Begründung bedarf es hierfür nach Ansicht des BGH nicht.

Quelle: BGH, Urteil vom 6.4.22, VIII ZR 219/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Regeln des Infektionsschutzgesetzes
Nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 28b Abs. 1 InfSchG in der vom 24.11.2021 bis 19.3.2022 gültigen Fassung) durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten.

Das war geschehen
Der als Justizbeschäftigter bei einem Gericht tätige Kläger legte einen Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war, und erhielt so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises. Nachdem festgestellt wurde, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelte, erklärte das Land Berlin als Arbeitgeber nach Anhörung des Justizbeschäftigten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des ArbG wirksam, weil der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege.

Justizbeschäftigter: erkennbar, dass Fälschung Konsequenzen haben würde
Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28b Abs. 1 InfSchG gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhalts sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 26.4.2022, 58 Ca 12302/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Eine Fahrerlaubnis kann auch aufgrund einer anonymen Anzeige entzogen werden. Das machte das Verwaltungsgericht (VG) Cottbus deutlich und lehnte den Eilantrag eines Autofahrers gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis ab.

Das war geschehen
Ursache des Verfahrens war, dass die zuständige Straßenverkehrsbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen hatte, nachdem sie von einem der Polizei anonym zugespielten Drogengutachten Kenntnis erlangt hatte. Das Drogengutachten war beim Antragsteller in einem familienrechtlichen Verfahren durchgeführt worden. Es wies den Konsum von Kokain und Amphetamin nach. Der Antragsteller wandte sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis. In seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz machte er hinsichtlich des Gutachtens ein Beweisverwertungsverbot geltend. Außerdem habe er vor drei Monaten ein Entzugsprogramm durchgeführt und befinde sich in Behandlung. Daher sei ein weiterer Drogenkonsum nicht zu erwarten.

Schutzinteresse der Allgemeinheit überwiegt
Das Gericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Gutachtens nicht bestehe. Es sei zu unterscheiden zwischen strafrechtlichen und gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis diene dem Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Verkehrsteilnehmer vor Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgingen. Dieses Schutzinteresse überwiege das Interesse des Antragstellers, anzunehmen, dass das ihn betreffende Gutachten außerhalb des familienrechtlichen Verfahrens keine Folgen habe. Im Hinblick auf staatliche Schutzpflichten sei es nicht hinnehmbar, wenn die Fahrerlaubnisbehörde trotz Kenntnis von der Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers nicht einschreiten dürfte und die Gefahr in Kauf nehmen müsste.

Harte Drogen: kein Führen von Kraftfahrzeugen
Durch den Konsum harter Drogen (Kokain, Amphetamin) habe sich der Antragsteller auch zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erwiesen, weshalb ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei. Dabei sei es zum jetzigen Zeitpunkt unerheblich, dass der Antragsteller an einer Drogenentzugstherapie teilgenommen habe und sich auch weiterhin in Behandlung befinde. Eine Entwöhnung und Entgiftung sei erst nach einer einjährigen Abstinenzphase anzunehmen. Da eine einjährige Abstinenz noch nicht nachgewiesen sei, habe der Antragsteller seine Fahreignung noch nicht wiedererlangt.

Quelle: VG Cottbus, Beschluss vom 28.4.2022, VG 7 L 82/22

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

 

Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat jetzt entschieden: Die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für Grundstücke, die keinen Zugang bzw. keine Zufahrt zu einer Verkehrsanlage haben und auch nicht genutzt werden, scheidet aus. Dies gilt auch, wenn die Eigentümer dieses Grundstücks und des Anliegergrundstücks identisch sind.

Das war geschehen
Die Klägerin ist Eigentümerin zweier Grundstücke, von dem eines unmittelbar an eine Straße ihrer Gemeinde angrenzt. Direkt hinter diesem Grundstück befindet sich das zweite Grundstück, das weder eine Zufahrt oder Zuwegung zu einer Straße hat noch unmittelbar über das vordere Grundstück der Klägerin angefahren werden kann. Dieses Grundstück wird von der Klägerin nicht genutzt; Wiese und Sträucher wachsen dort wild.

Die beklagte Gemeinde erhob im Jahr 2019 wiederkehrende Ausbaubeiträge für beide Grundstücke. Nachdem der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin keinen Erfolg hatte, verfolgte sie ihr Begehren im Klageweg weiter.

Hinterliegergrundstück nicht genutzt: keine Beiträge
Die Klage hatte in Bezug auf das Hinterliegergrundstück Erfolg. Während das an die Straße angrenzende Grundstück der Klägerin ohne Weiteres beitragspflichtig sei, hätten, so das VG, für das dahinterliegende Grundstück keine Beiträge erhoben werden dürfen. Zwar sei ein Hinterliegergrundstück, das im (Mit)Eigentum derselben Person stehe, wie das selbstständig bebaubare Anliegergrundstück, beitragspflichtig, wenn es zusammen mit diesem einheitlich genutzt werde oder tatsächlich eine Zufahrt zu der Anbaustraße besitze. Von einer einheitlichen Nutzung sei aber nur auszugehen, wenn ein Eigentümer sein Hinterliegergrundstück als private Grünfläche (Hausgarten mit Nebengebäude) für das mit einem Wohnhaus bebaute Anliegergrundstück nutze. Dies sei bei dem Hinterliegergrundstück der Klägerin jedoch nicht der Fall. Es werde überhaupt nicht genutzt. Beide Parzellen seien durch einen Maschendrahtzaun voneinander getrennt, sodass sie nicht einheitlich umfriedet seien. Eine Gartennutzung finde ausschließlich auf der Fläche südwestlich des Wohnhauses der Klägerin auf dem Anliegergrundstück statt.

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zu.

Quelle: VG Koblenz, Urteil vom 21.2.2022, 4 K 1019/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht