Eine Stellenbewerberin kann bei einer Ablehnung als „Ossi“ keine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aus Gründen der ethnischen Herkunft als Ostdeutsche verlangen.

Dies hat das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart im Fall einer aus der ehemaligen DDR stammenden Frau entschieden. Diese hatte sich bei einem Unternehmen in Stuttgart erfolglos beworben. Auf dem zurückgesendeten Lebenslauf befand sich unter anderem der Vermerk „(-)OSSI“. Der Arbeitgeber, der nach eigener Darstellung mehrere Mitarbeiter aus Ostdeutschland beschäftigt, hatte vorgebracht, die Stellenabsage sei nicht wegen der Herkunft der Klägerin erfolgt. Die Frau verlangte daraufhin eine auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gestützte Entschädigung.

Diese Entschädigung wurde ihr vom ArbG jedoch versagt. Das Gericht hat hierzu ausgeführt, die Bezeichnung als „Ossi“ könne zwar diskriminierend gemeint sein und/oder so empfunden werden. Sie erfülle jedoch nicht das Merkmal der ethnischen Herkunft im Sinne des AGG. § 1 AGG lautet: „Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot sieht das Gesetz in § 15 Abs. 1 und 2 Schadenersatz- und/oder Entschädigungsansprüche vor. Selbst wenn davon ausgegangen werde, so das Gericht, dass mit dem Begriff „Ethnie“ Populationen von Menschen beschrieben werden, die durch ihre Herkunft, ihre Geschichte, ihre Kultur, durch ihre Verbindung zu einem spezifischen Territorium und durch ein geteiltes Gefühl der Solidarität verbunden sind, so werde die Bezeichnung „Ossi“ nicht dem Begriff der Ethnie als Gesamtgefüge dieser Elemente gerecht. Die Gemeinsamkeit ethnischer Herkunft könne sich in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung oder in gleichartiger Ernährung ausdrücken. Außer der Zuordnung zum ehemaligen DDR-Territorium fehle es bei den „Ossis“ an diesen Merkmalen, zumal die DDR nur wenig mehr als eine Generation, nämlich 40 Jahre lang, eine von der Bundesrepublik unterschiedliche Entwicklung genommen habe (ArbG Stuttgart, 17 Ca 8907/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Auch wenn ein Tarifvertrag Zuschläge für gesetzliche Feiertage vorsieht, haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung eines Feiertagszuschlags für die Arbeiten am Ostersonntag oder am Pfingstsonntag. Diese beiden Feiertage sind nämlich keine gesetzlichen Feiertage, wie das Bundesarbeitsgericht aktuell klargestellt hat (BAG, 5 AZR 317/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Altersgrenze bei Erreichen des 68. Lebensjahres in der Sachverständigenordnung einer IHK ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Eine Verlängerung um weitere drei Jahre ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn der Sachverständige über eine außergewöhnliche Qualifikation auf einem Mangelgebiet verfügt. Ein Ausnahmefall ist dagegen nicht gegeben, wenn auf dem betreffenden Sachgebiet ausreichend Sachverständige zur Verfügung stehen.

Diese Klarstellung traf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVG) im Fall eines Architekten, der für das Sachgebiet Immobilienbewertung öffentlich als Sachverständiger bestellt war. Dieser hatte nach Erreichen des 68. Lebensjahres die Verlängerung seiner Bestellung auf weitere drei Jahre beantragt. Die IHK lehnt die Verlängerung ab. Es gebe für dieses Sachgebiet ausreichend Sachverständige. Außerdem sei das Vorliegen einer besonderen Sachkunde zweifelhaft, weil zwei vorgelegte Gutachten fehlerhaft seien.

Die Klage des Sachverständigen gegen die Ablehnung der Verlängerung blieb erfolglos. Er habe nach Ansicht der Richter nicht nachweisen können, dass er über eine außergewöhnliche Qualifikation verfüge und sein Sachgebiet Immobilienbewertung ein sog. Mangelgebiet sei. Auch trage er durch den Wegfall der Bestellung keinen Ansehensverlust davon. Für seine noch nicht abgeschlossenen Gutachtenaufträge habe ihm die Kammer eine zusätzliche Auslauffrist zugestanden. Der Erlöschenstatbestand bei Erreichen der Altersgrenze sei rechtlich nicht in gleicher Weise zu handhaben wie das Erlöschen durch Fristablauf mit anschließender Neubestellung (BayVG, M 16 K 09.3043).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Arglist erfasst nicht nur ein Verhalten des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist.

Erfasst werden nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss.

So stelle nach Ansicht der Richter eine mangelhafte Außenabdichtung bzw. Drainage an einem am Hang gelegenen Hausanwesen wegen der latenten Gefahr eines Feuchtigkeitseintritts regelmäßig einen für den Kaufentschluss maßgeblichen Mangel dar, den der Verkäufer redlicherweise nicht verschweigen dürfe. Er müsse vielmehr ungefragt solche Umstände offenbaren, die auf einen möglichen Feuchtigkeitsschaden hindeuten würden (OLG Koblenz, 2 U 422/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus Brühl

Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens kann der Geschädigte, der ein Sachverständigengutachten einholt, seiner Schadensabrechnung grundsätzlich den darin genannten Restwertbetrag zugrunde legen.

 Voraussetzung ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aber, dass das Gutachten eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt. Im vorliegenden Fall hieß es im Sachverständigengutachten „Restwert: Angebot liegt vor: 1.000,00 EUR “ und „Der ausgewiesene Restwert basiert auf Angeboten von Interessenten“. Das reichte dem BGH jedoch für eine korrekte Wertermittlung nicht aus. Die Angaben des Sachverständigen ließen weder erkennen, wie viele Angebote er eingeholt habe, noch von wem diese stammen. Im Regelfall seien drei Angebote einzuholen. Diese müssten im Gutachten konkret benannt werden (BGH, VI ZR 318/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus Brühl

Auch derjenige, der seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber seinen minderjährigen Kindern verletzt und sich deswegen fiktives Einkommen zurechnen lassen muss, kann nicht einfach zur Zahlung des Mindestunterhalts verurteilt werden.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hin. Die Richter machten deutlich, dass man dem Betreffenden nur so viel fiktives Einkommen zurechnen könne, wie er auch wirklich erzielen könnte. Im vorliegenden Fall war ein ungelernter Hilfsarbeiter betroffen, der bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen beschäftigt war. Das Gericht hielt es für erwiesen, dass er mit dieser Tätigkeit in Sachsen nicht mehr als 1.000 EUR netto verdienen könne (OLG Dresden, 24 UF 342/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus Brühl

Ist der Fahrer eines Pkw innerorts deutlich zu schnell und kann er ein Verschulden des Unfallgegners nicht nachweisen, hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz.

Das zeigt ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Landgerichts (LG) Coburg, mit dem die Schadenersatzklage eines Kraftfahrzeughalters gegen den Unfallgegner und dessen Versicherung abgewiesen wurde. Das Kraftfahrzeug des Klägers wurde zum Unfallzeitpunkt von einem Verwandten mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit innerhalb einer Ortschaft auf einer Bundesstraße gefahren. Der beklagte Unfallgegner wollte kurz nach dem Ortsschild auf diese vorfahrtsberechtigte Bundesstraße einbiegen. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs versuchte, einen Unfall zu vermeiden, geriet dabei ins Schleudern und prallte gegen einen Laternenmast.

Der Kläger hatte behauptet, der Unfallgegner hätte sein Fahrzeug, bevor er auf die bevorrechtigte Bundesstraße einfuhr, sehen können und müssen. Daher hätte er nicht auf die Bundesstraße einfahren dürfen. Entsprechend müsse er den durch den Unfall entstandenen Fahrzeugschaden ersetzen. Die Beklagten trugen vor, dass der Fahrer des klägerischen Pkw auf Höhe des Ortsschilds eine Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h gehabt habe. Der beklagte Unfallgegner habe den Pkw des Klägers daher beim Einbiegen noch gar nicht sehen können.

Das LG wies die Klage ab. Die Richter machten deutlich, dass die Beklagten nicht haften, da der Fahrer des klägerischen Pkw einen groben Verkehrsverstoß begangen habe. Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen war das Gericht von einer Geschwindigkeit des klägerischen Pkw in Höhe des Ortsschilds von mindestens 100 km/h überzeugt. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs und seine Beifahrerin hätten entsprechende Angaben bei der Polizei gemacht. Der eingeschaltete Sachverständige sei ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fahrzeug des Klägers nach dem Ortsschild noch 100 km/h schnell gewesen sein müsse. Daher habe der Fahrer die innerorts vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50 km/h grob missachtet. Ein Verschulden des Unfallgegners konnte der Sachverständige dagegen nicht feststellen. Aufgrund der groben Alleinschuld des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs müssten der Unfallgegner und seine Versicherung nicht zahlen (LG Coburg, 21 O 655/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus Brühl

Der Bauträger hat gegenüber dem Auftragnehmer keinen Anspruch auf einen Kostenvorschuss, wenn feststeht, dass die Ansprüche der Erwerber gegen den Bauträger wegen eines Baumangels verjährt sind.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. Dort hatte ein Bauträger von einem Bauunternehmer Schadenersatz gefordert, hilfsweise als abrechenbaren Kostenvorschuss. Grund war die mangelhafte Abdichtung der Kelleraußenwände.

Das OLG wies die Klage jedoch ab. Der Bauträger habe keinen Schadenersatzanspruch. Selbst wenn dieser grundsätzlich bestehe, dürfe er ihn nach Treu und Glauben nicht geltend machen. Es stehe nämlich fest, dass er von den Käufern des Hauses wegen des Mangels nicht mehr in Anspruch genommen werden könne. Der Schadenersatzanspruch dürfe ihn aber nicht besser stellen, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Daher könne er vom Handwerker auch keinen Ersatz mehr fordern (OLG Frankfurt a.M., 10 U 264/07).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren in Brühl

Nimmt der Vermieter zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens auf einen Mietspiegel Bezug und ist dieser gegen eine geringe Schutzgebühr von jedermann bei den örtlichen Mieter- und Vermietervereinigungen erhältlich, muss der Mietspiegel dem Mieterhöhungsverlangen nicht beigefügt werden.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Vermieters, der von seinem Mieter vergeblich die Zustimmung zur Mieterhöhung verlangt hatte. Zur Begründung hatte er auf den – nicht beigefügten – Mietspiegel der Stadt verwiesen. Dieser ist über den örtlichen Verein Haus und Grund sowie über den örtlichen Mieterverband gegen eine Schutzgebühr von 3 EUR (Mitglieder) bzw. 4 EUR (Nichtmitglieder) zu beziehen.

Die Richter sahen hierin keinen Verstoß gegen die formellen Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens. Der Mietspiegel müsse nicht beigefügt werden. Dies gelte jedenfalls, wenn er allgemein zugänglich sei. Auch ein Mietspiegel, der – wie hier – von privaten Vereinigungen gegen eine geringe Schutzgebühr an jedermann abgegeben werde, sei allgemein zugänglich. Dem Mieter sei zumutbar, zur Überprüfung des Mieterhöhungsverlangens eine geringe Schutzgebühr aufzuwenden (BGH, VIII ZR 276/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus Brühl

Ist ein Arbeitnehmer nicht in der Lage, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen zu lesen, so kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Es stellt keine nach § 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich ist. Der Arbeitgeber verfolgt ein im Sinne des Gesetzes legitimes, nicht diskriminierendes Ziel, wenn er – zB aus Gründen der Qualitätssicherung – schriftliche Arbeitsanweisungen einführt.

Der 1948 geborene Kläger war seit 1978 als Produktionshelfer bei der Arbeitgeberin beschäftigt, einem Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie mit ca. 300 Arbeitnehmern. Er ist in Spanien geboren und dort zur Schule gegangen. Nach einer vom Kläger unterzeichneten Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2001 zählte zu den Anforderungen die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Der Kläger absolvierte im September 2003 auf Kosten der Arbeitgeberin während der Arbeitszeit einen Deutschkurs. Mehrere ihm empfohlene Folgekurse lehnte er ab. Seit März 2004 ist die Arbeitgeberin nach den entsprechenden Qualitätsnormen zertifiziert. In der Folgezeit wurde bei mehreren internen Audits festgestellt, dass der Kläger Arbeits- und Prüfanweisungen nicht lesen konnte. Im September 2005 forderte die Arbeitgeberin ihn auf, Maßnahmen zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse zu ergreifen. Eine weitere Aufforderung im Februar 2006 verband die Arbeitgeberin mit dem Hinweis, er müsse mit einer Kündigung rechnen, wenn er die Kenntnisse nicht nachweisen könne. Nach einem Audit von April 2007 war der Kläger weiterhin nicht in der Lage, die Vorgaben einzuhalten. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31. Dezember 2007.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die hiergegen erhobene Klage – anders als das Landesarbeitsgericht – abgewiesen. Die Kündigung verstößt nicht gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft. Der Arbeitgeberin war es nicht verwehrt, vom Kläger ausreichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache zu verlangen. Sie hatte ihm ausreichend Gelegenheit zum notwendigen Spracherwerb gegeben.

 
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2010 – 2 AZR 764/08
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Juli 2008 – 16 Sa 544/08