Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat jetzt in einem Fall angeordnet, dass gegen einen Autofahrer Anklage erhoben wird, obwohl das Verfahren zuvor eingestellt war. Es ging um einen Unfall, bei dem zwei Motoradfahrer starben.

Die beiden Motorradfahrer waren an einem sonnigen Herbsttag mit ihren Motorrädern unterwegs, als ihnen ein Autofahrer entgegenkam. Als der Autofahrer nach links abbiegen wollte, übersah er wegen der tiefstehenden Abendsonne die beiden Motorradfahrer. Es kam zu einer Kollision. Die beiden Motorradfahrer starben noch am Unfallort.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Autofahrer zunächst ein. Der Unfall sei unvermeidbar gewesen, denn der Autofahrer habe zum Zeitpunkt des Unfalls gegen die tiefstehende Sonne blicken müssen. Es sei daher nicht auszuschließen, dass er die Motorradfahrer wegen der Sonnenblendung nicht erkennen konnte.

Die Hinterbliebenen legten gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde ein. Die Generalstaatsanwaltschaft in Oldenburg lehnte eine Änderung der Entscheidung ab: Dem Autofahrer könne kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden. Von ihm habe nicht verlangt werden können, so lange zu warten, bis er nicht mehr geblendet würde – also quasi bis zum Sonnenuntergang.

Dieser Argumentation schlossen sich die Richter am OLG nicht an: Man dürfe nicht einfach „blind“ weiterfahren, ohne eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Wenn es nicht anders gehe, müsse man so lange warten, bis man wieder richtig sehen könne, was vor einem sei. Darüber hinaus habe es für den Autofahrer viel nähergelegen, zum Beispiel vor dem Abbiegen am Rand anzuhalten, bis sich seine Augen an die Blendung gewöhnt hätten.

Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg muss jetzt Anklage erheben, damit diese Sache vor Gericht verhandelt wird.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.3.2020, 1 W 60/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Ein Lehrer, der sich bei einem Fototermin in der Schule freiwillig mit Schulklassen hat ablichten lassen, kann später nicht verlangen, dass die im Jahrbuch der Schule veröffentlichten Bilder entfernt werden.

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz im Fall eines Lehrers. Dieser ließ sich bei einem Fototermin in der Schule mit einer Schulklasse und einem Oberstufenkurs fotografieren. Die Schule gab, wie bereits im Jahr zuvor, ein Jahrbuch mit den Abbildungen sämtlicher Klassen und Kurse nebst den jeweiligen Lehrkräften heraus. Nachdem der Lehrer sich zunächst erfolglos innerhalb der Schulverwaltung gegen die Veröffentlichung der Fotos gewandt hatte, erhob er Klage vor dem Verwaltungsgericht. Er machte geltend, dass die Publikation sein Persönlichkeitsrecht verletze. Er habe kein Einverständnis zur Veröffentlichung der Bilder erteilt, sondern stehe einer solchen vielmehr ablehnend gegenüber. Er habe sich nur ablichten lassen, weil eine Kollegin ihn überredet habe. Den wahren Verwendungszweck der Fotos habe er nicht gekannt.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Nach dem Kunsturhebergesetz bedürfe es keiner Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotos im Jahrbuch der Schule, weil diese Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte seien. Dies ergebe sich aus der dafür erforderlichen Abwägung der wechselseitigen Interessen. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe auch bei Veranstaltungen von regionaler oder lokaler Bedeutung. Eine solche Bedeutung hätten die Jahrbücher mit den Klassenfotos für die Angehörigen der Schule. Demgegenüber seien die Rechte des Lehrers nur geringfügig beeinträchtigt worden. Er sei im dienstlichen Bereich in einer völlig unverfänglichen, gestellten Situation aufgenommen worden. Die Bilder seien in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Selbst wenn eine Einwilligung erforderlich gewesen sein sollte, wäre diese aber auch zumindest konkludent erteilt worden, weil der Kläger sich mit den beiden Schülergruppen habe ablichten lassen. Er habe gewusst oder jedenfalls wissen müssen, dass die Schule derartige Klassenfotos bereits in der Vergangenheit für Jahrbücher verwendet habe. Es sei ein widersprüchliches Verhalten, die Veröffentlichung von Fotos einerseits strikt abzulehnen und sich andererseits auf Fotos ablichten zu lassen, die offensichtlich dem Zweck der Veröffentlichung dienten.

Das OVG bestätigte diese Entscheidung. Es lehnte den Antrag des Lehrers auf Zulassung der Berufung ab. Der Lehrer habe keine Gründe dargelegt, warum entgegen der nachvollziehbaren Wertung des Verwaltungsgerichts in der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und der Persönlichkeitsrechte seine Belange hätten höher zu bewerten sein müssen. Auch den vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Widerspruch in seinem Verhalten habe er nicht überzeugend auflösen können.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2.4.2020, 2 A 11539/19.OVG

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer wird Erbe, wenn nur eines von zwei Originalen vernichtet wird? Existieren zwei Originale eines Testaments, genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Fall einer Erblasserin entschieden, die zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt hatte. Später verfasste sie ein handschriftliches Testament, mit dem anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt wurde. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht und verkaufte dieser – gegen einen Barkaufpreis sowie eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung – ihr Hausgrundstück. Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht 50.000 EUR vom Konto der späteren Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte außerdem einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Haus beraten zu lassen. Das Nachlassgericht hatte zu entscheiden, ob dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden kann. Dem Gericht lag ein Original des Testaments zugunsten der Haushälterin vor, welches der Rechtsanwalt der Haushälterin übersandt hatte. Der Urenkel behauptete dagegen, die Erblasserin habe das Testament widerrufen. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufs ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Deshalb gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu seinen Gunsten.

Das Nachlassgericht hat die Rechtsanwälte der Erblasserin und die Haushälterin als Zeugen vernommen. Es kam dann zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden und ihm ein Erbschein zu erteilen ist.

Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Haushälterin zurückgewiesen. Zur Begründung führten die Richter aus, dass der Erblasser ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen könne. Dazu könne zum Beispiel einfach die Testamentsurkunde vernichtet werden. Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden seien, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde nur genügen, wenn keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestünden. Dies sei hier der Fall. Der Anwalt der Erblasserin, der kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits gehabt habe, habe glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle. Dazu passe, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zur Haushälterin gehabt habe und unstreitig versucht habe, die Übertragung des Grundstücks an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne angenommen werden, dass sie das zweite Original schlicht vergessen habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals sei daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen.

Quelle: OLG Köln, Beschluss vom 22.4.2020, 2 Wx 84/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl