Steine - QuerdenkerDer Familienname eines Kindes kann in den Namen der Pflegeeltern geändert werden, wenn dies dem Wohl des Kindes förderlich ist.

Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz im Fall eines heute 10-jährigen Kindes, das seit seiner Geburt bei Pflegeeltern lebt. Es trägt den Familiennamen der leiblichen Mutter. Auf Wunsch des Kindes und im Einverständnis mit den Pflegeeltern gab die zuständige Verbandsgemeinde dem Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes in den der Pflegeeltern statt. Sie führte aus, dass eine Namensänderung zur dauerhaften Sicherung des Wohls des Kindes erforderlich sei. Dagegen richtete sich die Klage des leiblichen Vaters. Er sieht die Interessen der leiblichen Eltern unnötig zurückgesetzt. Eine Namensänderung sei nicht notwendig, um seinem Kind Sicherheit zu vermitteln. Sie schade vielmehr der Bindung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind.

Das VG wies die Klage des leiblichen Vaters ab. Nur ein wichtiger Grund rechtfertige es, den Familiennamen zu ändern. Ob ein solcher vorliege, müsse durch eine Abwägung aller Umstände des Falls geklärt werden. Erforderlich sei, dass sich ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Belange ergebe. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits für den Fall entschieden, dass ein Kind in Dauerpflege aufwächst. Nach der Rechtsprechung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die begehrte Namensänderung dem Wohl des Pflegekindes förderlich sei. Weiterhin dürften überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall bestehe eine intensive Beziehung des Kindes zu den Pflegeltern. Die gelte es auch zukünftig zu stabilisieren. Das Interesse des leiblichen Vaters trete dahinter zurück. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind schon bisher einen anderen Familienname trage als sein Vater (VG Mainz, Urteil vom 24.4.2015, 4 K 464/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das MietrechtWird ein als Hobbyraum ausgewiesenes Sondereigentum unzulässigerweise als Wohnung genutzt, tritt für den Unterlassungsanspruch keine Verjährung ein. Das gilt auch, wenn die zweckwidrige Nutzung schon seit 28 Jahren andauert.

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer aus zwei Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Beklagten gehören die Einheiten Nr. 1 im Souterrain und Nr. 2 im Erdgeschoss. Der Klägerin steht seit dem Jahr 2007 das Sondereigentum an den Wohnungen Nr. 3 und Nr. 4 im Ober- und Dachgeschoss zu. Die Einheit Nr. 1 ist in der Teilungserklärung ausgewiesen als „Räumlichkeiten im Souterrain bestehend aus drei Hobbyräumen, Vorratskeller, Flur und einem weiteren Kellerraum“.

Der Beklagte vermietet diese als Wohnraum. Seit 2007 hat er zwei Neuvermietungen vorgenommen. Die Klägerin will erreichen, dass es der Beklagte unterlassen muss, die Einheit Nr. 1 als Wohnraum zu nutzen oder nutzen zu lassen. Dieser beruft sich auf die Verjährung und Verwirkung des Anspruchs. Die Souterrainräume würden bereits seit 1980 als Wohnraum genutzt, zunächst durch ihn selbst und seit dem Jahr 1986 durch Mieter. Die Voreigentümer der Klägerin seien hiermit einverstanden gewesen. Weil die Nutzung als Wohnraum bei der ersten Beanstandung durch die Klägerin im Jahr 2008 seit 28 Jahren angedauert habe, habe er auf die dauerhafte Erzielung der Mieteinnahmen vertrauen dürfen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Das Landgericht hat seine Berufung zurückgewiesen.

Der BGH hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Im Ausgangspunkt ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegeben, weil die Nutzung von Hobbyräumen zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken jedenfalls dann nicht gestattet ist, wenn sie – wie hier – die Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert. Der Anspruch ist nicht verjährt. Solange die Nutzung anhält, tritt die Verjährung nicht ein. Der Schwerpunkt der Störung liegt nämlich nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung. Er liegt auch darin, dass diese aufrechterhalten wird. Dabei ist unerheblich, ob die zweckwidrige Nutzung durch den Sondereigentümer selbst oder durch dessen Mieter erfolgt.

Dem Anspruch steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung in Gestalt der sogenannten Verwirkung entgegen. Voraussetzung hierfür ist unter anderem eine ununterbrochene, dauerhafte Einwirkung. An einer solchen fehlt es jedenfalls deshalb, weil noch in jüngster Zeit zwei Neuvermietungen stattgefunden haben. Eine solche Neuvermietung stellt in der Regel aus Sicht aller Beteiligten eine Zäsur und damit eine neue Störung dar. Der vermietende Wohnungseigentümer setzt eine neue Willensentscheidung hinsichtlich einer zweckwidrigen Nutzung um. Die übrigen Wohnungseigentümer haben Anlass, für die Zukunft eine der Teilungserklärung entsprechende Nutzung einzufordern, auch wenn sie hiervon zuvor – etwa aus Rücksicht auf das bestehende Mietverhältnis – Abstand genommen haben (BGH, Urteil vom 8.5.2015, V ZR 178/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

3D ParagraphDas Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen beinhaltet keine hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Einstellungshöchstaltersgrenzen. Die in der Laufbahnverordnung vom 30. Juni 2009 vorgesehenen Regelungen der Altershöchstgrenze sind daher mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden. Er hat damit zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zugleich hat es die materiellen Anforderungen an Einstellungshöchstaltersgrenzen konkretisiert: Sie sind grundsätzlich zulässig, um ein ausgewogenes zeitliches Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit zu gewährleisten. Der Gesetzgeber verfügt insoweit über einen Gestaltungsspielraum. Dessen Grenzen ergeben sich unter anderem aus den Anforderungen des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG) sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 21.4.2015, 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

BüroalltagIn die Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) kann ein bisher gezahlter Leistungsbonus eingerechnet werden.

Diese Entscheidung traf das Arbeitsgericht Düsseldorf im Fall einer Frau, die bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 EUR pro Stunde vergütet wurde. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen „freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 EUR, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 EUR brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 EUR pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 EUR pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung in Höhe von 8,50 EUR pro Stunde zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Zweck des MiLoG sei es, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. Da ein Leistungsbonus, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise, handele es sich um „Lohn im eigentlichen Sinn“, der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.4.2015, 5 Ca 1675/15).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

TachoHat die Verwaltungsbehörde die Auswertung von Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung, deren Ergebnis ggf. schließlich zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den Fahrer wegen Geschwindigkeitsüberschreitung führen soll, in vollem Umfang in die Hände eines privaten Unternehmens gegeben, besteht hinsichtlich der ermittelten Ergebnisse ein Beweisverwertungsverbot.

So entschieden die Amtsgerichte (AG) Parchim und Kassel. Den Betroffenen wurden Geschwindigkeitsüberschreitungen zur Last gelegt. In beiden Fällen waren die Geschwindigkeitsmessungen durch private Firmen ausgewertet worden. Die AG haben die Betroffenen freigesprochen. Beide AG weisen darauf hin, dass die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns ist. Eine Mitwirkung von Privatpersonen ist nur in bestimmten Fällen möglich.

Das war in beiden Fällen nicht gewahrt. Das AG Kassel hat zudem beanstandet, dass das dort auswertende Privatunternehmen, welches als GmbH satzungsgemäß einem Gewinnstreben unterliegt, nur dann einen monetären Ertrag für seine Arbeit erhält, wenn die Messung als verwertbar eingestuft wird. Die Entscheidung, ob die Messung verwertbar ist oder nicht, oblag vorliegend jedoch faktisch dem Unternehmen selbst. Hierdurch entsteht bei dem Unternehmen ein Eigeninteresse an dem Ergebnis der Auswertung der Messung. Das ist ein Interessenkonflikt, der im Rahmen einer hoheitlichen Messung nicht zu akzeptieren ist  (AG Parchim, Urteil vom 1.4.2015, 5 OWi 2215/14; AG Kassel, Urteil vom 14.4.2015, 385 OWi – 9863 Js 1377/15):
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gesetz 1Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat die Klagen von zwei Bürgerinnen gegen die Einbahnstraßenregelung auf der Königstraße in Bornheim abgewiesen.

Die Stadt Bornheim hatte bereits im Jahr 2004 ein Handlungskonzept beschlossen. Dieses sah die Einführung einer Einbahnstraßenregelung auf der Königstraße vor. Im Jahr 2008 wurde ein entsprechender Bebauungsplan beschlossen und 2013 die Einbahnstraßenregelung auf der Königstraße probeweise eingeführt. Nach Abschluss der Probephase wurde im Jahr 2014 mit den Umbauarbeiten begonnen. Diese haben das Ziel, eine auf 4,50 m verengte Fahrbahn herzustellen. Die Bauarbeiten dauern derzeit noch an.

Eine Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage geltend gemacht, sie werde an ihrem Wohnort am Servatiusweg unzumutbaren zusätzlichen Verkehrsimmissionen ausgesetzt, wenn die Königstraße nicht mehr in zwei Richtungen befahren werden könne. Die andere Klägerin betreibt ein Fotogeschäft auf der Königstraße und befürchtet Umsatzeinbußen.

Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass beide Klagen bereits unzulässig seien. Denn die probeweise eingeführte Einbahnstraßenregelung bestehe derzeit auf der Königstraße wegen der Bauarbeiten nicht mehr. Soweit sich die Klägerinnen bereits jetzt gegen die geplante Einführung der Einbahnstraßenregelung nach Fertigstellung der Bauarbeiten wehrten, könne vorbeugender Rechtsschutz nicht gewährt werden.

Unabhängig davon sei die (probeweise) Einführung der Einbahnstraßenregelung auch rechtmäßig gewesen. Denn die Einführung der Einbahnstraße sei Gegenstand eines nicht mehr anfechtbaren Bebauungsplans. Vor allem habe die Stadt von ihrem Ermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht. Bei Erstellung des Bebauungsplans seien die Interessen der Anwohner des Servatiuswegs berücksichtigt worden. Ferner habe diese Planung dem Ziel gedient, die Königstraße als Hauptgeschäftsstraße von Bornheim attraktiver zu machen  (VG Köln, Urteil vom 29.5.2015, 18 K 1683/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

NachschulungWird die konkrete Nachtrunkangabe des Beschuldigten durch einen Sachverständigen widerlegt, rechtfertigt das ohne weitere Feststellungen nicht die Feststellung, dass überhaupt kein Nachtrunk vorgelegen hat.

Diese Entscheidung zugunsten des Angeklagten traf das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Diesem war eine Trunkenheitsfahrt zur Last gelegt worden. Er hatte sich verteidigt, indem er einen Nachtrunk behauptet hatte – also die Aufnahme von Alkohol nach der Tat. Das hatte das Landgericht nach einem Sachverständigengutachten als widerlegt angesehen. Es hatte daraus den Schluss gezogen, dass ein Nachtrunk überhaupt nicht vorgelegen habe.

Ein solcher Schluss ist nach Auffassung des OLG so aber nicht ohne Weiteres zulässig. Und zwar vor allem dann nicht, wenn Anhaltspunkte für einen Nachtrunk des Angeklagten unabhängig von dessen konkreten Behauptungen zu Trinkmenge und -art gegeben sind. Hier war es so, dass der Angeklagte offenbar bei dem Versuch, sich zu entlasten, hinsichtlich des Nachtrunks übertriebene Angaben gemacht hatte. Gleichwohl hatte er zwischen der Tat und der Blutentnahme Alkohol in geringerer Menge zu sich genommen. Dem muss das LG nun nachgehen  (OLG Koblenz, Urteil vom 20.3.2015, 1 OLG 3 Ss 179/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

PuzzleWird eine Satzungsänderung beschlossen, die verschiedene Regelungen in der Satzung betrifft, muss darüber von der Mitgliederversammlung nicht einzeln abgestimmt werden. Ein Beschluss über alle Änderungen zusammen ist nicht zu beanstanden.

So entschied es das Landgericht (LG) Düsseldorf. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die geänderte Satzung als einheitliches Regelungswerk anzusehen sei. Es könne deshalb keinen Unterschied machen, ob über eine neue Satzung als Ganzes abgestimmt werde oder über einzelne Änderungsanträge. Im Ergebnis würde in beiden Fällen nur eine neue Satzung entstehen.

Hinweis  Der Wortlaut der Änderungen kann gegenüber dem in der Einladung zur Mitgliederversammlung angegebenen Text noch verändert werden. Änderungsvorschläge gehören zu einer Diskussion über Anträge und müssen folglich in der Mitgliederversammlung berücksichtigungsfähig sein. Die Mitglieder müssen darüber – wie sonst bei Änderungen der Tagesordnung erforderlich – nicht informiert werden  (LG Düsseldorf, Urteil vom 12.8.2014, 1 O 307/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Paragraf blauDie Abfindungszahlung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist bei der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht auf 12 Monate, sondern auf 10 Jahre zu verteilen.

So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall einer Frau, die zunächst über ihren Ehemann in der gesetzlichen Krankenkasse familienversichert war. Nach rechtskräftiger Scheidung ihrer 22-jährigen Ehe beantragte sie die Aufnahme als freiwilliges Mitglied. Sie hatte nach der Scheidung von ihrem geschiedenen Ehemann einen Abfindungsbetrag für den nachehelichen Unterhaltsanspruch in Höhe von 35.000 EUR erhalten. Die Krankenkasse berücksichtigte die Abfindungszahlung bei der Festsetzung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Sie legte diese auf zwölf Monate um, in dem sie von beitragspflichtigen monatlichen Einnahmen in Höhe von 2.916,67 EUR ausging. Hiergegen wandte sich die Frau. Da sie sich ihren kompletten Unterhaltsanspruch habe abfinden lassen, sei die Abfindungszahlung zumindest auf 10 Jahre umzulegen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse verurteilt, die Höhe des Gesamtbeitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze festzusetzen. Zwar sei nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine einmalige beitragspflichtige Einnahme dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen. Da mit der Zahlung der Abfindung die nachehelichen Unterhaltsansprüche vollständig abgegolten wurden, sei jedoch eine Umlegung auf zwölf Monate nicht gerecht. Die Abfindung sei vielmehr mit einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung vergleichbar, sodass sie entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze auf 120 Monate (10 Jahre) umzulegen sei.

 

Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt. Bei der Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Tatsächlich nicht erzielte Einnahmen dürften nicht fingiert werden. Die Beitragsverfahrensgrundsätze sähen für die streitige Abfindung eines nachehelichen Unterhalts keine passende Regelung vor. Die Beurteilung als einmalige Einnahme mit einer Zuordnung von 1/12 würde zu einer unangemessenen Schlechterstellung der Frau gegenüber Personen führen, die ihren nachehelichen Unterhalt regelmäßig monatlich über einen längeren Zeitraum erhalten. Daher bestimme der Zufluss der 35.000 EUR entgegen der Ansicht der Krankenkasse nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin für ein Jahr, sondern ersetze den Unterhaltsanspruch mehrerer Jahre, also eine monatlich regelmäßig wiederkehrende Leistung. Versorgungsbezüge, die ebenfalls eine Einkommens- oder Unterhaltsersatzfunktion hätten, würden auf 10 Jahre verteilt. Daher sei auch die Verteilung der Abfindung auf 10 Jahre angemessen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.1.2015, L 1/4 KR 17/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

haus fragezeichenDer Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Grundsatzentscheidung zu der Frage getroffen, unter welchen Voraussetzungen der Mieter einer Wohnung wegen sog. Umweltmängel – hier Lärmbelästigungen von einem Nachbargrundstück – die Miete mindern darf und wie dabei Kinderlärm zu berücksichtigen ist.

Die Beklagten hatten eine Erdgeschosswohnung nebst Terrasse angemietet. Das Wohngrundstück grenzt an eine Schule, auf deren Gelände im Jahr 2010 – zwanzig Meter von der Terrasse der Beklagten entfernt – ein Bolzplatz errichtet wurde. Der Bolzplatz soll nach der vom Schulträger angebrachten Beschilderung Kindern im Alter bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18:00 Uhr zur Benutzung offen stehen. Ab Sommer 2010 rügten die Mieter gegenüber den Vermietern Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die auch außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielten. Deshalb minderten sie seit Oktober 2010 die Miete um 20 Prozent. Die Vermieter halten die Mietminderung für unberechtigt. Mit ihrer Klage verlangen sie die Zahlung der restlichen Miete. Außerdem wollen sie festgestellt wissen, dass die Mieter nicht berechtigt sind, wegen des Lärms die Miete zu mindern. Die Klage blieb zunächst ohne Erfolg.

Der BGH hat entschieden, dass nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen – sogenannte „Umweltmängel“ – zwar Gegenstand einer Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung sein können. Daher können später eintretende nachteilige Änderungen zu einem Mangel der Mietsache führen. Allerdings könne bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass eine Pflicht des Vermieters festgelegt werden sollte, nach der sich der Wohnstandard in Bezug auf Umwelteinflüsse nicht nachteilig verändern darf und der Vermieter seinen Fortbestand zu garantieren hat.

Fehlt eine solche Vereinbarung im Mietvertrag, müsse ein mögliches Eintretenmüssen des Vermieters durch eine Vertragsauslegung geklärt werden. Zu berücksichtigen sei, dass der Vermieter nicht dafür einstehen müsse, dass sich ein bei Vertragsschluss hingenommenes Maß an Geräuschen vom Nachbargrundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn er diese Geräusche selbst gegenüber dem Nachbarn zu dulden hätte. Denn Unmögliches hätte der Mieter, wenn die Vertragsparteien das Ansteigen der Geräuschkulisse bei Vertragsschluss bedacht hätten, vom Vermieter redlicherweise nicht beanspruchen können. Er hätte vielmehr nur verlangen können, dass der Vermieter einen von ihm nicht mehr zu duldenden Geräuschanstieg gegenüber dem Dritten abwehrt oder ihm eine Minderung zubilligt, wenn auch er selbst von dem Dritten für eine wesentliche, aber als ortüblich zu duldende Störung einen Ausgleich verlangen kann.

Vor diesem Hintergrund ist der BGH zu dem Ergebnis gelangt, dass in den hier neu aufgetretenen Lärmbelästigungen jedenfalls dann kein Mangel der Mietsache gesehen werden kann, wenn auch der Vermieter selbst die Belästigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Es würden die Vorschriften des Bundesimmissionenschutzgesetzes (BImSchG) greifen. Dabei sei unerheblich, wenn dieses erst lange nach dem Abschluss des Mietvertrags in Kraft getreten sei. Nach dem BImSchG ist eine Lärmbelästigung durch Kinder hinzunehmen.

Der BGH wies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück. Dies muss nun prüfen, ob die Lärmbelästigungen von Kindern oder von (nicht unter die Privilegierung des BImSchG fallenden) Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verursacht werden (BGH, Urteil vom 29.4.2015, VIII ZR 197/14).

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl