Ein Bewerber um einen Arbeitsplatz kann nicht automatisch erwarten, dass ihm der Arbeitgeber die Kosten für einen Flug erstattet.

Hierauf wies das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf hin. In dem Fall war ein Bewerber von Hamburg nach Düsseldorf zu einem Vorstellungsgespräch geflogen. Der Arbeitgeber wollte die entstandenen Flugkosten nicht vollständig ersetzen. Er zahlte lediglich den Betrag, der bei einer Bahnfahrt angefallen wäre.

Zu Recht, entschied das ArbG. Zwar müsse der Arbeitgeber einem Bewerber alle Aufwendungen ersetzen, die der Bewerber den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Allerdings sei es nicht üblich, unabhängig von der Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle Flugkosten als erstattungsfähig anzusehen. Anhaltspunkte hierfür seien nicht zu erkennen. Es bestehe auch kein praktisches Bedürfnis für eine solche Annahme. Ein Bewerber, der mittels Flugzeug anreisen will, könne sich schlicht an den potenziellen Arbeitgeber wenden und anfragen, ob dieser Reisekosten per Flugzeug übernehme. Es seien auch keine sonstigen Gesichtspunkte ersichtlich, aufgrund derer der Bewerber die Erstattung der Flugkosten für erforderlich halten durfte. Das Vorstellungsgespräch sei gegen 14.00 Uhr angesetzt gewesen. Eine Anreise von Hamburg nach Düsseldorf per Auto bzw. per Bahn (2. Klasse) sei möglich, ohne dass der Bewerber die Reise zu einer ihm unzumutbaren Zeit hätte beginnen müssen. Durch die Nutzung des Flugzeugs seien daher auch keine Übernachtungskosten vermieden worden (ArbG Düsseldorf, 2 Ca 2404/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Anwohner in einem reinen Wohngebiet darf auf seinem Grundstück keinen Taubenschlag mit mehr als 60 Brieftauben betreiben.

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt in einem Eilverfahren entschieden. Der Antragsteller ist Eigentümer eines Wohnhauses. Entlang und hinter der Garage hat er zwei Volieren errichtet. Hier hält er mehr als 60 Brieftauben. Nachdem sich mehrere Nachbarn über die von den Tauben ausgehenden Belästigungen beschwert hatten, untersagte der Landkreis die Taubenhaltung mit sofortiger Wirkung. Hiergegen wollte sich der Taubenzüchter im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wehren.

Die Richter lehnten seinen Eilantrag jedoch ab. Zur Begründung führten sie aus, dass Bewohner eines reinen Wohngebiets einen Anspruch darauf hätten, von allen Störungen freigehalten zu werden, die ein ruhiges Wohnen stören, beeinträchtigen oder erheblich belästigen könnten. Außer Wohngebäuden seien zwar untergeordnete Nebenanlagen zulässig, zu denen auch Einrichtungen zur Kleintierhaltung gehörten. Die Haltung von Brieftauben könne in einem reinen Wohngebiet zugelassen werden, soweit sie üblich und ungefährlich sei und den Rahmen für eine typische Freizeitbetätigung nicht sprenge. Das sei vorliegend bei über 60 Tieren aber nicht mehr der Fall. Die Grundstücke der Nachbarn würden durch den Kot der Brieftauben sowie Federn-/Flaumflug verunreinigt. Belästigungen entstünden ferner durch die Geräusche beim Flügelschlagen der Tauben, die über den Grundstücken des Antragstellers und der Nachbarn kreisten (VG Neustadt, 4 L 625/12.NW).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die von der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ungenehmigte Tagesmuttertätigkeit in einer Eigentumswohnung darf nach bestandskräftigem Untersagungsbeschluss nicht fortgeführt werden.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits zwischen einer WEG und einem Wohnungseigentümer vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der Wohnungseigentümer hatte eine Mieterin, die in der Wohnung eine Tagespflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder betreibt. Auf die Klage der WEG war der Wohnungseigentümer vom Landgericht verurteilt worden, die Nutzung der Wohnung als Kindertagespflegestelle zu unterlassen. Seine Revision hatte keinen Erfolg.

Der BGH machte deutlich, dass der Unterlassungsanspruch bereits daraus folge, dass dem Wohnungseigentümer die Ausübung der Tagesmuttertätigkeit seiner Mieterin durch einen in der Eigentümerversammlung gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer untersagt worden sei. Dieser Beschluss sei nicht angefochten worden. Er sei daher für den Wohnungseigentümer verbindlich. Die Richter verwiesen zudem darauf, dass der Betrieb einer entgeltlichen Tagespflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder die „Ausübung eines Gewerbes oder Berufs in der Wohnung“ im Sinne der Teilungserklärung darstelle. Sie erfordere daher die Zustimmung des Verwalters oder einer ¾-Mehrheit der hierüber abstimmenden Wohnungseigentümer. Zwar würde zum Wohnen auch die Möglichkeit gehören, in der Familie neben den eigenen Kindern fremde Kinder zu betreuen. Das sei etwa bei regelmäßigen Besuchen von Freunden der Kinder oder im Wege der Nachbarschaftshilfe der Fall. Hiervon zu unterscheiden sei jedoch die Nutzung der Wohnung zur (werk-)täglichen Erbringung von Betreuungsdienstleistungen gegenüber Dritten. Hier stehe der Erwerbscharakter im Vordergrund. Eine solche teilgewerbliche Nutzung der Wohnung werde vom Wohnzweck nicht mehr getragen.

Hinweis: Dem Wohnungseigentümer bleibt es aber unbenommen, bei der Verwalterin oder der WEG einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung zu stellen. Über diesen wäre unter Berücksichtigung der tatsächlichen konkreten Gegebenheiten innerhalb der Wohnungseigentumsanlage zu entscheiden. Solange eine erforderliche Zustimmung aber nicht vorliege, dürfe die Tagesmuttertätigkeit aufgrund des bestandskräftigen Untersagungsbeschlusses nicht fortgesetzt werden (BGH, V ZR 204/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Parken in einer Fußgängerzone, um dort Werbeschaukästen zu reinigen und neu zu bestücken, stellt einen erlaubten Lieferverkehr dar.

Diese Entscheidung traf das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) im Fall eines Mannes, der in der Innenstadt von Jena mehrere Schaukästen betreibt. Er war wegen verbotswidrigen Parkens in einem gesperrten Fußgängerbereich zu einer Geldbuße von 30 EUR verurteilt worden. Zwar hat die Stadt Jena an Werktagen von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr den Lieferverkehr erlaubt. Auch hatte der Mann sein Fahrzeug innerhalb dieser erlaubten Zeiten, nämlich morgens zwischen 8.30 Uhr und 8.50 Uhr in der Fußgängerzone geparkt. Das Amtsgericht war jedoch der Meinung, er könne sich nicht auf die Zusatzbeschilderung (den mit Zeichen Nr. 1026-35 erlaubten Lieferverkehr) berufen. Der Lieferverkehr umfasse lediglich solche Waren, deren Umfang und/oder Gewicht ein Tragen über längere Strecken unzumutbar erscheinen lasse. Bei Plakaten für Schaukästen sei es nicht unzumutbar, diese über längere Strecken zu tragen.

Dieser Auffassung ist das OLG nicht gefolgt und hat der Rechtsbeschwerde des Mannes stattgegeben, ihn also freigesprochen. Das Amtsgericht habe den in der Straßenverkehrsordnung (StVO) gesetzlich nicht definierten Begriff „Lieferverkehr“ zu eng interpretiert. Wortsinn und gängiger Sprachgebrauch verlangten vielmehr eine großzügigere Auslegung. Hiernach sei Lieferverkehr „als stichwortartige Umschreibung des zur Führung und Aufrechterhaltung eines Geschäfts- oder Gewerbebetriebs erforderlichen geschäftsmäßig – d.h. von Gewerbetreibenden und nicht von Privaten – durchgeführten Transports von Gegenständen von oder zu (anderen) Gewerbetreibenden oder Kunden“ zu verstehen. Das Zusatzschild „Lieferverkehr frei“ solle das Fortbestehen wirtschaftlich sinnvoller geschäftlicher Betätigung in der Fußgängerzone ermöglichen; nicht zuletzt deshalb, weil diese dadurch in allgemein erwünschter Weise belebt werde. Dem widerspräche es, den Begriff des Lieferverkehrs unter Außerachtlassung von Wirtschaftlichkeits- und Gleichbehandlungserwägungen so auszulegen, dass Gewerbetreibenden das Befahren der Fußgängerzone nur dann erlaubt sei, wenn ihnen der durchgeführte Transport wegen der Größe und/oder Schwere der beförderten Gegenstände zu Fuß unzumutbar sei. Auch die geschäftliche Beförderung leichter (tragbarer) Gegenstände in die oder aus der Fußgängerzone sei als „Lieferverkehr“ anzusehen. Allein entscheidend sei also nur, ob der Ort, von oder zu dem geliefert werde, in der Fußgängerzone läge. Ein bloßes abkürzendes Durchfahren der Fußgängerzone zu einem außerhalb gelegenen Lieferort sei nicht gestattet (OLG Thüringen, 1 Ss Rs 67/12 (146)).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Schwangerschaft an sich ist bei normalem Verlauf keine Erkrankung. Treten jedoch Komplikationen auf, kann dies zu einer Reisestornierung berechtigen, da dann eine „unerwartete schwere Erkrankung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegen kann.

So entschied das Amtsgericht (AG) München im Falle eines Ehepaars, das im Februar eine Reise nach Griechenland gebucht hatte. Die Reise sollte im Mai stattfinden. Zum Zeitpunkt der Buchung war die Ehefrau bereits schwanger, die Schwangerschaft war bis dahin völlig komplikationslos verlaufen. Gleichzeitig mit der Buchung schlossen sie eine Reiserücktrittsversicherung ab. Ende April kam es plötzlich zu vorzeitigen Wehen. Die behandelnde Ärztin riet daher von der Reise ab. Das Ehepaar stornierte die Reise und verlangte die Stornokosten in Höhe von 2535 EUR von der Reiserücktrittsversicherung. Diese lehnte die Zahlung jedoch ab. Schließlich sei die Schwangerschaft bereits bei Buchung bekannt gewesen. Nach den Versicherungsbedingungen sei nur eine unerwartete schwere Erkrankung ein Versicherungsfall. Die Komplikationen seien völlig unerwartet gewesen, erklärte das Ehepaar und erhob Klage vor dem AG München.

Die zuständige Richterin gab den Reisenden recht. Das Ehepaar habe einen Anspruch auf Ersatz der Stornokosten, da ein Versicherungsfall vorliege. Ein Versicherungsschutz bestehe nach den Versicherungsbedingungen, wenn die versicherte Person von einer unerwarteten schweren Erkrankung betroffen werde und infolgedessen der Reiseantritt nicht möglich sei. Zwar sei das Vorliegen der Schwangerschaft bei Vertragsschluss bekannt gewesen. Jedoch habe zu diesem Zeitpunkt eine komplikationslos verlaufende Schwangerschaft vorgelegen. Daher hätten keine Bedenken gegen die Durchführung der Reise bestanden. Die Schwangerschaft an sich sei keine Erkrankung. Das unerwartete Auftreten von Komplikationen während einer Schwangerschaft sei allerdings als unerwartete schwere Erkrankung anzusehen. Das Auftreten von vorzeitigen Wehen sei eine unerwartete schwere Komplikation (AG München, 224 C 32365/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gegenwärtig fehlt es an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung.

Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Verfahren hin. In beiden Verfahren begehrten die Betreuerinnen die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung stehenden, einwilligungsunfähigen und geschlossen untergebrachten Betroffenen. Diese benötigen wegen ihrer Erkrankung zwar eine medikamentöse Behandlung, lehnen die Behandlung krankheitsbedingt aber ab. Die Anträge der Betreuerinnen blieben vor dem Amtsgericht und dem Landgericht erfolglos. Mit den von den Landgerichten zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgten die Betreuerinnen ihre Anträge auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung weiter.

Der BGH hat beide Rechtsbeschwerden zurückgewiesen. Im Rahmen des Wirkungskreises der Gesundheitsvorsorge könne einem Betreuer die Befugnis übertragen werden, an Stelle des Betroffenen in dessen ärztliche Behandlung einzuwilligen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH umfasste dies auch die Befugnis, einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, wenn der Betroffene geschlossen untergebracht war und das Betreuungsgericht die Unterbringung zur Heilbehandlung genehmigt hatte. Hieran hält der BGH nicht mehr fest. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Das Bundesverfassungsgericht hatte in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im strafrechtlichen Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig ist, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt. Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende setzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit, in der er besonderen Schutz auch dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden.

Diese Vorgaben sind nach Auffassung des BGH im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Zwar ist der Betreuer im Rahmen seines Wirkungskreises grundsätzlich zur Vertretung des Betroffenen befugt. Besonders gravierende Eingriffe in die Rechte des Betroffenen bedürfen aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einer ausdrücklichen gerichtlichen Genehmigung. Insoweit sei die Rechtsmacht des Betreuers eingeschränkt. So müssten nach dem Gesetz etwa besonders gefährliche ärztliche Maßnahmen, eine Sterilisation, eine geschlossene Unterbringung und die Aufgabe der Mietwohnung eines Betroffenen zuvor durch das Betreuungsgericht genehmigt werden.

Eine entsprechende gesetzliche Grundlage für die gebotene staatliche Kontrolle des Betreuerhandelns fehle hingegen hinsichtlich einer Zwangsbehandlung des Betroffenen. Jene müsse nach Auffassung der Richter inhaltlich den gleichen Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des strafrechtlichen Maßregelvollzugs aufgestellt hat. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) würden diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen.

(BGH, XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Vorsicht bei vorschneller Annahme der Unwirksamkeit von fehlerhaften Staffelmietverträgen. Oft sind diese nur zum Teil unwirksam.

Hiervor warnt der Bundesgerichtshof (BGH). In einer aktuellen Entscheidung macht er deutlich, dass eine unter der Geltung des Miethöhegesetzes ohne zeitliche Begrenzung vereinbarte Staffelmiete nicht insgesamt, sondern nur insoweit unwirksam ist, als sie über die damals zulässige Höchstdauer von zehn Jahren hinausgeht. Eine Staffelmietvereinbarung, in der die Miete oder die Erhöhung für die ersten zehn Jahre in einem Geldbetrag und erst für die nachfolgenden Jahre in einem Prozentsatz ausgewiesen ist, ist ebenfalls nicht insgesamt unwirksam. Auch hier ist die Vereinbarung für die ersten zehn Jahre wirksam (BGH, VIII ZR 197/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, kann dies auch nach längerer – im Streitfall zehnjähriger – Betriebszugehörigkeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Führte eine verdeckte Videoüberwachung zur Überführung der Täterin, kann das auf diese Weise gewonnene Beweismaterial im Bestreitensfall prozessual allerdings nicht ohne Weiteres verwertet werden.

Auf diese prozessuale Besonderheit wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Verkäuferin hin. Diese war als stellvertretende Filialleiterin bei einer Handelskette beschäftigt. Für drei Wochen im Dezember 2008 installierte das Unternehmen mit Zustimmung des Betriebsrats verdeckte Videokameras in den Verkaufsräumen. Es bestand der Verdacht, dass auch Mitarbeiterdiebstähle zu hohen Inventurdifferenzen beigetragen hätten. Auf dem Mitschnitt sei zu sehen, wie die Verkäuferin bei zwei Gelegenheiten jeweils zumindest eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendet habe. Die Handelskette kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die Verkäuferin bestritt, Zigaretten entwendet zu haben. Nach Einnahme des Augenscheins in die Videoaufzeichnungen hat das Landesarbeitsgericht (LAG) den Kündigungsvorwurf als erwiesen erachtet und die Klage gegen die ordentliche Kündigung abgewiesen.

Diese Entscheidung hat das BAG nun aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Interesse des Arbeitgebers gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Arbeitnehmerin nur höheres Gewicht habe, wenn die Art der Informationsbeschaffung trotz der mit ihr verbundenen Persönlichkeitsbeeinträchtigung als schutzbedürftig zu qualifizieren sei. Dies sei bei verdeckter Videoüberwachung nur der Fall, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers bestand, es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen (mehr) gab und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig war. Unter diesen strengen Voraussetzungen wiederum stünden Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) der verdeckten Videoüberwachung auch an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen nicht entgegen. Zwar bestimme das Gesetz, dass bei Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle erkennbar gemacht werden müssten. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht werde aber nicht jedwede Videoüberwachungsmaßnahme an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen per se unzulässig. Das LAG müsse nun prüfen, ob die Voraussetzungen für eine prozessuale Verwertung der Videoaufzeichnungen gegeben seien (BAG, 2 AZR 153/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Aus der maßgeblichen Sicht des Kunden beinhaltet ein Angebot: „1 qm Stabparkett – fix und fertig“ neben der vollständigen Verlegung des Parketts auch sämtliche Kosten einer Herstellung der Verlegereife des Untergrunds.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken im Streit eines Kunden mit einem Parkettlegebetrieb. Der Kunde wollte die zusätzlich in Rechnung gestellte Untergrundbehandlung nicht bezahlen. Er berief sich darauf, dass dies von dem Fixpreis umfasst sein müsse.

Das sahen die Richter am OLG ebenso. Lasse sich der übereinstimmende Wille der Parteien nicht feststellen, müsse das Angebot ausgehend vom Verständnis des Empfängers ausgelegt werden. Dabei komme es darauf an, wie ein unbeteiligter Dritter das Angebot vernünftigerweise hätte verstehen können. Vorliegend sei das Angebot „1 qm Stabparkett – fix und fertig“ auf die Frage des Kunden erfolgt, was an Kosten auf ihn zukomme. Diese Aussage könne nur so verstanden werden, dass damit neben der vollständigen Parkettverlegung auch sämtliche anfallenden Kosten erfasst seien. Entsprechend sei eine mögliche Untergrundbehandlung mit eingeschlossen. Schränke der Unternehmer sein Angebot nicht ein, gehe dies zu seinen Lasten. Als Fachbetrieb müsse er sich darüber im Klaren sein, dass eine Untergrundbehandlung erforderlich sein könne. Das sei für ihn nicht unerwartet oder überraschend (OLG Saarbrücken, 1 U 376/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist ein Fahrzeug nach einem Unfall noch betriebsbereit und verkehrssicher, kann der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Kleinhaltung des Nutzungsausfallschadens verstoßen, wenn er den Reparaturauftrag ohne die Möglichkeit einer Eigenfinanzierung erteilt, bevor der gegnerische Haftpflichtversicherer seine Bereitschaft zur Kostenübernahme erklärt hat. Die Verlängerung der Ausfallzeit durch die Inanspruchnahme des Werkunternehmerpfandrechts geht in einem solchen Fall zulasten des Geschädigten.

So entschied das Landgericht (LG) Detmold bei einem Verkehrsunfall mit voller Haftung der Gegenseite. Der beschädigte Mercedes war trotz des Unfalls noch betriebsbereit und verkehrssicher. Noch bevor die Regulierungszusage des Versicherers vorlag, erteilte der Geschädigte den Reparaturauftrag. Dabei war ihm klar, dass er wegen fehlender Eigenmittel (auch keine Kreditaufnahme möglich) die dafür anfallenden Kosten nicht zahlen konnte. Die Werkstatt verweigerte daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs nach der Reparatur. Sie gab den Wagen erst 30 Tage später frei, als der Versicherer die Werkstattrechnung beglich. Der Geschädigte verlangte für diese 30 Tage weiteren Nutzungsausfall.

Der wurde ihm vom LG jedoch verwehrt. Sein Vorgehen sei „unsachgemäß“ gewesen, so die Ansicht der Richter. Eine Nutzungsausfallentschädigung könne der Geschädigte nur für die reine Reparaturdauer beanspruchen. Die Verlängerung der Ausfallzeit infolge der Weigerung der Werkstatt, das reparierte Fahrzeug ohne Bezahlung herauszugeben, gehe zulasten des Geschädigten. Einiges spreche dafür, dass sein Vorgehen so unsachgemäß sei, dass der „Haftungszusammenhang“ unterbrochen worden sei, meinte das LG. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor.

Hinweis: Wie man es macht, man macht es falsch. Zahlreiche Gerichte fordern nämlich auch, dass bei eindeutiger Reparaturwürdigkeit (kein Totalschaden) der Reparaturauftrag unverzüglich zu erteilen sei, ggf. noch vor Eingang des schriftlichen Gutachtens. Es kommt daher immer auf den jeweiligen Einzelfall an. Sicherer wäre es vorliegend gewesen, den Versicherer umgehend auf die Vermögenslosigkeit hinzuweisen und den beschädigten, aber noch verkehrssicheren Wagen zunächst ohne Reparatur weiterzunutzen (LG Detmold, 10 S 114/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl